"Kinderschutz kann nicht alleine passieren, Kinderschutz ist immer ein Zusammenwirken aller Professionen", sagte Birgit Heußinger-Berner. Sie ist Familienrichterin am Amtsgericht Nürnberg und eine der beiden neuen Kompetenzpartnerinnen Kinderschutz im Oberlandesgerichtsbezirk Nürnberg. Ob Jugendamt, Polizei, Kinderpsychiater oder Schulen – all diese Fachleute sind Experten in ihrem jeweiligen Bereich. Dieses Wissen wollen Birgit Heußinger-Berner und ihre Kollegin Birgit Pöschl vom Amtsgericht Regensburg zusammenführen. Familienrichter seien dafür sehr gut geeignet. "Wir können diese Vernetzung leisten", meint die Richterin.
Amtsgericht kooperiert mit Bezirksklinikum
In Regensburg etwa hat das Amtsgericht eine Kooperation mit der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie am Bezirksklinikum Regensburg, erklärt Barbara Pöschl. Dadurch sei es für die Richter möglich, schnell und kompetent zu entscheiden, ob zum Beispiel eine erkrankte Mutter in der Lage ist, ihr Kind nach einer gewissen Zeit wieder selbst zu betreuen und welche Unterstützung sie noch braucht. Oder ob ein auffälliger Vater eine psychiatrische Erkrankung hat. "Wenn wir das wissen, können wir abschätzen: Braucht er eine medikamentöse Unterstützung, ist das eine länger andauernde Krise oder eine kürzere?", so Pöschl. Denn das Ziel eines jeden Familienrichters sei es, ein Kind möglichst in seiner Familie zu lassen. "Die Herausnahme eines Kindes aus der Familie ist immer die allerletzte Maßnahme", ergänzt Birgit Heußinger-Berner.
Fälle von Kindeswohlgefährdung stark gestiegen
Wie dringlich eine Verbesserung des Kinderschutzes ist, zeigt ein Blick auf die Zahlen. Nach Angaben des bayerischen Justizministeriums haben Fälle von Kinderpornographie und Kindeswohlgefährdung im Jahr 2021 deutlich zugenommen. Laut Statistischem Bundesamt seien 60.600 Kinder betroffen gewesen, 5.000 mehr als im Vorjahr. Jedes dritte gefährdete Kind war dabei jünger als fünf Jahre alt. Auch im Bezirk des Oberlandesgerichts (OLG) Nürnberg, zu dem auch die Landgerichte Regensburg, Ansbach, Weiden und Amberg gehören, gibt es mehr Fälle als früher. Im ersten Jahr der Corona-Pandemie hatten die 89 Familienrichter über 8.040 Kindschaftssachen zu entscheiden. Im vergangenen Jahr waren es schon 8.823. "Das Internet ist ein großer Treiber der Kinderpornographie", sagt der Präsident des Amtsgerichts Nürnberg, Michael Hauck.
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Befragung von Kindern braucht viel Erfahrung
Die beiden Kooperationspartnerinnen Kinderschutz im OLG-Bezirk Nürnberg wollen aber auch die Fortbildungsmöglichkeiten für Familienrichter ausbauen. Denn die Befragung von Müttern, Vätern, Omas oder Nachbarn braucht viel Erfahrung und Wissen. Besonders die Befragung der am meisten Betroffenen selbst, der Kinder, ist nicht einfach. "Selten ist das, was das Kind sagt, das, was das Kind meint oder will“, so die Erfahrung von Birgit Heußinger-Berner. Als Richter sei es wichtig, dem Kind neutral gegenüberzustehen. "Ich bin nicht der Freund von dem Kind, sondern ich muss eine Entscheidung treffen, die in die Familie eingreift", erklärt Barbara Pöschl. Andererseits müsse das Kind so viel Vertrauen haben, dass es redet. Nur so könne der Richter erfahren, was wirklich passiert ist.
Familienrichter sollen sich austauschen
Für Familienrichter sind solche Entscheidungen oft nicht einfach. Was etwa sollen sie tun, wenn ein Kind den Vater wiedersehen will, der es missbraucht hat? Oder wenn sich ein selbstmordgefährdeter Jugendlicher mit Händen und Füßen wehrt, in eine Klinik zu gehen? Hier kann der professionelle Austausch zwischen Familienrichtern helfen. Auch den wollen die Kompetenzbeauftragten Kinderschutz fördern. Denn das Ziel ist klar, sagt Familienrichterin Barbara Pöschl: "Als Familienrichter ist man in erster Linie dem Wohl des Kindes verpflichtet."
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