Seit einem Jahr wird an dem neuen Apple-Entwicklungsstandort in der Münchner Innenstadt entwickelt und geforscht. Jetzt gewährt der Technologiekonzern Medienvertretern einen kleinen Blick hinter die Kulissen und zeigt damit, welche Bedeutung der Münchner Standort für die Produkte des Konzerns hat.
Sprichwörtlich Laptop und Lederhose
Es ist fast ein Statement: Der neueste Apple-Standort, der wegen der Lage an der Karlstraße auch "Karl" genannt wird, liegt nämlich genau eingefügt zwischen zwei Münchner Traditionsbrauereien und wirkt damit fast unweigerlich wie ein in Beton gegossenes "Laptop und Lederhose". Aber das ist nicht der Grund, warum sich Apple genau diesen Standort gesucht hat. Doch dazu später mehr.
Betritt man das von dem britischen Stararchitekten David Chipperfield geplante "Karl", dann fällt einem relativ schnell das gewohnte minimalistische Apple-Design ins Auge. Die Räume sind betont hell gehalten: Cremefarben, Silber und Holz sind die bestimmenden Farbelemente. Wahrscheinlich fühlt es sich deswegen während des Rundgangs so an, als bewege man sich selbst in einem riesigen Apple-Produkt.
Strikte Regeln während des Rundgangs durchs Gebäude
Sehr freundlich wird man an die Regeln während des Aufenthalts erinnert. Fast jede der Türen, durch die man die nächsten 120 Minuten gehen wird, ist verschlossen und lässt sich nur mit einer Key-Karte öffnen. Mehrere Mitarbeiter werden während des Besuchs darauf achten, dass die Gruppe genau den Weg durch das Gebäude geht, der für sie vorgesehen ist. Auch Aufnahmegeräte sind während des rund zweistündigen Ausflugs in die Apple Chip-Welt nicht erlaubt. Statements von Apple-Mitarbeitern dürfen nur anonymisiert wiedergegeben, Smartphones müssen in einem separaten Raum gelagert werden.
Apple-Standort München – nicht nur der größte in Deutschland
2.000 der insgesamt 4.500 Apple-Mitarbeitenden in Deutschland arbeiten in der bayerischen Landeshauptstadt. Das macht München nicht nur zum größten deutschen Ableger – die Stadt an der Isar ist vielmehr Apples Entwicklungszentrum in Europa. Das "Karl" ist deswegen nicht der einzige Münchner Standort. Derzeit hat das kalifornische Unternehmen seine Mitarbeiter in drei weiteren Gebäuden untergebracht, allesamt in der Münchner Innenstadt.
Schwerpunkt für die aus 40 Ländern stammenden Ingenieure hier ist die Chip-Entwicklung für Mobilfunktechnologien, Power Management Units oder Anwendungsprozessoren – und zwar von der Idee bis hin zum fertigen Produkt. Das heißt konkret: Hier werden Chips erdacht, mittels Laser auf Silicium gebrannt, getestet, dann in Apple-Endgeräte verbaut und wieder getestet. Sind die hier entwickelten Prototypen serienreif, werden sie in Apple-Geräten verbaut. Das geschieht aber dann außerhalb des "Karls".
Herausforderung: Viel Leistung bei geringer Wattzahl
Grundsätzlich besteht die Herausforderung hier darin, Lösungen zu entwickeln, die möglichst viel Leistung bei geringstmöglichem Energieverbrauch bieten, wie beim Rundgang erklärt wird. So hätten die Mitarbeiter im "Karl" einen großen Teil zu Apples neuem sogenannten "M3"-Prozessor beigetragen. Konkret handelt es sich dabei um die Verbindung zwischen Prozessor und Speicher. Allerdings: Wirklich sehen kann man davon mit bloßem Auge wenig. Die Münchner Apple-Entwicklungsbeiträge bemessen sich in Nanometern.
Dennoch: Was klein ist, hat laut dem Münchner Apple-Ableger eine große Wirkung. So werden die in München entwickelten Technologien in fast allen Produkten vom iPhone bis hin zum iMac zu finden sein. Diesen Umstand erwähnt auch der Münchner Wirtschaftsreferent Clemens Baumgärtner (CSU) nicht ohne ein kleines stolzes Lächeln. In jedem Apple-Gerät stecke eben ein Stück vom Münchner Kindl, so Münchens oberster Wirtschaftskümmerer.
Tech-Standort München oder "Isarvalley"
Neben Apple haben sich in München in den vergangenen Jahren viele Tech-Giganten niedergelassen. In Anlehnung an das Silicon-Valley in Kalifornien ist in Bezug auf München deswegen vom "Isarvalley" die Rede, was gern auch mit einem Schmunzeln garniert wird. Der Grund: Nur einen Steinwurf von Apple entfernt, direkt neben dem Circus Krone, baut Google ebenfalls ein Entwicklungszentrum. Microsoft hat seine Deutschlandzentrale im Stadtteil Schwabing. Der Process-Mining-Software-Anbieter Celonis hat hier ebenfalls seinen Hauptstandort, dazu viele weitere Start-ups.
Wirtschaftsreferent Baumgärtner kann dem Engagement der Tech-Branche nur Positives abgewinnen. Damit werde der Name der Stadt mit einer Zukunftsbranche in Verbindung gebracht, und das wiederum sichere die Jobs von vielen Münchnerinnen und Münchnern. Das Argument, dass die hochbezahlten Jobs, die die gesamte Tech-Branche in München ansiedelt, sozial schwächer Gestellte aus der Stadt drängen, sieht Baumgärtner nicht. Im Gegenteil: Die durch die Tech-Branche entstehenden Steuereinnahmen tragen laut Baumgärtner zu etwas bei, von dem die Gemeinschaft profitiere, wie zum Beispiel dem öffentlichen Nahverkehr, Schulen und Kindergärten.
Apple baut Standort weiter aus
Dass neben dem Münchner Wirtschaftsreferenten auch die Apple-Zentrale in Kalifornien mit den Entwicklungen aus München sehr zufrieden zu sein scheint, zeigt sich nicht zuletzt daran, dass Apple hier seinen Standort weiter ausbaut. Blickt man aus den großen Fenstern des "Karl" nach draußen, sieht man auf dem Nachbargrundstück an der Seidlstraße erste Bautätigkeiten. Auch dort will Apple in absehbarer Zeit ein weiteres neues Gebäude eröffnen. Das Grundstück hatte das Unternehmen vom Freistaat Bayern auf Erbpacht gekauft.
Standortvorteil TUM
Überhaupt will man bei Apple vom vermeintlichen Abgesang auf die deutsche Wirtschaft nichts wissen. Im Gegenteil: Deutschland habe eine sehr lange Ingenieurstradition, an der man teilhaben möchte, heißt es bei Apple. Die Lage sei gewählt worden, weil die Technische Universität München (TUM) quasi ums Eck ihren Stadtcampus habe. Die TUM zählt nach Ansicht von Apple zu den führenden Instituten für Forschung und Ingenieurwissenschaften in Europa.
Mit ihr habe man in den vergangenen Jahren auch bei zahlreichen Forschungsprojekten kooperiert. Beispielsweise um zu erforschen, wie mobile Verbindungen zuverlässiger und sicherer werden können. All das zeige, so ein Apple-Mitarbeiter, dass "Made in Germany" nach wie vor Bestand habe in der Welt – oder müsste man sagen "Made in Munich"?
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