Am 1. Juni 2019 war endgültig Schluss: Nach 112 Jahren hat das Krankenhaus in Hersbruck im Landkreis Nürnberger Land für immer seine Türen geschlossen. Lange haben die Bürgerinnen und Bürger für ihre Klinik gekämpft – vergebens. Die Schließung des Krankenhauses war wie eine negative Initialzündung: In der Folge wanderten mehrere Fachärzte aus Hersbruck ab.
Fachärzte abgewandert: Versorgungslücke in Hersbruck
Fünf Internisten und eine Frauenärztin verlagerten ihre Praxis in die Nähe des nächsten Krankenhauses. Ein Orthopäde schloss seine Praxis. Das von der Politik angedachte Ärztehaus mit Betten, das die Krankenhausschließung auffangen sollte, wurde bisher nicht verwirklicht, die geplante Aufstockung der Klinikbetten in Lauf noch nicht begonnen.
Gerade für Ältere sei es schlimm, wenn sie fern von der Familie ins Krankenhaus müssten, schimpft eine Frau beim Einkauf auf dem Hersbrucker Wochenmarkt. "Es tut mir in der Seele weh", sagt eine andere, "wenn man vorbeifährt und sieht, dass das Haus leer ist, obwohl man es sinnvoll nutzen kann." Was mit dem Krankenhausgebäude passieren soll, steht bis heute nicht fest. Es würden nach wie vor verschiedene Möglichkeiten der Nachnutzung diskutiert, teilt der Träger, die Kliniken Nürnberger Land GmbH, mit.
Herzinfarkt-Patientin musste 30 Minuten auf Rettungsdienst warten
Was es bedeutet, wenn keine schnelle ärztliche Hilfe kommt, hat die Hersbruckerin Brita Göldner vor ein paar Monaten erfahren. Fast hätte sie nicht überlebt, fünf Mal musste sie nach einem Herzinfarkt wiederbelebt werden. Was die Übelkeit und die Schmerzen in der Brust bedeuteten, konnte die gelernte Krankenschwester schnell zuordnen. Ihr Mann Walter Hirschmann alarmierte daraufhin den Rettungsdienst. Doch der kam erst, als seine Frau schon fast bewusstlos war und er mit einer Anzeige drohte. Nach einer halben Stunde waren die Sanitäter da, die Notärztin, die aus Erlangen anfahren musste, noch ein bisschen später.
"Ich dachte wirklich, das wars jetzt", erzählt Brita Göldner im Rückblick. Ob das lange Warten vermeidbar gewesen wäre, wenn es das Krankenhaus in Hersbruck noch gegeben hätte? Das ist schwer zu beantworten. Doch Brita Göldner und ihr Mann würden sich sicherer fühlen.
Auch Dinkelsbühl bangt um sein Krankenhaus
In Dinkelsbühl, gut 100 Kilometer von Hersbruck entfernt, geht die Angst um, dass sich die medizinische Versorgung im Krankenhaus vor Ort verschlechtert. Die Geburtshilfe hat bereits geschlossen. 2022 will der Klinikträger ANregiomed die Bauchchirurgie und Teile der Unfallchirurgie ins Krankenhaus Rothenburg verlagern. Die Bürgerinnen und Bürger protestieren dagegen.
Die drei Krankenhäuser im Verbund sollen nicht alle eine Rundumversorgung anbieten, sondern sich spezialisieren und standortübergreifend zusammenarbeiten. Viele Klinikträger in ländlichen Regionen in ganz Deutschland machen es ähnlich, um weiter überleben zu können. Und wo eine Konzentration nicht möglich ist, werden Standorte geschlossen oder verlegt. 20 waren es im Jahr 2020.
Nicht mehr in jeder Klinik Vollversorgung rund um die Uhr
Für die Patienten vor Ort bedeutet das: Die Wege werden weiter. Notfalloperationen sind in Dinkelsbühl nicht mehr möglich, sollten die Bauchchirurgie und Teile der Unfallchirurgie verlagert werden – nur geplante Eingriffe. Es mache weder aus medizinischer noch aus wirtschaftlicher Sicht Sinn, in allen Häusern voll ausgebaute Hauptabteilungen vorzuhalten, die rund um die Uhr fachärztlich besetzt seien, schreibt ANregiomed-Klinikvorstand Gerhard Sontheimer dem Bayerischen Rundfunk – eine Haltung, die sein Kollege, der Ex-Klinikmanager Klaus Emmerich, nicht nachvollziehen kann.
"Wir können auf kein Klinikbett verzichten"
Bis zu seiner Pensionierung 2020 leitete Klaus Emmerich die beiden Krankenhäuser im Landkreis Sulzbach-Rosenberg. Im Ruhestand engagiert er sich auf Landes- und Bundesebene gegen das Sterben kleiner Kliniken auf dem Land und den Abbau von Klinikbetten. "Auch Pandemie-bedingt können wir auf kein Klinikbett verzichten", sagt der Sprecher des bundesweiten Bündnisses Klinikrettung. Es gehe ihm nicht darum, jedes einzelne Krankenhaus zu erhalten, sondern um eine gute medizinische Versorgung für alle, auch auf dem Land.
Bündnis Klinikrettung fordert: In 30 Fahrminuten ins Krankenhaus
Die Forderung des Bündnisses: Jeder Bürger, jede Bürgerin muss innerhalb von 30 Fahrminuten ein Krankenhaus der Grundversorgung erreichen können. Grundversorgung wiederum heißt: Solche Kliniken brauchen mindestens die Abteilungen Innere Medizin, Chirurgie, Gynäkologie, Geburtshilfe, Intensivmedizin und Notfallversorgung. Wenn sie das nicht haben, müsse nachgebessert werden, sagt das Bündnis.
Finanziert werden soll es dadurch, dass Überkapazitäten in Ballungsräumen abgebaut werden. Und Klaus Emmerichs größter Wunsch: Die Abschaffung der Fallpauschalen. Denn die haben seiner Meinung nach die kleinen Krankenhäuser erst in die jetzt so schwierige Lage gebracht. Doch im Sondierungspapier von SPD, Grünen und FDP steht davon nichts.
Notarzt: Kurze Wege sind das A und O
Sowohl in Hersbruck wie auch in Dinkelsbühl kämpfen die Menschen vor Ort in Bürgerinitiativen gegen die Schließung kleiner Kliniken. Auch auf dem Land müsse immer die Möglichkeit bestehen, rund um die Uhr chirurgische Notfälle zu behandeln, findet Notarzt Matthias Lammel. Eine akute Bilddarmentzündung oder ein stark blutender Milzriss würden sich nicht an Dienstzeiten halten. Lammel bringt es auf den Punkt: "Kurze Wege sind für die Notfallversorgung der Patienten das A und O."
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