Die Intensivstation des Schwabinger Krankenhauses behandelt derzeit nur Covid-Patienten. Keiner der Patienten, die dort wegen Atemnot und anderen schweren Problemen um ihr Leben kämpfen, hatte eine Corona-Impfung. Zwei davon wünschen sich, sie hätten eine bekommen.
Ehepaar gemeinsam auf Intensivstation
Ihr Mann sei seit Freitag auf der Schwabinger Intensivstation, erzählt Gertraut Maier. In eine Decke gehüllt, sitzt die Mitte 70-Jährige im Rollstuhl. Über die Nase bekommt sie Sauerstoff zugeführt. Ihr Mann Hubert liegt neben ihr - in einem Intensivbett. Er wird ebenfalls mit Sauerstoff versorgt.
Gertraut und Hubert Maier heißen in Wirklichkeit anders. Die beiden um die 70-Jährigen, die da auf der Intensivstation des Schwabinger Krankenhauses Händchen halten wie zwei frisch Verliebte, wollen ihren richtigen Namen nicht nennen. Aber sie wollen aufklären. Das Besondere: Beide waren Impfgegner.
Die Atemnot sei unvorstellbar
Obwohl er deutlich mit dem Sprechen zu kämpfen hat, fängt Hubert Maier gleich an zu erzählen. Die Atemnot sei unvorstellbar sagt er: "Ich habe mich gar nicht mehr verständigen können. Das habe ich in meinem ganzen Leben noch nicht gehabt. Also das waren Zustände, die wünsche ich keinem, wirklich nicht." Hubert Maier spricht ein warmes Münchner Bayerisch. Wobei, er keucht es eher.
Sprechen wird zum Leistungssport
Hinter Hubert Maier ist ein Bildschirm, auf dem man die "bpm" ablesen kann. Bpm steht für "beats per minute", zu deutsch "Schläge pro Minute". Für Hubert Maier ist das eine Kennzahl, an der er sein Leben zumindest für dieses Interview ausrichten muss. Denn während er spricht, fängt es im Raum immer wieder an zu bimmeln.
Das Bimmeln kommt vom EKG – es schlägt Alarm. Auf dem Monitor hinter Hubert Maier werden 150 bpm angezeigt. 150 Mal schlägt sein Herz in der Minute. Das ist so ziemlich die maximale Herzfrequenz, die ein Mann in seinem Alter beim Sport haben sollte. Für Hubert Maiers Herz ist Sprechen nun Leistungssport. Deswegen ist während des Interviews Oberarzt Niklas Schneider dabei. Er ermahnt seinen Patienten, wenn es zu viele beats per minutes werden.
Fünf der sechs Intensivbetten sind belegt
Für Intensivmediziner Schneider ist Maier einer von insgesamt fünf Corona-Intensivpatienten an diesem Tag. Ein Patient liegt im künstlichen Koma. Für einen weiteren wäre noch Platz, doch dann ist auf der Intensivstation der München Klinik Schwabing, dem Schwabinger Krankenhaus, wie man in der Stadt eigentlich sagt, erstmal Schicht im Schacht.
Zwar gibt es hier die Möglichkeit, weitere Intensivbetten aufzustellen, aber dafür fehlt es an Pflegepersonal. Um das zu bekommen, müssten nicht-lebensnotwendige Operationen abgesagt werden und Behandlungsbereiche geschlossen werden.
Während des Gesprächs mit den Maiers und Oberarzt Niklas Schneider wird in der Notaufnahme des Schwabinger Krankenhauses ein Patient intubiert. Eigentlich müsste er auf die Intensivstation. Da dort aber immer ein Bett für einen Covid-Patienten freigehalten werden muss, wird der Patient auf die Intensivstation eines anderen Münchner Krankenhauses verlegt. Die Notfallversorgung sei gesichert, heißt es von Seiten der Klinik.
Oberarzt: Worauf warten die Impf-Zögerer?
Dieser Aufwand könnte zum größten Teil vermieden werden, ist sich Schneider sicher. Seit 13 Jahren ist er Intensivmediziner. Schneider wirkt, als brächte ihn so schnell nichts aus der Fassung. Doch wenn er sich mit seinen Intensivpatienten oder den Angehörigen über deren fehlenden Impfschutz unterhält, ist er irritiert.
Derzeit gibt es keine wirksamen Medikamente, um SarsCov2 zu heilen. Das einzige, was helfe, sei die Impfung, so Schneider. "Es sind viele dabei, die gesagt haben, wir wollten noch abwarten mit der Impfung. Aber auf die Frage, auf was man noch warten will, kommt meist keine große Antwort. (...) Wenn man sich nicht für die Impfung entscheidet, entscheidet man sich ganz klar für die Infektion, die wird man dann bekommen, auf jeden Fall", sagt der Mediziner.
Betroffenes Ehepaar bereut es, nicht geimpft worden zu sein
In dieser Logik hat sich das Ehepaar Maier für die Infektion entschieden. Sie bereuen ihre Entscheidung. Sie bereuen sie so sehr, dass sie nun darüber sprechen wollen. Manche Menschen schrecken in dieser Lage davor zurück, ein Interview zu geben. Doch diese beiden kranken Menschen wollen reden.
Als Hubert Maier von seinem Arzt wegen der zu hohen Pulsfrequenz ermahnt wird und eine Pause einlegen muss, übernimmt ganz selbstverständlich seine Frau. Gertraut Maier geht es besser als ihrem Mann. Das erkennt man schon allein daran, dass sie nicht stark atmen muss, wenn sie spricht. Für dieses Interview wurde sie extra von der Isolier- auf die Intensivstation gebracht. Auf der Isolierstation liegen die Fälle, die nicht ganz zu schlimm sind.
Intensivpatientin: "Ich war Impfgegner"
Ohne Umschweife kommt Gertraut Maier zum Punkt, warum sie unbedingt reden möchte. "Ich war ein Impfgegner, weil man immer wieder verschiedene Sachen gehört hat. Aber ich hätte das nie tun sollen und deswegen habe ich gesagt: Ich erkläre mich heute bereit, an die Menschen zu appellieren, dass sie sich impfen lassen sollen."
Ein Bekannter hatte nach einer Impfung mit Nebenwirkungen zu kämpfen. Da sei für sie der Entschluss festgestanden, sich nicht impfen zu lassen. "Aber", sagt sie mit einer abwehrenden Handbewegung, "alles weg, die Impfung ist das Allerwichtigste".
Heilungsprozess: Ein Schritt vor und zwei zurück
Auf der Intensivstation liegt das Leben so nah neben dem Sterben, dass die Grenze verwischt, dass gilt besonders fürs SARS-Cov2. Das Schlimme an Covid sei, sagt Intensivmediziner Schneider, dass es keine schnelle Heilung gebe. "Wir sehen Verläufe über mehrere Monate und es gibt immer einen Schritt vor und zwei zurück und wenn man denkt, ein Patient hat es jetzt fast geschafft, kommt irgendeine Komplikation hinzu und der Patient wird wieder schlechter." Das sei für das ganze Team anstrengend, physisch und psychisch, so Schneider.
Rubinhochzeit auf der Intensivstation
Am vergangenen Samstag hatte das Ehepaar seinen 40. Hochzeitstag, "Rubinhochzeit wollten wir feiern, aber alles ist ins Wasser gefallen", keucht Hubert Maier mit einem kleinen Lachen hervor.
Als das Team auf der Intensivstation herausfand, dass Hubert und Gertraut Maier ihren 40. Hochzeitstag feiern, holten sie Gertraut von der Isolierstation.
Die Freude darüber steht Hubert immer noch ins Gesicht geschrieben. "Das ist so herrlich gewesen, dass kann man gar nicht beschreiben. Dass das gemacht worden ist vom Krankenhaus, bedanke mich auch recht herzlich. Das hat uns sehr viel gebracht und auch Kraft gegeben." Während er das erzählt, halten sie sich an der Hand, so als wären sie gerade neu verliebt.
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