Tanja Gangl steht vor einem Sarg. Eine selbst gebaute Grusel-Deko für ihren Vorgarten in Dingolfing, in dem eine ganze Menge Grabsteine, Skelette und Hexenfiguren stehen. Halloween ist für die Gangls das Highlight im Jahr. Und ihr Gruselfriedhof zieht viele Menschen an – auch überregional: "Die kommen auch teilweise von weiter weg, von Deggendorf, von München haben wir ein paar, die regelmäßig runterkommen." Insgesamt rechnet Gangl mit bis zu 400 Besucherinnen und Besuchern.
Warum freuen sich Menschen über den Grusel?
Mittendrin steht der selbstgebaute Sarg – der ist heuer zum zweiten Mal im Einsatz. An den Strom angeschlossen, öffnet ein Mechanismus die Sargtür automatisch in gleichen Abständen, dahinter kommt ein Skelett zum Vorschein. Begleitet wird das Ganze von einem Surren und Knarzen, über das sich Tanja Gangl besonders freut: "Das Knarzen war letztes Jahr weg, jetzt ist es wieder da!"
Doch warum zieht der Gruselfaktor so viele Menschen an? Ist Gruseln nicht zunächst etwas Negatives? Tanja Gangl hat eine Erklärung: "Die Erleichterung danach, dass es doch nicht so schlimm ist, wie man es sich eigentlich gedacht hat."
Gruseln als Ablenkung von der Realität
Dass an dieser Erklärung etwas dran ist, bestätigt Gunther Hirschfelder. Er ist Professor für Vergleichende Kulturwissenschaften an der Universität Regensburg und sagt: "Natürlich hat das Gruseln auch die Funktion, dass man diese Angst überwindet und das Gruseln dann irgendwann vorbei ist. Das ist ein spielerisches, vordergründiges Gruseln." Den ganz großen "Grusel" dagegen, ergänzt Hirschfelder, erlebe unsere Gesellschaft mit Blick auf die vielen Krisen und Konflikte dieser Welt, etwa den Klimawandel.
Halloween als Kompensation großer Probleme
Feste wie Halloween könnten damit von Problemen im echten Leben ablenken. "Die Realität ist schwierig, und andauernd versuchen wir, aus der Realität zu flüchten", sagt Hirschfelder, und fügt hinzu: "Halloween ist doch in der Summe eher ein Spaß als ein Gruselfest. Der Grusel ist eher Dekoration."
Eigene Gruseltouren zur Unterhaltung
In der Landshuter Altstadt geht Christian Baier die Alte Bergstraße hinauf. Er ist Stadtführer und bietet spezielle Gruseltouren an. Neben einer kleinen Kapelle bleibt er stehen und erzählt die Geschichte des Nachbarhauses: "Die Pfarrhaushälterin hat in diesem Haus gelebt, und die hat immer die Geschichte erzählt, dass hier im Keller zwei Nonnen bei lebendigem Leibe eingemauert worden sind."
Oft spielt Ungewissheit eine Rolle
Wehrlose Nonnen, ein angeblich brutaler Tod, mitten in Landshut? Bewiesen ist daran nichts. Trotzdem nimmt Christian Baier auf seinen Führungen ein Interesse an der Gruselgeschichte wahr: "Es könnte ja doch sein, und es könnt' ja sein, dass die Nonnen da spuken! Ich hab mit dem Hausbesitzer geredet, der hat noch keine gesehen, aber es könnte ja sein. Ganz klar, dass man da mehr Angst hat."
Auf seinen Führungen jedenfalls, erzählt Baier, hören die Teilnehmerinnen und Teilnehmer solchen Geschichten gerne zu.
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