Der Karlspreis 2022 geht an drei belarussische Bürgerrechtlerinnen: die Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja und ihre Mitstreiterinnen Maria Kolesnikowa und Veronika Zepkalo. Die Bürgerrechtlerinnen würden für ihren Mut und ihren ermutigenden Einsatz für Freiheit und Demokratie ausgezeichnet, teilte das Direktorium des Internationalen Karlspreises zu Aachen mit. Der Vorsitzende Jürgen Linden sagte, alle drei hätten den Preis "mit großer Freunde" angenommen.
Die Ehrung soll am 26. Mai 2022 im Krönungssaal des Aachener Rathauses übergeben werden. Der Karlspreis wird seit 1950 für besondere Verdienste um die europäische Einigung verliehen. Zuletzt war im Oktober der rumänische Präsident Klaus Iohannis für seine proeuropäische Haltung geehrt worden.
Gegen Lukaschenko kandidiert
Tichanowskaja ist das Gesicht der Opposition gegen den autoritären Machthaber Alexander Lukaschenko. Als ihr Ehemann bei der Präsidentschaftswahl in Belarus (Weißrussland) nicht antreten durfte, kandidierte sie im vergangenen Jahr selbst. Erneut zum Sieger ausrufen ließ sich damals der oft als "letzter Diktator Europas" kritisierte Lukaschenko, was der Westen nach Berichten über massive Fälschungen aber nicht anerkennt. Inzwischen lebt die 39-jährige Tichanowskaja im Exil. Ihr Mann sitzt in Belarus in Haft.
Tichanowskaja wird von Kolesnikowa, die Anfang September in einem international kritisierten Prozess zu elf Jahren Straflager verurteilt wurde, und Zepkalo unterstützt. Die beiden in Freiheit lebenden Frauen wollten den Preis selbst entgegennehmen. Für Kolesnikowa wolle ihre Schwester kommen, sagte Linden.
Anfang Dezember hatte Tichanowskaja bei ihrem Besuch in Bayern auf die prekäre Situation vieler Menschen in ihrem Heimatland aufmerksam gemacht. Seit dem 9. August 2020 seien 50.000 Leute festgenommen worden, sagte die 39-Jährige im bayerischen Landtag in München.
Sacharow-Preis des Europäischen Parlaments
Tichanowskaja hatte vergangenes Jahr gemeinsam mit anderen Oppositionellen mit dem Sacharow-Preis des Europäischen Parlaments ausgezeichnet. Erst kürzlich bat sie die EU eindringlich um Unterstützung der Opposition in ihrem Land gegen die politische Führung in Minsk gebeten. "Diktaturen breiten sich aus, wenn sie nicht gestoppt werden", sagte sie am Mittwoch in einer Rede vor dem Europaparlament in Straßburg.
Europa dürfe sich nicht der Illusionen hingeben, dass mit einem Ende des Missbrauchs von Migranten an der Grenze auch die Bedrohung durch das Regime ende. Tichanowskaja forderte eine harte Sanktionspolitik. Die Verantwortlichen für die Menschenrechtsverletzungen und den hybriden Angriff auf die EU-Grenze müssten vor internationale Gerichte.
Appell an die EU
Der EU warf sie vor, nach der umstrittenen Präsidentschaftswahl 2020 zu lange zögerlich agiert und weggeschaut zu haben. "Wir haben kein weiteres Jahr, weder Belarus noch Europa", sagte Tichanowskaja Ende November. Europäer seien gefordert, ihr Bekenntnis zu Werten der Demokratie und der Menschenwürde unter Beweis zu stellen. "Unser Kampf für Freiheit ist auch Ihr Kampf für Freiheit", sagte sie den Abgeordneten.
Mit Nachdruck kritisierte Tichanowskaja alle Versuche, sich mit Alexander Lukaschenko einzulassen. "Haben wir die tragischen Lehren unserer europäischen Vergangenheit vergessen? Tyrannen werden durch Appeasement gestärkt, nicht besänftigt", sagte sie. Belarussen und Migranten seien beide Geiseln des Regimes.
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