Es geschah immer nachts: Drei Angriffe innerhalb von zwei Wochen. Das Landesamt für Umwelt hat insgesamt 27 tote Schafe dokumentiert. Tierhalter Jürgen Lukasch kommt mittlerweile sogar auf 66 – weil verletzte Schafe später auch noch gestorben seien, unter anderem aufgrund von Blutvergiftungen, wie Lukasch erklärt. "Mein Problem ist, dass es ein Hund war", sagt der 36-Jährige, der die Schafe im Nebenerwerb in Belzheim, einem Ortsteil von Ehingen am Ries, hält. Denn so bleibt Lukasch auf seinen Kosten sitzen: Mehr als 10.000 Euro seien die Schafe wert gewesen und schon jetzt habe er eine Tierarztrechnung über 3.840 Euro bekommen.
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Beim Wolf zahlt der Freistaat, beim Hund nicht
Reißt in Bayern ein Wolf Schafe, Ziegen oder Rinder, sind die Landwirte gut abgesichert: Der Freistaat ersetzt den finanziellen Schaden in der Regel zu 100 Prozent und zahlt auch den Tierarzt für die Versorgung verletzter Tiere. Das alles ist haarklein geregelt. Reißt jedoch ein Hund Nutztiere, gibt es nichts. Hunde sind keine Wildtiere. Sie haben einen Besitzer, der haften müsste. Doch Tierhalter Jürgen Lukasch im Nördlinger Ries hat keine Ahnung, welcher Hund seine Schafe gerissen hat. Die Angriffe in der Nacht hat er erst in der Früh bemerkt. Nun hat er Angst, dass es weitere Angriffe geben könnte.
Elektrozäune nur bei Wolfs-Gefahr
Genau für solche Fälle lagern in den Landratsämtern Elektrozäune. Sie sind mit knapp 1,50 Meter höher als der Standard von 90 Zentimetern und sollen so die Wölfe abhalten. Kommt es zu einem Riss, können sich die Tierhalter die Zäune kurzfristig ausleihen, um einen weiteren Angriff zu verhindern. Auch im Donau-Rieser Landratsamt lagern die Zäune. Das Problem: Auch wenn es für die Tierhalter keinen Unterschied macht, ob ein Wolf oder Hund ihre Herde angreift, ausgeliehen werden die Zäune nur bei Gefahr durch einen Wolf.
Für Hunde ist das Landratsamt nicht zuständig
Einen ersten Zaun hat Jürgen Lukasch nach eigenen Angaben noch bekommen. Da liefen die Untersuchungen des Landesamtes für Umwelt zu den Rissen noch. Als er einen zweiten Zaun benötigte, war es aber dann schlagartig vorbei mit der Unterstützung: "Die haben dann das Ergebnis im Radio gehört und haben mir gleich gesagt: 'Sie brauchen gar nicht kommen, Sie kriegen von uns nichts mehr, weil es ein Hund war!'", sagt Lukasch. Das Landratsamt Donau-Ries bestätigt BR24: Ja, es gebe Zäune, die für bis zu drei Monate an Tierhalter ausgeliehen werden. Weil Haushunde aber nicht unter das Naturschutzgesetz fallen, sei die Untere Naturschutzbehörde nicht zuständig.
Bürgermeister nennt die Risse einen Einzelfall
Um Haushunde kümmern sich in Bayern die Gemeinden. Belzheim gehört zu Ehingen am Ries. Bürgermeister Thomas Meyer äußerst sich aber nicht. Er teilt telefonisch mit, er wolle keine große Schlagzeile. Die Gemeinde unternehme nichts. Für ihn seien die drei Angriffe ein Einzelfall.
Nicht alle Bauern sind bei Nutztier-Rissen versichert
Versichert gegen einen Riss waren die Schafe nach Angaben von Jürgen Lukasch nicht. Laut BBV-Service, einem Tochterunternehmen des Bayerischen Bauernverbandes, das Versicherungen für Landwirte anbietet, sind schätzungsweise 60 Prozent der Bauern mittlerweile gegen Risse durch Wildtiere wie Wölfe versichert. Das laufe über die sogenannte Inhaltsversicherung, einer Art Hausratversicherung für landwirtschaftliche Betriebe, die auch das Vieh einschließt. Soll die Versicherung auch beim Angriff durch einen Hund greifen, müsse das – je nach Versicherungsvertrag – hinzugebucht werden, heißt es bei BBV Service.
Herdenschutz-Förderung nur bei Gefahr durch Wolf
Wer einen Riss von vornherein verhindern will, bekommt dafür auch Geld vom Freistaat. In Bayern wird die Anschaffung von Elektrozäunen und Herdenschutzhunden finanziell gefördert – aber nur in sieben festgelegten Wolfsgebieten, in denen die Tiere schon heimisch geworden sind. Und überall dort, wo ein Wolf Nutztiere gerissen hat. Auch hier gilt: Ein Hund zählt nicht. Dann ist die Gefahr für Schafe und Rinder zwar eventuell genauso hoch, deren Schutz aber nicht mehr förderwürdig.
Fast gleich viele Angriffe von Wölfen und Hunden
Dabei halten sich die Angriffe von Wölfen und Hunden auf Nutztiere in Bayern zuletzt die Waage. Die aktuellsten Zahlen sind die aus dem Monitoring-Bericht 2021/2022 des LfU. Der zählt neun Mal einen Wolf und acht Mal einen Hund. Und dazu noch Dutzende Fälle, in denen sich kein Verursacher nachweisen ließ.
"Gefahr von Hunden potenziell größer"
In Nordschwaben sind Wölfe bisher nur ganz vereinzelt beim Durchziehen beobachtet worden. Der Donau-Rieser Amtsveterinär Thomas Kellner schätzt die Bedrohung von Weidetieren im Nördlinger Ries deshalb so ein: "Potenziell ist die Gefahr von Hunden größer, weil einfach mehr Hunde da sind."
Schäfer fürchten den Wolf - aber nicht den Hund
Nicht nur die Politik, auch die Schäferinnen und Schäfer im Landkreis Donau-Ries sehen vor allem reißende Wölfe als Problem – aber nicht den Hund. Angesprochen auf den Fall im Nordries hört man von den Schäfern vor allem eines: Gerüchte. Bis hin zu der Vermutung, dass Wolfshunde in der Gegend unterwegs seien. Also eine Kreuzung aus Wolf und Hund. Vom Landesamt für Umwelt heißt es dazu nur, dass bei der genetischen Probe des Risses in Belzheim nur Hunde-DNA nachgewiesen wurde – jedoch kein Hinweis auf einen Wolf-Hund-Hybriden.
Schafhalter aus Belzheim könnte aufgeben
Und so gibt es zwar für Wölfe seit dem 1. Mai sogar eine neue Wolfsverordnung in Bayern, mit strengeren Regeln, wann die Tiere abgeschossen werden dürfen. Risse durch Hunde interessieren aber kaum jemanden. Schafhalter Jürgen Lukasch jedenfalls ist auf sich alleine gestellt. Sollte es einen erneuten Riss geben, werde er die Schafhaltung aufgeben. Der finanzielle Schaden sei dann zu groß.
Dieser Artikel ist erstmals am 31. Mai 2023 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel erneut publiziert.
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