Der Vorsitzende des Bayerischen Realschullehrerverbandes, Jürgen Böhm, warnt angesichts der vielen ukrainischen Geflüchteten vor einer Überforderung der Schulen. Allein in Bayern seien bis jetzt über 10.000 Kinder und Jugendliche im schulpflichtigen Alter angekommen, erklärte er am Mittwochabend in der BR24extra-Sendung "Ukraine-Flüchtlinge in Bayern - Was jetzt zu tun ist". Umgerechnet wären das seiner Meinung nach 500 Klassen oder 20 ganze Schulen.
Willkommensklassen als Übergangslösung
Der Bedarf sei "sehr hoch" und gehe langfristig gesehen über die sogenannten Willkommensklassen hinaus. Von diesem Erstangebot gibt es bereits fast 400 Klassen in ganz Bayern. Dies sei wichtig, aber weit entfernt vom Regelbetrieb, meinte Böhm. Es gehe dabei hauptsächlich um ein Zeichen von Solidarität und Willkommenskultur. "Das ist noch nicht geordnet, das ist noch nicht strukturiert", sagte er.
Es müsse sich in den nächsten Wochen und Monaten erst "einruckeln". In dieser Zeit hält er es für sinnvoll, die Kinder auch mit Unterrichtsmaterial aus der Ukraine zu beschulen. Die Ukraine habe alle Schulbücher digitalisiert. Diese könnten laut Böhm dafür genutzt werden, auch Abschlüsse nach ukrainischem System zu ermöglichen. Man dürfe die Kinder nicht zu sehr vom Bildungssystem ihres Heimatlandes entfremden, weil viele doch vorhätten, dorthin zurückzukehren.
Söder: ab September Einführung in Regelklassen
Ministerpräsident Markus Söder (CSU) lobte in der Sendung das System der Willkommensklassen. Das Engagement der Lehrerinnen und Lehrer sei groß, weil viele die ukrainischen Kinder noch "nebenbei" betreuten. Der Freistaat setze aber auch so viele ukrainische Lehrkräfte wie möglich, sowie Psychologen an den Schulen ein. Es gelte jetzt, vieles zu organisieren, "um dann ab September möglichst die Einführung in die Regelklassen zu haben".
Söder appellierte an die anderen Bundesländer, mehr Geflüchtete aufzunehmen. Derzeit liege die Hauptlast bei Berlin, Brandenburg und Bayern. Den Lehrermangel sprach er nicht explizit an. Doch der Vorsitzende des Bayerischen Realschullehrerverbandes, Jürgen Böhm, betonte: "Wir werden in den nächsten Wochen und Monaten an personelle Grenzen stoßen."
Schule auch ohne Sprachkenntnisse möglich
Ein Ziel der Willkommensklassen ist es auch, den ukrainischen Kindern Deutsch beizubringen. Für die Integration sei das aber bei den Jüngeren nicht unbedingt notwendig, meinte die Vorsitzende des Berufsverbands für Kinder- und Jugendpsychiatrie in Bayern, Dr. Gudrun Rogler-Franken. "Kinder brauchen nicht unbedingt Sprache, die kommunizieren anders." Mit Spielen, Musik oder Kunst könnten sie sich gut ausdrücken.
"Kinder lernen sehr schnell", sagte Rogler-Franken. Nach den Erlebnissen im Krieg und auf der Flucht sei es jetzt am Wichtigsten, zunächst eine geordnete Tagesstruktur aufzubauen. Den Kindern müsse ein Gefühl von Sicherheit und Normalität vermittelt werden und dabei sei Schule, egal in welcher Form, ein gutes Mittel.
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