Der Münchner Kardinal Reinhard Marx will das Bundesverdienstkreuz nicht in Empfang nehmen. In einem Brief an Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier bat Marx, auf die für Freitag in Schloss Bellevue geplante Auszeichnung zu verzichten. Dies sei mit Rücksicht auf diejenigen, die daran Anstoß nähmen, der richtige Schritt.
Missbrauchsbetroffene aus Köln und aus Trier hatten die Ehrung mit Blick auf die nicht aufgearbeitete Rolle von Marx in mehreren Missbrauchsfällen kritisiert. "Die Kritik, die nun von Menschen geäußert wird, die von sexuellem Missbrauch im Raum der Kirche betroffen sind, nehme ich sehr ernst, unabhängig von der Richtigkeit der einzelnen Aussagen in Offenen Briefen und in der medialen Öffentlichkeit", schreibt Marx nach Angaben seiner Pressestelle. Er fühle sich persönlich und auch als Amtsträger der Kirche der Aufarbeitung verpflichtet.
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Vorwürfe gegen Marx in Köln und Trier
Der Betroffenenbeirat im Erzbistum Köln hatte am Montag an den Bundespräsidenten appelliert, die Auszeichnung vorerst nicht vorzunehmen. Der Vorwurf der Vertuschung sei bei Marx "noch längst nicht ausgeräumt", verschiedene Untersuchungen dazu seien noch nicht abgeschlossen, so der Beirat, der die Opfer sexuellen Missbrauchs durch katholische Priester vertritt. Für Betroffene wäre die Ehrung kaum zu ertragen.
Der Verein Missbit aus Trier hatte vor allem Marx' Verhalten im Umgang mit Missbrauchsbetroffenen und beschuldigten Priestern in seiner Zeit als Bischof von Trier (2002 - 2008) kritisiert. In dieser Zeit habe Marx dazu beigetragen, Täter zu schützen, Gespräche mit Betroffenen zu verweigern, Menschen einzuschüchtern und Missbrauch zu verharmlosen, hieß es es in einer am Montag veröffentlichen Erklärung. Nach Marx' Entscheidung, die Ehrung auszuschlagen, nannte der Verein "Missbit" den Verzicht auf die Ehrung die "einzig richtige Möglichkeit". Das zeige, dass Marx die Kritik sehr ernst nehme, sagte ein Sprecher. Matthias Katsch von der Opfervereinigung Eckiger Tisch würdigt die sensible und schnelle Reaktion von Kardinal Marx: Man dürfe und könne Kardinal Marx für das kritisieren, was er in seiner Rolle, in der Vergangenheit falsch gemacht hat, so Katsch: "Aber an dieser Stelle hat er meinen Respekt für die Schnelligkeit mit der er sich jetzt hier entschieden und positioniert hat und uns damit diese Hängepartie erspart hat, die wir an anderer Stelle über Wochen und Monate erlebt haben."
Respekt vom Bundespräsidenten
Auch der Bundespräsident respektiere die Entscheidung, auf die Auszeichnung mit dem Bundesverdienstkreuz zu verzichten, so eine Sprecherin des Bundespräsidialamtes. Frank Walter Steinmeier habe mit Marx telefoniert und dabei seien sich beide einige gewesen, dass die Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs in der katholischen Kirche "von überragend wichtiger Bedeutung" sei und fortgesetzt werden müsse. Marx hatte gestern den Bundespräsidenten gebeten, auf die Verleihung des Ordens zu verzichten, "mit Rücksicht auf diejenigen, die offensichtlich an der Auszeichnung Anstoß nehmen".
Der 67-jährige Marx war von 2014 bis 2020 Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz. In dieser Zeit brachte er weitere Aufarbeitungsschritte im Missbrauchsskandal der Kirche auf den Weg. Allerdings blieb auch unter Marx die Kritik von Missbrauchsopfern bestehen, dass der Aufklärungswille der katholischen Kirche unzureichend sei.
Steinmeier und Marx seien sich einig, "dass die Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs in der katholischen Kirche von überragend wichtiger Bedeutung ist und fortgesetzt werden muss", erklärte die Sprecherin weiter. Ihren Angaben zufolge sagte Steinmeier, es verdiene Anerkennung, Rücksicht auf Betroffene zu nehmen, die an der geplanten Ordensverleihung Anstoß genommen hatten.
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