Eine Gruppe von acht Personen steht um eine große Vitrine, die hier im Museum zum Schaukasten wird. Darin alles, was der menschliche Körper zu bieten hat – von Kopf bis Fuß – perfekt präpariert. Bleich, ausgeleiert und deutlich größer als gewöhnlich: So sieht das Münchner Bierherz aus, das im Schauschrank steht. Eine Herzerkrankung, die vor allem Ende des 19. Jahrhunderts in München auftrat.
Im Fach darunter eine Covid-Lunge oder ganz oben ein Magengeschwür. Daneben jeweils die gesunden Organe zum Vergleich. Die Sonderausstellung im Deutschen Medizinhistorischen Museum will der Frage nachgehen, ob und wie Museen menschliche Präparate zeigen dürfen.
100 Präparate aus verschiedenen Sammlungen
Rund 100 Präparate zeigt die Sonderausstellung. Der Besucher soll nicht überfordert werden, meint Museumsleiterin Marion Ruisinger. "Wir zeigen am Anfang der Ausstellung nur ein einziges Präparat, um dem Besucher die Möglichkeit zu geben, wieder umzukehren." In der Ausstellung geht es dann auch darum, wie die Organe und Körperteile präpariert wurden, welche Krankheiten sich erkennen lassen und auch wer die Person ist, zu der das Präparat einmal gehört hat. Doch das lässt sich oft nur schwer nachvollziehen, meint Ruisinger. An einem Präparat ist das aber gelungen.
"Den Menschen nicht vergessen"
In der Ausstellung wird ein paraffiniertes Herz gezeigt, an dem sich noch ein kleines Schildchen mit Namen und Sterbedatum befunden hat. So kann die Geschichte des Mannes nacherzählt werden. "Wir konnten dem Herzen seine Biografie zurückgeben. Die nach Mannheim führt, zu einem 29-jährigen Elektromonteur, der 1923 verstorben ist", erzählt Ruisinger.
Ihr ist es wichtig, zu verdeutlichen, dass hinter den Präparaten Menschen stehen. Auf diesen Aspekt verweist auch Wiebke Ahrndt, Präsidentin des Deutschen Museumsbunds. Denn die Thematik "menschliche Präparate" beschäftigt Museen in ganz Deutschland. Der Museumsbund hat dazu einen Leitfaden erarbeitet. Die ethische Seite des Themas spiele eine immer größere Rolle. Im Leitfaden verweisen die Verfasser vor allem auf die Würde des Menschen. "Das heißt beispielsweise, die Kuratoren der jeweiligen Ausstellung müssen sich die ganze Zeit immer sehr gewahr sein, dass sie es nicht mit ganz normalen Ausstellungsgegenständen wie sonst im Museum zu tun haben", so Ahrndt.
Sensibler Umgang mit den Präparaten
Absolute Grenzen gibt es dabei aber nicht, bis auf: "Menschliche Überreste aus den kolonialen Kontexten, die beispielsweise im Zuge von kolonialen Strafexpeditionen in die Sammlung von Museen geraten sind. Ansonsten ist es kaum möglich, da strenge Regeln anzusetzen." Es gelte jedoch immer die Motivation zu hinterfragen, warum man das Präparat zeigt und ob es auch ohne ginge.
In Ingolstadt werden auch digitale Animationen und Modelle gezeigt. Auch, um festzustellen, was Besucher sich eher wünschen. In der kurzen Zeit, in der die Ausstellung läuft, hat Marion Ruisinger festgestellt: "Die digitalen Varianten faszinieren die Besucher. Aber die emotionale Wirkung, das Berührtsein vor dem Originalpräparat ist sehr viel stärker." Beides würde sich gut ergänzen, das haben einige Besucher berichtet.
"Menschlicher Körper darf nicht Dekorationsobjekt werden"
Die Ausstellung kommt gut an: "Faszinierend" und "Unglaublich spannend" heißt es. Was auch an der Art der Präsentation liegt: Schlicht und unaufgeregt werden die Präparate gezeigt. Nichts ist reißerisch, nichts provozierend. Die Besucher in Ingolstadt finden es gut, denn sie lernen aus den Präparaten: "Da war viel dabei, was ich nicht wusste. Wichtig ist, dass man weiß, was kommt. Dann kann man selbst entscheiden", meint ein Besucher. Für Wiebke Ahrndt ein wichtiger Aspekt, denn: "Es muss ein erzieherischer, ein Bildungsauftrag dahinter stehen. Wenn es darum geht, Szenerien nachzustellen, wo der menschliche Körper zum Dekorationsobjekt wird. Das ist nicht in Ordnung."
Ausstellung wird wissenschaftlich begleitet
Am Ende der Führung in Ingolstadt sind die Besucher aufgefordert, einen Fragebogen auszufüllen. Dieser wird wissenschaftlich ausgewertet. Die Ergebnisse sollen bei weiteren Ausstellungen berücksichtigt werden. Die Sonderausstellung ist noch bis Januar im Deutschen Medizinhistorischen Museum (externer Link) in Ingolstadt zu sehen.
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