Eine Person mit Plastikhandschuhen nimmt jemandem Blut ab (Symbolbild)
Bildrechte: picture alliance/dpa | Marcus Brandt

Ein medikamentenabhängiger Donauwörther Arzt soll dutzende Patienten mit Hepatitis C angesteckt haben. Heute soll das Urteil kommen.

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Hepatitis-Prozess: Haft oder Bewährung für Donauwörther Arzt?

Ein Narkosearzt soll am Donauwörther Krankenhaus 51 Patienten mit Hepatitis C infiziert haben. Fast fünf Jahre haben die Ermittlungen gedauert. Seit einigen Wochen läuft der Prozess am Augsburger Landgericht. Heute wird das Urteil verkündet.

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Schwaben am .

Drei Jahre Haft hat die Staatsanwaltschaft gefordert: Sie wirft dem 61 Jahre alten Angeklagten unter anderem gefährliche Körperverletzung in 51 Fällen vor. Er soll in den Jahren 2017 und 2018 bei seiner Tätigkeit als Narkosearzt am Donauwörther Krankenhaus 51 Menschen mit Hepatitis C infiziert haben. Er selbst hat seinen Angaben zufolge damals nichts von seiner Hepatitis C Infektion gewusst. Seine Approbation als Arzt hat er zwischenzeitlich freiwillig abgegeben. Weil er diese aber theoretisch zurückfordern könnte, fordert die Staatsanwaltschaft außerdem ein lebenslanges Berufsverbot.

Ehemaliger Narkosearzt gesteht Medikamentenmissbrauch

Der Angeklagte hat gleich zu Beginn des Prozesses Mitte April gestanden. Ja, er habe sich an den für die Patienten bestimmten Narkosemitteln bedient. Und das bereits seit vielen Jahren, immer und immer wieder. Er leide unter einer chronischen Darmerkrankung, habe oft starke Schmerzen gehabt, außerdem sei er chronisch depressiv. Um dem Stress am Arbeitsplatz standzuhalten und weiterarbeiten zu können, habe er sich das Narkosemittel Sufentanyl verabreicht.

Verteidiger plädiert auf Bewährungsstrafe

Dabei habe er seine Patienten immer schützen wollen, so sein Verteidiger David Herrmann in seinem Plädoyer. Er sei ein bei Kollegen beliebter Anästhesist gewesen. Das bestätigen auch andere Ärzte vor Gericht. Dass sein Mandant einen Fehler gemacht habe, sei klar. Dennoch plädiert er auf eine Bewährungsstrafe. Er habe gestanden und zeige eine "tiefe Reue". So hat sich der Angeklagte auch bei den Mitarbeitern des Krankenhauses sowie den Betroffenen, die im Prozess ausgesagt haben, entschuldigt. Es tue ihm sehr leid, was passiert sei. Er könne sich im Nachhinein nicht mehr erklären, wie er in eine solche Abwärtsspirale habe geraten können. Sein Anwalt verweist außerdem auf eine Mitverantwortung des Krankenhauses und des Gesundheitsamtes. Mit regelmäßigen, verpflichtenden Blutkontrollen für Krankenhausmitarbeiter hätte man die Infektion seines Mandanten eher erkennen können.

Übertragungsweg des Virus nicht mehr exakt nachvollziehbar

Wie genau die Übertragung des Virus stattgefunden hat, ist heute nicht mehr nachzuvollziehen. Der Angeklagte hat vor Gericht gesagt, er habe stark gezittert, sich deshalb mit der Nadel gestochen. Entweder, als er das Narkosemittel aus der Spritze abzog, oder aber, als er sie mit Kochsalzlösung wieder auffüllte, damit nicht auffiel, dass etwas fehlte. Er betonte immer wieder, dass er die Nadel, mit der er sich die Mittel spritze, nie für die Patienten benutzt habe. Die Staatsanwaltschaft ist der Auffassung, dass der Anästhesist mit der Zeit unvorsichtiger wurde und - möglicherweise wegen des hohen Suchtdrucks - später doch dieselbe Nadel benutzt habe.

Als Arzt habe er in jedem Fall wissen müssen, dass er gegen Hygienevorschriften verstoße und die Patienten gefährde. Noch dazu habe er die mit Kochsalz gefüllten Spritzen einfach liegen gelassen, wenn ein anderer Arzt ihn ablöste. Das sei "skrupellos", so die Staatsanwaltschaft. Die Folge: Patienten bekamen immer wieder verdünnte Schmerzmittel, was Konsequenzen hatte: Pfleger berichteten vor Gericht, dass Patienten im Aufwachraum bereits früh über Schmerzen klagten und nachgespritzt werden mussten.

Mitarbeiter hatten Auffälligkeiten bemerkt

Mitarbeiter des Krankenhauses berichten außerdem über weitere Auffälligkeiten: Wenn der Angeklagte Dienst hatte, sei der Verbrauch an Medikamenten und Nadeln sehr hoch gewesen. Außerdem sei er oft sehr lange auf der Toilette verschwunden. Kam er zurück, sei er auffallend gut gelaunt gewesen. Man habe ihn auch darauf angesprochen, er habe jedoch immer geleugnet, dass etwas sei, so ein Chefarzt der Klinik. Sein Medikamentenmissbrauch fiel erst auf, als eine Schwester den Anästhesisten mit einer Spritze im Arm erwischte. Die Klinik beendete sein Arbeitsverhältnis dann umgehend.

Unbemerkt infiziert im Krankenhaus - Betroffene leiden immer noch

Einige der Betroffenen leiden noch immer unter den Folgen: Zwar hätten die gesundheitlichen Probleme inzwischen nachgelassen, berichten manche, psychisch setze ihnen das Ganze aber sehr zu. Man gehe ins Krankenhaus, um gesund zu werden. Sie aber seien krank - unbemerkt infiziert - wieder herausgekommen. Ein Betroffener erzählt, dass seine Ehe unter seiner Infektion mit Hepatitis C gelitten habe. Die Partnerin habe gefragt, wo er sich diese Krankheit geholt habe, ob er fremdgegangen sei. Andere konnten lange nicht ihrem Beruf nachgehen. Sie haben inzwischen Schmerzensgeld und Schadenersatzzahlungen von der Haftpflichtversicherung des Krankenhauses bekommen. Dennoch, die Angst vor Ärzten und Krankenhäusern begleitet viele weiter. Einige von ihnen sind vor Gericht als Nebenkläger aufgetreten.

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