Es gibt Momente, in denen sehr klar wird, wie groß die Kluft zwischen Marketing und Wirklichkeit ist. Ein solcher Moment war der Vormittag am Parteitagssamstag, als die CSU über die Einführung einer Frauenquote auf Kreisebene stritt. In dieser Debatte zerbröselte das von der Parteispitze formulierte Ziel, die Partei weiblicher und jünger zu machen.
Das Lieblingsprojekt von Parteichef Markus Söder und der Frauen Union fand keine Mehrheit und wurde nur "gerettet", weil man den Kreisvorständen zugesteht, freiwillig für mehr Frauen in ihren Vorständen zu sorgen, und weil die Delegierten ihrem Parteichef keine Niederlage auf offener Bühne beibringen wollten. Was für eine Offenbarung!
Es setzen sich die Männer durch, die keine Veränderung wollen
Der Kampf um die Quote war ein Kampf Männer gegen Frauen und verstörend war, dass auch junge Frauen, aber auffällig viele junge Männer sich gegen die Quote wehrten. Ihr Argument, die Quote sei ein undemokratisches Mittel und eine Bevormundung, überzeugt aber nicht. Es klang eher danach, dass die Männer bei ihrer Hinterzimmerpolitik nicht gestört werden wollen. Sie wollen weitermachen wie bisher oder, um es mit den Worten eines alten Kreisvorsitzenden zu sagen, die Männer wollen nicht mit dem Rechenschieber messen, ob die Quote erfüllt ist, sondern Politik machen. Der Mann bekam übrigens großen Applaus und anerkennendes Schulterklopfen.
Junge Frauen müssen sich weiter hinten anstellen
Bei der Gleichberechtigung ist die CSU noch weit von der Zukunft entfernt und viele Männer reden sich die Welt schön. Da gibt es vielleicht auch keinen Klimawandel und kein Artensterben und da braucht es auch keine weiblichere Politik.
Doch genau das ist ein Problem der CSU. Sie erreicht kaum mehr junge Frauen. Laut Parteichef Söder schneidet die CSU gerade bei den jungen Wählerinnen verheerend ab und der Parteitag hat das Bild einer überwiegend von Männern dominierten Partei noch einmal verstärkt. Da ist es nicht verwunderlich, wenn junge Frauen lieber zu den Grünen gehen.
Die Frauenquote als vertane Chance
Die Quote wäre eine Chance gewesen, die CSU gesellschaftlich breiter aufzustellen, weil die Quote ein klares Signal gewesen wäre. So aber müssen sich die Frauen, die tatsächlich Interesse hätten auf Kreisebene Politik zu machen, fragen, ob es sich wirklich lohnt. Es kommt jetzt auf Parteichef Söder an, mit seiner gewachsenen Autorität sanft darauf einzuwirken, dass bei der Kandidatensuche um Frauen geworben wird, dass Frauen sichere Listenplätze bekommen und aufsteigen können.
Das passende Narrativ hat Söder schon gefunden. Dann muss eben jetzt in Einzelschritten geschehen, was man an diesem Wochenende in zwei Schritten hätte schaffen wollen.
Ein Kommentar von Nikolaus Neumaier, Leiter Redaktion Landespolitik