Ein Skifahrer mit Lawinenairbag.
Bildrechte: DAV/Daniel Hug
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Pulverschnee-Genuss am Hohen Ifen im Allgäu – mit Lawinenairbag.

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Lawinen-Airbags: Mehr Leichtsinn durch mehr Sicherheit?

Lawinen-Airbags: Mehr Leichtsinn durch mehr Sicherheit?

Lawinenverschütteten-Suchgerät, Schaufel und Sonde: Das ist die minimale Sicherheitsausrüstung beim Freeriden und auf Skitour. Viele tragen zusätzlich Lawinen-Airbags – doch die stehen im Verdacht, riskantes Verhalten am Berg zu fördern.

Über dieses Thema berichtet: Rucksackradio am .

Wer von einer Lawine erfasst wird, dem bleiben nur wenige Sekunden, um den Lawinen-Airbag auszulösen, sagt Christoph Mitterer vom Krisen- und Gefahrenmanagement des Landes Tirols. Er spricht aus Erfahrung: Auch er musste seinen Airbag schon einmal auf einer Skitour im Hochgebirge auslösen.

Deshalb empfiehlt er ihn prinzipiell allen, die sich abseits gesicherter Pisten in alpinem Gelände bewegen. Jedoch warnt er davor, wegen der eigenen Notfallausrüstung auf Tour leichtsinnig ein höheres Risiko einzugehen.

Airbags geben keine Überlebensgarantie

Viele Lawinenopfer sterben an Verletzungen, etwa weil sie durch die Wucht der Lawine gegen Felsen oder Bäume geschleudert werden. Davor schützt ein Airbag nicht. Das Luftkissen, das durch sein großes Volumen den Verschütteten an die Oberfläche spült, verhindert nur den Erstickungstod in der Lawine. Nach Untersuchungen wird die Wahrscheinlichkeit, in einer Lawine zu sterben, durch einen Airbag von 22 Prozent auf 14 Prozent verringert.

Erhöht der Airbag-Effekt die Risikobereitschaft?

Der sogenannte Airbag-Effekt kann laut Online-Umfragen in Kanada und der Schweiz dazu führen, dass Wintersportlerinnen und Wintersportler risikofreudiger werden – und deshalb tendenziell eher in steiles Gelände einfahren, obwohl es eigentlich zu gefährlich ist.

Auch der österreichische Bergführer und Lawinen-Experte Michael Larcher, der im Winter regelmäßig mit der Vortragsreihe "Lawinen-Update" durch Österreich und Deutschland tourt, berichtet, dass sein Publikum zum Teil bestätigt, mit Airbag risikofreudiger zu sein.

Der Deutsche Alpenverein (DAV) kommt nach einer Feldstudie im Gelände hingegen zu dem Schluss, dass es keinen Zusammenhang zwischen Risikobereitschaft und Airbagnutzung gibt. Der Airbag ist laut Lukas Fritz vom DAV nur ein Faktor von vielen, der bestimmt, wie sich Menschen am Berg verhalten. Auch Alter, Gruppenart, Gruppengröße und Erfahrung spielen eine Rolle.

Auch Skihelme und LVS-Geräte kontrovers diskutiert

Die Diskussion, ob man risikobereiter wird, wenn man sich sicherer fühlt, ist nicht neu und nicht nur auf den Bergsport beschränkt. Auch über den Effekt von Skihelmen wurde etwa ähnlich diskutiert. Und als vor etwa 50 Jahren die ersten Lawinenpiepser auf den Markt kamen, gab es ebenfalls kontroverse Debatten.

Ohne Notausrüstung keine Kameradenrettung möglich

Jährlich sterben in den Alpen rund 100 Menschen in einer Lawine [externer Link]. Wer von ihnen einen Airbag trug und wer nicht, ist nicht erhoben. Hinzu kommt, dass allein das Mitführen eines Airbags noch nichts darüber aussagt, ob das Luftkissen auch ausgelöst wurde. Laut DAV-Sicherheitsforschung wird jeder fünfte Airbag nicht richtig ausgelöst – und ist somit nutzlos. Anwendungsfehler passieren offenbar eher ungeübten Personen.

Eine andere Zahl hingegen ist noch alarmierender: Laut Österreichischem Kuratorium für Alpine Sicherheit sind rund ein Drittel der Wintersportler abseits der Piste gänzlich ohne Mindest-Notfallausrüstung unterwegs – also ohne Schaufel, Sonde und das wichtige Verschütteten-Suchgerät LVS. Ein unnötig großes Risiko. Wer nichts dabei hat, kann im Notfall nicht nur schlecht gerettet werden, sondern kann auch anderen keine Hilfe leisten.