Am Nachmittag steht Martin Semecký auf dem Berg Cerchov und schildert mit zittriger Stimme im tschechischen Fernsehen, wie er die achtjährige Julia aus Deutschland gefunden hat. Erst kurz zuvor hatte der Förster das Kind entdeckt, im hohen Gras mitten im Wald, zwei Kollegen von ihm waren mit dabei. "Als wir angekommen sind, ist sie aufgestanden", berichtet er mit Tränen in den Augen. Das Kind sei verängstigt gewesen, schließlich habe es zwei Tage dort verbracht.
Was nur ein Ausflug sein sollte, wurde zu einem Martyrium: Das Mädchen aus Berlin war am späten Sonntagnachmittag beim Wandern mit ihrer Familie am Cerchov ("Schwarzkopf") im bayerisch-tschechischen Grenzgebiet verschwunden. Die verzweifelte Suche dauerte 45 Stunden, dann kam die erlösende Nachricht.
Semecký und seine Kollegen hatten am Dienstag in Absprache mit der Einsatzleitung ein Waldstück abgesucht, das knapp außerhalb des offiziellen Suchradius lag. Der Fundort lag demnach rund einen Kilometer entfernt von einer Quelle, die Ceská studánka heißt. Als er ihren Namen gerufen habe, habe Julia nur mit dem Kopf genickt, erzählt Semecký. Er gab ihr seine Jacke und alarmierte die Einsatzzentrale.
"Es ist ein Wunder"
Nun ist Semecký, der Held vom Berg Cerchov, ein gefragter Mann. Insgesamt 1.400 Einsatzkräfte hatten zwei Tage und Nächte nach der Schülerin gesucht - Semecký fand sie schließlich. "Ich muss gestehen, dass wir der Suche keine große Chance einräumten. Als wir sie gesehen haben, haben wir unseren eigenen Augen nicht getraut, dass es überhaupt möglich ist und sie in Ordnung ist. Es ist ein Wunder, dass sie überlebt hat", berichtet der Förster der Zeitung "Deník".
Die Emotionen nach dem Fund sind riesig: Julia sei nicht verletzt, nur unterkühlt gewesen. "Besser hätte es nicht ausgehen können. Nach etwa zehn Minuten begannen wegen all dem meine Knie zu zittern", beschreibt Semecký seine Gefühle. Wie Julia überlebt hat, in den teils eiskalten Nächten, ist auch ihm noch nicht ganz klar. "Schwer zu sagen, wo sie die zwei Tage verbracht hat. Aber sie war trocken und sauber, also muss sie irgendwo versteckt gewesen sein."
- Zum Artikel: Mehr Details von Julias Odyssee im Wald
Julia geht es "relativ gut"
Die Oberpfälzer Polizei berichtet am Mittwoch, dass es Julia nach Auskunft ihres Vaters "relativ gut" gehe. Das Mädchen hat laut einem Sprecher die Nacht im Krankenhaus verbracht und lag dort in einem Wärmebett. Sie habe keine körperlichen Schäden, auch keine Erfrierungen davongetragen und außer ein paar Kratzern auch keine weiteren Verletzungen. Am Nachmittag wurde das Mädchen aus der Klinik entlassen.
Julia habe berichtet, dass sie ständig versucht habe, den Wanderweg wiederzufinden, wo sie am späten Sonntagnachmittag verloren ging, erzählt der Polizeisprecher. Sie habe im Wald nichts gegessen oder getrunken, auch nicht Tropfwasser oder Ähnliches. Nach den bisherigen Erkenntnissen der Polizei ist die Achtjährige sehr viel im Wald herumgelaufen und hat wahrscheinlich durch ihr Herumirren insgesamt an die zehn Kilometer zurückgelegt. In Bewegung zu bleiben, sei in der Situation auch sinnvoll und richtig gewesen, um nicht noch mehr auszukühlen.
"Könnte vor Freude nur noch heulen"
Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) sagt, es sei das nötige "Quäntchen Glück" gewesen, dass der in die Suchaktion eingebundene Förster Julia gefunden habe. "Viel Zeit wäre bei den jetzigen Witterungsbedingungen sicherlich nicht geblieben." Er hoffe, dass sich die Schülerin jetzt schnell von den Strapazen der vergangenen Tage erhole.
Der Minister zeigt sich vom Rund-um-die-Uhr-Einsatz der Suchkräfte und der Zusammenarbeit zwischen bayerischen und tschechischen Einsatzkräften beeindruckt. "Unsere Einsatzkräfte haben länderübergreifend hervorragend zusammengearbeitet."
In den Kommentarspalten würdigen viele die Leistung der Suchtrupps und die Kooperation: "Tausend Dank an all diejenigen, die gemeinsam tagelang mitgeholfen haben! Ihr seid so wunderbare Menschen!", schreibt etwa BR24-User "JL". Die allermeisten sind jedoch schlicht überwältigt vom Happy End im Fall Julia. BR24-Leser "aricrem" bringt es auf den Punkt: "Da sitze ich jetzt, ein streitlustiger Macho von über 50 Jahren und könnte vor Freude nur noch heulen!"
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