Das war ein ungewöhnlicher Buß- und Bettag: Im Talar und mit Tonscherben ausgerüstet standen fünf Pfarrerinnen und ein Pfarrer am Rathenau-Platz in Nürnberg. "Mit dem Talar in der Fußgängerzone, das ist schon ein anderes Gefühl als in der Kirche oder auf der Kanzel", gab Pfarrerin Andrea Metzl zu. Sie und ihre Kolleginnen sprachen Passanten an, ob sie Zeit haben, in sich zu gehen – und ob da jemand wäre, dem sie verzeihen möchten. Buße und Versöhnung sind die zentrale Botschaft des evangelischen Festtages. Als "Popup Church" wollten die Pfarrerinnen und der Pfarrer diese Botschaft zu den Menschen bringen.
Idee aus Hamburg kommt in Franken an
Die Idee hinter der "Popup Church": Raus aus den Gotteshäusern und sichtbar sein, erklärt Pfarrerin Tia Pelz von der Melanchthonkirche im Stadtteil Ziegelstein. Sie war zuvor in Hamburg und hat dieses Konzept von dort mitgebracht. Wenn man ins Gespräch komme, dann entstünden sehr schnell sehr tiefe Gespräche. "Wir wollen nahbar sein, vielleicht auch streitbar sein, man kann uns auch Fragen stellen, man kann auch theoretisch mal sauer sein auf uns hier, das ist alles erlaubt." Ihr Vorgesetzter, Dekan Jonas Schiller vom Dekanat Nürnberg-Nord, ist froh, dass sie in Nürnberg diese Aktion gewagt haben. "Wir müssen ganz bewusst raus, um unsere Angebote unters Volk zu bringen."
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Kein Ersatz für Gottesdienste in der Kirche
Kirche brauche beides – die Gottesdienste in den Kirchen und neue Formen christlicher Angebote, eben auch in der Fußgängerzone oder an der U-Bahn. "Wir müssen über den Bereich, in dem wir zuhause sind, ganz bewusst raus, um unsere Angebote unters Volk zu bringen", erklärt der Nürnberger Dekan. Er selbst beteiligte sich auch an der Aktion, kam mit jungen Studenten ins Gespräch, die sichtlich überrascht, auch ein wenig amüsiert waren, einem Pfarrer mit Talar und einem Schild mit der Aufschrift "Verzeih mir" auf dem Rücken gegenüber zu stehen.
Botschaft kommt an
Doch die Botschaft kommt auch an bei den jungen Menschen. "Ich finde das gut, wenn sie hierherkommen", meint etwa Marc Fuchs, der eigentlich auf dem Weg zur Uni ist. Auch er legt eine Scherbe mit einem Namen neben die Kerze – und hat so einen Impuls für sich mit auf den Weg genommen. Einige schreiben konkrete Namen, andere auch einfach Vater, Familie oder Schwiegereltern auf die Scherben. Die Botschaft, anderen zu verzeihen und sich zu versöhnen scheint anzukommen. Der Nebeneffekt: der evangelische Festtag wird auch wieder ins Gedächtnis gerufen. "Ach ja, heute ist ja Buß- und Bettag", sagte etwa ein Passant "Seit das kein Feiertag mehr ist, merke ich das kaum noch, hätte ich das jetzt glatt vergessen."
Kurze, spontane Gespräche – durchaus mit Tiefgang
Die Pfarrerinnen und der Pfarrer sind froh, dass sie trotz des nasskalten Wetters vor die Kirchentür gegangen sind. Das kurze, spontane Gesprächsangebot mache gerade den Charme dieser Aktion aus, stellt Pfarrerin Tia Pelz fest. Kurz vor dem Beginn habe sie noch "Panik gekriegt, ob solch ein Hamburger Projekt in Franken funktioniert." Aber die Furcht war unbegründet. Die Franken gingen ganz offen mit dem Gesprächsangebot um.
Nach dem ersten Erfolg am Buß- und Bettag wird dies wohl nicht die letzte Aktion der "Popup Church" in Nürnberg gewesen sein.
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