Die Farbe Lila als Zeichen für Krebsaufklärung. In Bayern erkranken jährlich rund 68.000 Menschen an Krebs. Auch Angehörige leiden darunter.
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Die Farbe Lila ist ein Zeichen für Krebsaufklärung. In Bayern erkranken jährlich rund 68.000 Menschen an Krebs. Auch Angehörige leiden darunter.

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Diagnose Krebs: Auch Angehörige brauchen Hilfe

Eine Krebsdiagnose ist für jeden ein Schicksalsschlag. In Bayern erkranken laut Krebsregister jährlich rund 68.000 Menschen an Krebs. Tendenz steigend. Angehörige sind oft hilflos. Dabei haben auch sie Anspruch auf Hilfe bei Krebsberatungsstellen.

Über dieses Thema berichtet: BR24 Infoblock am .

"Sie haben Krebs." Diese Worte eines Arztes sind wohl für jeden Betroffenen ein Schock. Das Leben verändert sich schlagartig. Gedanken gehen einem durch den Kopf, die man vorher nie hatte: "Werde ich das überstehen?" oder "Wie lange lebe ich noch?" Die Erkrankten sind in einem Ausnahmezustand. Aber auch Angehörige und Freunde sind betroffen. Sie fühlen sich oft hilflos und sind unsicher, wie sie sich verhalten sollen, wie sie unterstützen können.

Kostenlose Beratung für Angehörige von Krebskranken

Hilfestellung geben in einer solchen Krisensituation die Expertinnen in Krebsberatungsstellen. Sie beraten und begleiten auch die Angehörigen. Dabei bieten sie eine psychische Betreuung, helfen aber auch bei ganz praktischen Dingen wie dem Ausfüllen von Anträgen. Sie entlasten also. Knapp 40 Anlaufstellen bietet allein die Bayerische Krebsgesellschaft [externer Link]. Dazu kommen die Angebote von Hilfsorganisationen wie BRK, Diakonie und Vereinen wie Lebensmut [externer Link] am LMU-Klinikum Großhadern. Die Beratung für Angehörige von Krebskranken ist kostenlos.

Die Krebsdiagnose der Familie Härle

Seine Frau habe einen hartnäckigen Husten gehabt, erzählt Christoph Härle. Deshalb sei sie zum Arzt gegangen. Dann kam völlig unerwartet die erste Schockdiagnose: Lungenkrebs. Dabei war sie Nichtraucherin. Wenige Tage später folgte die zweite Untersuchung und eine weitere Diagnose: Hirnmetastasen. Die Ärzte gaben der 48-Jährigen nur noch wenige Monate zum Leben. Für das Ehepaar brach eine Welt zusammen. "Warum wir? Warum ausgerechnet meine Frau?", hat sich Christoph Härle gefragt. Und: "Wie sagen wir es unserer Tochter?" Die war zum Zeitpunkt der Diagnose acht Jahre alt.

Christoph Härle war verzweifelt und wollte gleichzeitig stark sein. Für seine Frau war klar: Ihre Zeit ist nun endlich. Sie habe sich vor allem Sorgen um ihren Mann und ihre Tochter gemacht, berichtet der heute 57-Jährige.

Hilfe von der Krebsberatungsstelle Lebensmut e.V.

Über die behandelnde Ärztin ist das Ehepaar zur Krebsberatungsstelle Lebensmut am LMU-Klinikum in München-Großhadern gekommen. Hier haben sie Tipps und psychologische Unterstützung erhalten. Ein wertvoller Rat sei gewesen, so Christoph Härle: ehrlich sein zum Kind. Es früh einbinden und aufklären. Das haben die Eltern intuitiv auch gemacht. Ihre Tochter hat über die "Bergfüchse" Hilfe bekommen, eine Gruppe für Kinder krebskranker Eltern bei Lebensmut. Hier hat sie Halt und Verständnis gefunden. Die Kinder haben sich regelmäßig zum Wandern, Plätzchen backen und Yoga im Park getroffen.

Christoph Härle: "Ohne Lebensmut hätten wir es nicht so gut gehabt."

Die Familie Härle hat sich bei Lebensmut gut aufgehoben gefühlt. Die Gespräche in der Familiensprechstunde und die psychologische Begleitung haben ihr in der schweren Zeit Sicherheit gegeben. "Ohne das hätten wir es, glaube ich, nicht so gut gehabt", sagt der Familienvater. "Meine Frau hat immer wieder gesagt: Es ist toll, dass wir Lebensmut haben."

Krebserkrankung in der Familie: Auch Angehörige leiden

Wenn die Diagnose Krebs in die Familie kommt, leiden Angehörige genauso, stellt Psycho-Onkologin Claudia Mück immer wieder fest. Sie hat die Familie Härle begleitet. Die Angehörigen müssten sehr viel mehr leisten. Sie übernehmen Aufgaben des Patienten und müssen sich zum Beispiel mehr um die Kinder kümmern. Deswegen sei es wichtig, so Expertin Claudia Mück, frühzeitig den Fokus auf die Angehörigen zu lenken. "Es sei fatal zu denken, dass man als Angehöriger keine Hilfe bräuchte." Auch sie brauchen Unterstützung. Holen sie sich keine Hilfe, besteht die Gefahr, dass sie sich übernehmen und gesundheitliche Schäden davontragen.

Familie Härle sei gut mit der Situation umgegangen, erzählt die Psycho-Onkologin. Sie habe einen gefestigten und unaufgeregten Eindruck gemacht. Sie seien viel miteinander im Gespräch gewesen. Das habe vor allem der Tochter gutgetan.

Hilfe für Angehörige: Die Nachfrage ist groß

Der Verein Lebensmut hilft Krebserkrankten und ihren Angehörigen seit 25 Jahren, finanziert durch Spenden. Die Nachfrage sei groß, sagt Psycho-Onkologin Claudia Mück. Auch wenn es bereits viele Krebsberatungsstellen in Bayern gebe, könnte es gut noch mehr geben. "Es muss genügend Anlaufstellen geben, um sich Hilfe zu holen, egal für welche Belange, ob das jetzt praktische oder psychologische sind."

In den Ballungsräumen sei Bayern sehr gut aufgestellt mit Anlaufstellen, so die Leiterin der Krebsberatungsstelle Lebensmut. Auf dem Land sehe es dagegen etwas schlechter aus. Aber seit Corona habe sich die Videosprechstunde bei vielen Einrichtungen etabliert. Das sei ein Vorteil für die ländlichen Regionen.

Christoph Härles Frau stirbt nach "noch drei schönen gemeinsamen Jahren."

Aus wenigen Monaten – so die Prognose der Ärzte – sind drei Jahre geworden. Dann ist Christoph Härles Frau gestorben. 52 Jahre alt ist sie geworden. Es seien noch schöne Jahre gewesen, erzählt der Münchner und lächelt. Das habe seine Familie auch Lebensmut zu verdanken. Er habe viel gelernt in der Zeit, zum Beispiel: Für den Moment leben, nicht so viel planen.

Auch wenn der Verlust und der Schmerz bleiben: Heute geht es dem Hotelberater und seiner 15-jährigen Tochter weitestgehend gut. Sie seien ein gutes Team. "Am Ende des Tages geht es darum: Es ist weder ihr noch uns geholfen, wenn wir nicht versuchen, uns darauf einzustellen und damit umzugehen, in die Zukunft zu schauen", sagt der 57-Jährige. Er will etwas zurückgeben und engagiert sich mittlerweile ehrenamtlich beim Verein Lebensmut. Das sei ganz im Sinne seiner verstorbenen Frau.

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