Anton Burnhauser hievt einen großen Haufen Gestrüpp in den schmalen Korb der Arbeitsbühne. Dann fährt ihn der Autokran mehr als 20 Meter hoch zu einem alten, ungenutzen Kamin des Klosters St. Ursula in der Donauwörther Altstadt. Höhenangst? "Nein! Ich habe schon so viel an Storchennestern gearbeitet", sagt Burnhauser.
Anderes Nest verursachte einen Wasserschaden
Das Gestrüpp ist die Start-Hilfe für die Störche. Vorher haben schon zwei Monteure ein Metallgestell auf den Kamin geschraubt. Anton Burnhauser nennt sich selbst Storchen-Kümmerer. Er hilft in Schwaben, wenn es Probleme mit Storchennestern gibt.
Der Bau des Nestes hier ist so etwas wie ein Umzug. Denn zwei Häuser weiter musste ein Nest weg. Es hatte einen Wasserschaden verursacht. Jetzt wurde auf dem Kamin eine Storchenabwehr angebracht. Laut Gesetz muss aber auch ein Ersatz-Nest geschaffen werden, erklärt der Storchen-Experte: "Es geht darum, dass wir ein Nest anbieten, dass in etwa gleichwertig zum vorherigen ist – das ist die Vorgabe des Artenschutzes."
Störche als neues Geschäftsfeld für Arbeitsbühnenbetreiber
Für den Chef der Firma mit den Arbeitsbühnen sind die Störche in Nordschwaben mittlerweile zu einem neuen Geschäftsfeld geworden. "Das ist interessant", sagt Jörg Wörle, denn jeder Einsatz sei anders. Nist-Hilfen für Störche gibt es nicht von der Stange. Andere Hausbesitzer beauftragen ihn, eine Storchen-Abwehr aus Metall zum Beispiel auf den Kamin zu bauen. Bei schon alten Nestern wird er zum Ausmisten gerufen, weil das Gewicht zu groß geworden ist. Einmal habe er 1,4 Tonnen Nistmaterial von einem einzigen Nest abgetragen.
LBV erwartet wieder Storchen-Rekord in Bayern
Die Zahl der Weißstörche steigt in Bayern jedes Jahr. Nach einem Tiefpunkt in den 80er-Jahren mit nur noch 58 Brutpaaren waren es letztes Jahr rund 1.200 Brutpaare. Oda Wieding, Storchen-Expertin beim Landesbund für Vogelschutz (LBV), rechnet damit, dass es heuer wieder mehr werden.
Der Grund dafür liege in Spanien: Dort fänden die Zugvögel im Winter zum Beispiel auf Müllkippen viel zu fressen und würden sich deshalb den gefährlichen Flug nach Afrika sparen. Denn dort würden die Störche teilweise von Geparden geschnappt oder sie verenden an ungesicherten Stromleitungen, die es dort noch vielfach gebe. Weniger Storchenverluste im Winter bedeutet: mehr Störche in Bayern im Sommer.
Abwehrmaßnahmen verhindern das Nisten
Die Zunahme an Störchen führe statistisch auch zu mehr Konflikten, sagt Oda Wieding vom LBV. Der Klassiker: Die Störche nisten auf einem noch genutzten Kamin, in dem sich dann die Abgase stauen. Dann muss das Nest weichen. Die Storchenexpertin empfiehlt, dann auch Abwehrmaßnahmen in Form von Blechpyramiden anzubringen, damit die Störche nicht mehr landen und erneut mit dem Nestbau beginnen können.
Storchennester dürfen nur mit Genehmigung entfernt werden
Wichtig: Nicht nur Störche sind streng geschützt, auch ihre Nester. Und das gilt auch im Winterhalbjahr, wie das Landesamt für Umwelt mitteilt. Das gilt übrigens auch für Schwalbennester, heißt es beim LBV. Wer ein Nest einfach entfernt, verstößt gegen das Naturschutzgesetz. Wenn es zu Problemen mit einem Nest kommt, muss die Obere Naturschutzbehörde, die bei den Regierungsbezirken angesiedelt ist, zuerst eine Genehmigung erteilen.
LBV: Storchen-Kot kein Problem für Dachziegel
Oda Wieding vom LBV empfiehlt, sich unter Umständen zunächst im Landratsamt zu melden. Außerdem gebe es in einigen Gebieten Storchenbetreuer des LBV. So könne eventuell nach einer Lösung vor Ort gesucht werden. Manche Gemeinden, in denen viele Störche nisteten, böten bereits Hausbesitzern mit Storchennest auf dem Dach im Herbst eine Dachrinnenreinigung an.
Wer sich nur an dem Kot der Vögel stört, den versucht Oda Wieding zu beruhigen: Der Kot greife die Dachziegel nicht an, er sei nicht so sauer wie der von Tauben. Die Erfahrung würde sogar zeigen: Dort, wo Kot auf dem Dach ist, wachsen keine Moose und Flechten mehr, die sonst Schäden am Dach verursachen können, sagt Wieding.
Storchen-Experte: "Wir müssen jetzt den Menschen schützen!"
In Donauwörth flicht der ehrenamtliche Storchen-Kümmerer Anton Burnhauser in mehr als 20 Meter Höhe das Geäst in das Metallgestell. Sein Eindruck: "Beim Storchen-Schutz hat sich der Wind völlig gedreht, wir müssen jetzt den Menschen schützen. Damit nicht die Sympathie für den Storch kippt, denn das ist eine große Gefahr." Seine Forderung: Hauptamtliche Mitarbeiter an den Behörden, die Einsätze wie diesen den wenigen Ehrenamtlichen abnehmen und sie damit entlasten.
Ordensschwester: "Wir geben den Störchen gerne Asyl"
Schließlich ist das Ersatz-Nest auf dem Klosterdach in Donauwörth fertig. Unten am Boden hat die Priorin und neue Hausherrin des Storchennests, Schwester Teresa Westermeier, nach wie vor Sympathie für die Zugvögel: "Wir geben den Störchen gerne Asyl. Die Reinigung ist eine andere Geschichte, aber vielleicht kriegen wir ja mindestens drei junge Mitschwestern auf dem Dach. Wir sehen die Störche gerne in der Stadt herumfliegen und ich denke, das ist eine gute Sache." In der Hoffnung, dass es hier in Donauwörth klappt: Storch und Mensch leben friedlich neben- beziehungsweise übereinander.
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