"Sie wissen, dass wir nur Ware von gestern verkaufen?", fragt Verkäuferin Birgit den jungen Mann an der Theke. "Klar, ich war ja schon da", antwortet er und lässt sich zwei Croissants, eine Apfeltasche und ein Roggenbrot in die Papiertüte packen. Bäckereifachverkäuferin Birgit verlangt dafür knapp fünf Euro - am Tag zuvor wäre es das Doppelte gewesen.
Zweite Chance für Brot und Gebäck
Der Name der Bäckerei-Filiale ist Programm: "Yesterday". Gebäck vom Vortag, das nicht verkauft wurde, landet hier zum zweiten Mal in der Theke. Und die Vielfalt ist riesig: Brot, allerlei Brötchen, süße Teilchen, Hörnchen oder Plundergebäck - wenn die Theke gefüllt ist, sieht sie aus wie in einer üblichen Filiale. Nur Sahnetorten und Laugengebäck bekommen keine zweite Chance, sie sind am Folgetag deutlich weniger genießbar.
Statt in die Tonne wieder in die Theke
"Yesterday" ist eine Filiale des Lanzendorfer Backparadieses aus dem Landkreis Kulmbach. In Oberfranken gibt es mehr als zehn Filialen und insgesamt 50 Verkaufsstellen. Jeden Tag fallen insgesamt um die 25 Bäckerkisten voller unverkaufter Backwaren an. Diese Kisten holen die Fahrer morgens ab, wenn sie die frische Ware bringen und transportieren sie ins Bayreuther "Yesterday". "Es geht uns um Nachhaltigkeit", sagt Tanja Kauer vom Backparadies Lanzendorf. "Wir geben die unverkaufte Ware zwar auch der Tafel und an Bauern, aber es landete bisher immer noch zu viel im Müll."
Kundenansprüche führen zu vollen Theken nach Ladenschluss
Doch woran liegt es, dass so viel Backwaren nicht verkauft werden? Ist die Kalkulation der Filialen etwa falsch? "Nein", beteuert Tanja Kauer. "Die Kunden wollen heute zu jeder Zeit eine volle Theke mit allem, was wir anbieten, vorfinden." Diese Haltung führe dazu, dass die Filialen so viel bestellen, dass immer alles vorhanden sei. Die Folge: Am Ende des Tages füllen die Mitarbeiter viele Kisten mit unverkauften Lebensmitteln. "Wir wollen keine Kunden enttäuschen oder verlieren", sagt Tanja Kauer. "Nun gehen wir mit dem 'Yesterday' einen neuen Weg, um weniger wegwerfen zu müssen."
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Brot von gestern: Das Konzept passt in die Zeit
Die Eröffnung des "Yesterday" am Bayreuther Wilhelmsplatz hat sich wie ein Lauffeuer herumgesprochen. Erst vor wenigen Monaten hat hier die Filiale einer beliebten Bäckerei geschlossen. Dass sie nun in dieser Ecke der Stadt wieder Backwaren einkaufen können, gleichzeitig Brote vor der Tonne retten und Geld sparen können, finden die Kunden toll: "Super Konzept", sagt ein Mann, "da kann man richtig Geld sparen." Eine Kundin, die für ihre gesamte Großfamilie eingekauft hat, fügt hinzu: "Wenn es ein guter Bäcker ist, schmecken die Waren auch noch am nächsten Tag." Ein Jugendlicher betont, dass sowieso zu viele Lebensmittel verschwendet würden.
Steigende Energiepreise werden eine Herausforderung
Ob sich "Yesterday" mit den halben Preisen langfristig halten kann, werde man sehen, meint Tanja Kauer. "Bei dieser Filiale schauen wir nicht nur auf Gewinn", fügt sie hinzu. Sie hofft auf viele Kunden, denn nur so lasse sich die Verkaufsstelle halten. Vor dem Hintergrund steigender Energie- und Strompreise könnte das aber schwer werden.
Das Konzept ist bereits eineinhalb Jahre alt. Damals waren die Vorzeichen noch andere. Doch viele Kunden würden dem "Yesterday" schon heute Treue schwören, erzählt Fachverkäuferin Birgit: "Die Kunden sind ganz begeistert und ich bin selbst überrascht, wie gut sie das Konzept annehmen."