Für die Artenvielfalt wäre es ein großer Fortschritt, würden mehr Gemeinden ihre Grünstreifen mähen und das Mähgut wegfahren, statt es liegenzulassen. Die gängige Alternative sieht jedoch so aus: Eine Gemeinde mulcht ihre Grünflächen. Dabei wird das Gras zusammen mit den darin lebenden Insekten und Spinnen geschreddert und einfach liegengelassen. Das geht sehr schnell und kostengünstig und ist deswegen immer noch sehr verbreitet. Nur: die Artenvielfalt ist dann dahin.
Goldstandard der Grünpflege: Mähen mit dem Messerbalken
Wenn der Blühstreifen mit dem Messerbalken gemäht wird, können die Insekten wegfliegen oder sich mit den Grashalmen fallen lassen, die Tiere im Gras kommen in der Regel unbeschadet davon. Wenn das Mähgut danach weggefahren wird, ist das noch besser für die Artenvielfalt. Weil der Fläche damit Nährstoffe entzogen werden und viele Wildblumenarten auf nährstoffarmen Standorten besser wachsen. Und gerade Wildblumenarten sind für die Passanten ein Blickfang, für Insekten liefern sie Pollen und Nektar und zum Teil auch Unterschlupf.
Mähgut vom Blühstreifen: Bioabfall
Die Gemeinden können das Mähgut von öffentlichen Flächen nicht einfach selbst kompostieren oder als Einstreu weitergeben. Denn es gilt in ganz Deutschland als Bioabfall, egal ob es vom Randstreifen der Autobahn stammt oder von der Ortsverbindungsstraße. Weil das Mähgut Müll und Schadstoffe wie Schwermetalle enthalten kann. Die Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau in Veitshöchheim hat Mähgut von unterschiedlichen Straßen untersucht und festgestellt: Sogar das Mähgut vom unmittelbaren Rand stark befahrener Straßen überschreitet nur in sehr seltenen Fällen selbst die Grenzwerte, die im Ökolandbau für Komposte gelten. Die Gemeinden müssen das Mähgut trotzdem in extra dafür zugelassenen Kompostier- und Biogasanlagen entsorgen lassen.
Wohin damit? Bürgermeister brauchen Lösungen
Die Entsorgung kostet die Gemeinden ungefähr zwischen acht und 25 Euro pro Kubikmeter Gras. "Also wir zahlen für jeden Kubikmeter richtig viel Geld", sagt Stefanie Lang, Bürgermeisterin von Taching am See im Landkreis Traunstein. "Und wenn wir es mulchen, fallen überhaupt keine Kosten an." Dazu kommt der Transportaufwand. Martin Schachner, der Bürgermeister von Röckingen, müsste das Mähgut 15 Kilometer weit, bis nach Bechhofen fahren. Er lagert es bis auf Weiteres in einem Fahrsilo am Ortsrand und will es später direkt im Ort verwerten. Kurze Wege, fast geschlossene Nährstoffkreisläufe, wenig Kosten. Was so vernünftig klingt, ist eigentlich unzulässig. Schachner fordert deswegen: "Da müssten sicherlich einige Änderungen gemacht werden, damit die Gemeinden einfach handlungsfähiger sind."
Ziel: Änderung der Bioabfallverordnung
Sein dringender Wunsch: Das Mähgut soll nicht mehr als Bioabfall gelten. Dafür kämpft auch der Deutsche Verband für Landschaftspflege, kurz DVL. Thomas Köhler vom DVL geht davon aus, dass diese Neuregelung auf breite Zustimmung stoßen würde. Nicht nur in den Gemeinden, sondern auch in einigen Behörden, die damit zu tun haben. Doch um die Bioabfallverordnung zu ändern, "müssen die ganzen Bundesländer mitspielen und dementsprechend dauert es halt seine Zeit". Er rechnet mindestens mit ein, zwei Jahren.
Straßengesetz: Seitenstreifen für die Artenvielfalt
Wenn das Mähgut dann nicht mehr als Bioabfall zählt, ist es für die Gemeinden günstiger, ihre Blühstreifen insektenschonend zu mähen und so dienen die Flächen wirklich der Artenvielfalt.
Immerhin steht im Bayerischen Straßen- und Wegegesetz: Die Grünflächen rund um die Staatsstraßen sind mit dem Ziel zu bewirtschaften, die Luftreinhaltung, die Artenvielfalt und den Biotopverbund zu fördern. Diesen Absatz gibt es seit fünf Jahren, er wurde im Rahmen des Bayerischen Artenschutzvolksbegehrens ergänzt. Und den Kommunen, die die den Löwenanteil an Straßen und Wegen im Freistaat betreuen, wird in dem Gesetz empfohlen, bei ihren Straßen genau so zu verfahren.
Im Video: Mulchen oder Mähen - welche Auswirkungen das hat
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