Zwischen 2018 und 2022 waren fünf Fluchtversuche aus bayerischen Gerichten erfolgreich.
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Zwischen 2018 und 2022 waren fünf Fluchtversuche aus bayerischen Gerichten erfolgreich.

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Justiz: Pro Jahr gelingt eine Flucht aus bayerischen Gerichten

In Bayern gab es zwischen 2018 und 2022 insgesamt 15 Fluchtversuche aus Strafgerichten, fünf davon waren erfolgreich. Die Grünen fordern mehr Justizpersonal und weniger private Sicherheitsdienste.

Über dieses Thema berichtet: Regionalnachrichten aus der Oberpfalz am .

Das Jahr hatte kaum begonnen, da löste die Flucht eines Angeklagten aus dem Amtsgericht Regensburg einen internationalen Polizeieinsatz aus. Der bereits zuvor verurteilte Mörder war am 5. Januar während einer Verhandlungspause über ein nicht vergittertes Fenster aus dem Gerichtsgebäude geflohen. Fünf Tage später nahmen Spezialkräfte den Mann in Frankreich fest.

Nur einige Wochen später entwischte ein Angeklagter aus dem Landgericht Coburg ebenfalls über ein Fenster, er wurde einen Tag nach seiner Flucht festgesetzt. 2023 verzeichnet die Statistik damit bereits überdurchschnittlich viele solcher Fälle.

15 Fluchtversuche in vier Jahren

Zwischen 2018 und 2022 gab es insgesamt 15 Fluchtversuche aus bayerischen Strafgerichten, fünf dieser Versuche waren erfolgreich. Hinzu kommt eine weitere Flucht aus einem Familiengericht: Die betreffende Frau war zuvor wegen Betrugsverdachts festgenommen worden.

Im Durchschnitt gelingt also pro Jahr rund ein Fluchtversuch aus bayerischen Gerichtsgebäuden. So steht es in einer Antwort des bayerischen Justizministeriums auf Anfrage des Landtagsabgeordneten Toni Schuberl (Bündnis90/Die Grünen).

Das Ministerium schreibt außerdem, dass alle entwichenen Personen wieder gefasst werden konnten, teils noch am selben Tag. Am längsten flüchtig war die Frau aus dem Familiengericht – sie wurde nach 20 Tagen festgenommen. In einem anderen Fall wurde ein Mann nach zwölf Tagen Flucht gefasst. Insgesamt gibt es an bayerischen Gerichten jährlich ungefähr 23.000 sogenannte Vorführungen von Beschuldigten.

Grüne: "Vorführpraxis professionalisieren"

"Jeder Fluchtversuch ist einer zu viel", sagt Schuberl, rechtspolitischer Sprecher der Grünen, auf BR-Anfrage. Man müsse sich jeden Einzelfall anschauen, Konzepte überprüfen und Strukturen überdenken. Konkret fordert Schuberl, den Justizfachdienst zu stärken. Bisher werden die Vorführungen von Beschuldigten nur in München, Nürnberg und Augsburg von Justizpersonal übernommen. Andernorts sei diese Aufgabe aufgrund von Personalmangel auf die Polizei ausgelagert worden, so Schuberl.

In seinen Augen sollte es einen Vorführdienst der Justiz selbst auch in anderen Städten wie Würzburg und Regensburg geben. So könne man die Polizei entlasten und die Vorführpraxis professionalisieren. "Polizei hat bei uns genug anderes zu tun", sagt Schuberl. Man könne nicht verlangen, dass Polizeibeamte stundenlang Angeklagte bewachen: "Das muss die Justiz an den großen Standorten selbst stemmen können."

Außerdem sollten private Sicherheitsdienste während des Sitzungsbetriebs durch staatliche Beamte ersetzt werden, so Schuberl. Mit den Sicherheitskonzepten und Gebäuden vor Ort seien eigene Kräfte vertraut und würden mögliche Schwachstellen an den Gerichten im Vorhinein erkennen. Private Sicherheitsdienste sollen nach Vorstellung der Grünen nur noch zur Gebäudesicherheit abseits des Sitzungsbetriebs eingesetzt werden.

Justizministerium hält Forderungen für "nicht zielführend"

Das bayerische Justizministerium teilt auf BR-Anfrage mit, dass Justizminister Georg Eisenreich nach den Vorfällen zu Jahresbeginn einen "umfassenden Sicherheitscheck" für alle Gerichte angeordnet habe, der bis Ende März durchgeführt worden sei. Unter anderem sollen Vorführbeamte der Polizei im Vorfeld mit wichtigen Informationen über die Räumlichkeiten versorgt und für das Thema sensibilisiert werden.

Die Forderungen der Grünen hält das Ministerium laut Mitteilung "nicht für zielführend". Sicherheit bei den Vorführungen sei eine "Gemeinschaftsaufgabe von Justiz und Polizei". An der bisherigen Praxis soll aus organisatorischen Gründen und im Zuge eines "effektiven Personaleinsatzes" festgehalten werden. Teilweise seien die Gerichtsstandorte schlicht zu klein, um gesondert Personal für Vorführungen vorzuhalten.

Private Sicherheitsdienste übernehmen keine Vorführungen

Sollte die Polizei nur noch den Transport eines Gefangenen aus einer Justizvollzugsanstalt (JVA) übernehmen und Justizbedienstete die Überwachung im Gebäude selbst, müssten die Polizeibeamten bei Gericht trotzdem für den Rücktransport auf das Ende der Sitzung warten und könnten nicht anderweitig eingesetzt werden. Für den Fall, dass Justizbeamte Vorführung inklusive Transporte verantworten würden, fürchtet das Ministerium höhere Fahrtzeiten und regelmäßige Leerfahrten.

Private Sicherheitsdienste würden keine Aufgaben in direktem Zusammenhang mit Vorführungen übernehmen, betont das Ministerium. Stattdessen würden sie beispielsweise bei Zugangskontrollen unterstützen, welche grundsätzlich unter Aufsicht von Justizpersonal durchzuführen seien.

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