Innenminister Joachim Herrmann (CSU)
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NSU und der Verfassungsschutz: Herrmann will Untersuchung

NSU und der Verfassungsschutz: Herrmann will Untersuchung

Innenminister Joachim Herrmann will der Rolle eines Verfassungsschutz-Mitarbeiters im NSU-Komplex nachgehen. Recherchen des BR und der Nürnberger Nachrichten haben gezeigt, dass ein VS-Mitarbeiter rechtsextreme Strukturen aufgebaut hat.

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

Kai Dalek gehörte in den 1990er-Jahren zu den wichtigsten und einflussreichsten Neonazis in der nordbayerischen Szene. Der heute 54-Jährige organisierte Aufmärsche zu Ehren des Hitler-Stellvertreters Rudolf Hess, vernetzte die bayerische und thüringische Szene und baute mit dem "Thule Netz" eine eigene Kommunikationsplattform der rechten Szene auf. Bislang war lediglich bekannt, dass Dalek als V-Mann für den bayerischen Verfassungsschutz tätig war. Recherchen von BR/NN ergaben, dass Daleks Tätigkeiten allen Vorgaben für V-Männer widerspreche.

Die dubiose Rolle des Kai Dalek

So spitzelte der gebürtige Berliner Ende der 80er-Jahre im Bereich "Linksextremismus" für den Berliner Geheimdienst und wurde nach seinem Umzug nach Bayern offiziell dem bayerischen Verfassungsschutz übergeben. Dieser platzierte ihn im rechtsextremen Bereich, obwohl Dalek laut eigenen Angaben kein Neonazi gewesen sei. Danach soll er im Bereich "Organisierte Kriminalität" eingesetzt worden sein.

Ungewöhnliches Vorgehen

Eine solche Vorgehensweise hält der für den Verfassungsschutz zuständige Innenminister Joachim Herrmann (CSU) nicht für normal. Dem BR-NN-Rechercheteam sagte er:

"Das ist sicherlich soweit ich das beurteilen kann äußerst ungewöhnlich. Gerade Informanten kommen ja in der Regel aus der jeweiligen Szene und verkaufen dann Informationen gegen Geld an Sicherheitsbehörden und wenn sie aus der Szene kommen, dann kommt jemand entweder aus der linksextremen Szene oder aus der rechtsextremen Szene oder islamistischen Szene. Aber das er sowohl in der einen wie in der anderen unterwegs sein kann, ist aus meiner Sicht, auch wenn ich kein absoluter Fachmann in diesem Bereich bin, schon sehr ungewöhnlich." Innenminister Joachim Herrmann (CSU)

Eine weitere, bislang ungeklärte Frage ist: Wie kam der Name des Verfassungsschutz-Mitarbeiters auf die Kontaktliste des NSU-Kerntrios? Auf der Liste, die kurz nach dem Untertauchen von Beate Zschäpe, Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos gefunden wurde, war der Name des Verfassungsschutz-Mitarbeiters Kai Dalek einer von knapp 40 aufgeführten Namen. Dalek bestreitet bis heute, das NSU-Kerntrio gekannt zu haben.

Anschlagsplänen nachgehen

Das Rechercheteam von Bayerischem Rundfunk und Nürnberger Nachrichten hatte zudem berichtet, dass fränkische Neonazis schon in den 90er-Jahren einen militanten Anschlag auf den Nürnberger Justizpalast geplant hatten. Das gab ein ehemals führender Rechtsextremist im Gespräch mit dem Rechercheteam preis. Für Herrmann nach eigenen Angaben eine neue Information, der der CSU-Politiker nachgehen will:

"Nicht nur ich habe gelesen was in den Nürnberger Nachrichten stand, was der Bayerische Rundfunk verbreitet hat, sondern das wird natürlich im Verfassungsschutz, im LKA zur Kenntnis genommen und es wird dem wird auf jeden Fall jetzt noch mal nachgegangen." Innenminister Joachim Herrmann (CSU)

Hermann will keinen Untersuchungsausschuss

Für Innenminister Joachim Herrmann stellt sich die Frage nach einem zweiten NSU-Untersuchungsausschuss jedoch nicht.

"Wir haben jetzt diesen jahrelangen NSU-Prozess am Oberlandesgericht in München erlebt. Da ist vieles zu Tage gefördert worden, manches bleibt auch unbeantwortet. Dort sind tagelang, wochenlang Zeugen vernommen worden. Ich kann persönlich ,jedenfalls im Moment, nicht ganz nachempfinden, wieso jetzt nach diesen jahrelangen gerichtlichen Ermittlungen ein neuer Untersuchungsausschuss des Landtages mehr zu Tage fördern könnte, als in diesem jahrelangen Gerichts Prozess eruiert wurde." Innenminister Joachim Herrmann (CSU)

Zweiter NSU-Untersuchungsausschuss gefordert

Sebastian Scharmer, Nebenklagevertreter im NSU-Prozess hat eine zweite parlamentarische Untersuchung gefordert. Der erste Untersuchungsausschuss habe von den Behörden "wesentliche Informationen nicht zur Verfügung" gestellt bekommen. Der Vorsitzende der Allianz gegen Rechtsextremismus in der Metropolregion Nürnberg, Stephan Doll, zeigte sich über die Rechercheergebnisse von BR und NN entsetzt und fordert nun ebenfalls einen zweiten NSU-Untersuchungsausschuss in Bayern:

"Das eine ist glaube ich, es muss jetzt politisch die Konsequenzen auch endlich ziehen, also wir brauchen einen zweiten NSU-Untersuchungsausschuss in Bayern. Und es muss endlich auch die Rolle des Verfassungsschutzes geklärt werden und die richtigen Lehren daraus gezogen werden. Es kann ja nicht sein, dass die V-Männer des Verfassungsschutzes dann auch noch maßgeblich die rechte Szene aufbauen." Der Vorsitzende der Allianz gegen Rechtsextremismus in der Metropolregion Nürnberg, Stephan Doll

Die Nürnberger Landtagsabgeordnete Verena Osgyan (Grüne) nahm die Recherchen laut eigenen Angaben mit einiger Bestürzung auf und will das Thema NSU auch weiterhin parlamentarisch aufgreifen.