Annabell Rahner legt die Ware aus einer Kiste auf den Packtisch im Lager des Irseer Kreis Versands in Kaufbeuren.
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Annabell Rahner legt die Ware aus einer Kiste auf den Packtisch im Lager des Irseer Kreis Versands in Kaufbeuren.

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Kompass: Jobvermittlung für junge Menschen mit Behinderung

Junge Menschen mit Beeinträchtigung haben es oft nicht leicht, einen Job auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu finden. Hier setzt das von den Sternstunden unterstützte Projekt "Kompass" im Ostallgäu an: Eine Vermittlungsstelle hilft bei der Jobsuche.

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Schwaben am .

Annabell Rahner schiebt ihr Wägelchen durch das Lager beim "Irseer Kreis Versand". Mit der linken Hand sammelt sie die Produkte aus den Regalen für eine Kundenbestellung ein und legt sie in eine graue Kiste. Ihren rechten Arm kann die 20-Jährige kaum einsetzen, trägt bei der Arbeit eine Schiene und muss die Hand schonen. Eine Ausbildung als Goldschmiedin musste Annabel vor geraumer Zeit wegen der Beeinträchtigung abbrechen.

"Hier nimmt man Rücksicht auf mich"

Mithilfe des Pilotprojekts "Kompass" der Lebenshilfe Ostallgäu-Kaufbeuren hat Annabell Rahner jetzt beim Irseer Kreis Versand einen Job auf dem ersten Arbeitsmarkt gefunden. Im Herbst wird sie bei dem Versand für Bastel- und Kreativmaterial eine Ausbildung anfangen. "Ich bin sehr glücklich, dass ich hier bin", sagt Annabell. "Hier nimmt man Rücksicht auf mich. Und ich muss auch nur die Sachen mit der Hand machen, die ich auch machen kann."

Hilfe bei der Bewerbung und Kontakt zu Firmen in der Region

Das Team der Vermittlungsstelle "Kompass" hat Annabell bei der Jobsuche beraten und beim Papierkram geholfen. Die beiden Mitarbeiter der Lebenshilfe unterstützen bei Bewerbungen, knüpfen Kontakte zu Unternehmen und vermitteln junge Menschen mit Beeinträchtigung in passende, reguläre Jobs – außerhalb von Werkstätten oder Behinderteneinrichtungen.

Kostenlose Hilfe für Menschen mit Behinderung

Der Vorteil dabei: Das Angebot der Lebenshilfe ist kostenlos und recht unbürokratisch. "Wir brauchen keine großen Anträge, wir brauchen keine Vorgespräche", sagt Projektleiter Kim Lukas. "Wir können direkt handeln und uns zu 100 Prozent auf den Menschen einlassen." Das Kompass-Team steht ständig in engem Kontakt mit möglichen Arbeitgebern, baut ein Netzwerk auf und berät Betriebe, die Menschen mit Behinderung einstellen wollen.

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Vermittlungsassistent Uwe Zimmermann führt ein Gespräch in der Kompass-Geschäftsstelle in Marktoberdorf

Geschäftsführer Sellner setzt auf Inklusion

Bertram Sellner, Geschäftsführer des Irseer Kreis Versands, hat seit über 30 Jahren Erfahrung mit Inklusion: 60 Prozent der Mitarbeiter in dem inklusiven Versand für Bastel- und Kreativmaterial haben eine Beeinträchtigung. In anderen Unternehmen sieht das ganz anders aus. "Inklusion wird leider noch nicht so richtig gelebt – das liegt an der Unsicherheit", sagt Sellner. Viele Verantwortliche hätten Bedenken, Menschen mit einem Handicap einzustellen. "Da ist so eine Vermittlungsstelle bestens geeignet, die Ängste zu nehmen."

Ziel: Job auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt

In den zwei Jahren seit Start des Pilotprojekts bei der Lebenshilfe Ostallgäu-Kaufbeuren haben Projektleiter Kim Lukas und Vermittlungsassistent Uwe Zimmermann bereits 30 jungen Menschen mit Behinderung zu einem Job auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt verholfen – und das, obwohl der Start mitten in die Corona-Pandemie fiel. Die Nachfrage steigt stetig: "Wir haben uns hier im Allgäu einen Namen gemacht. Und wir merken: Der Bedarf ist auf jeden Fall da", sagt Vermittlungsassistent Zimmermann. Mit 60.000 Euro hat die Benefizaktion Sternstunden das Projekt "Kompass" unterstützt.

"Kompass war eine große Hilfe"

Annabell Rahner wird voraussichtlich im Herbst beim Irseer Kreis Versand ihre Ausbildung als Kauffrau für Büromanagement beginnen. Auch wenn es nicht mehr ihr ursprünglicher Traumjob Goldschmiedin werden wird – sie freut sich auf die neue Lehre: "Es ist etwas ganz anderes, aber ich finde das trotzdem total interessant!" Ohne Kompass hätte sie wohl nur schwer einen neuen Job auf dem ersten Arbeitsmarkt gefunden, sagt die 20-Jährige. "Da war das schon eine sehr große Hilfe."

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