Körperliche Gewalt und sexueller Missbrauch: Spätestens, seit der Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche 2010 in Deutschland publik wurde, ist klar, dass es sich dabei nicht nur um Einzelfälle handelte. Auch in der evangelischen Kirche werden immer mehr Fälle bekannt.
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Betroffener berichtet: An katholischer Schule blutig geschlagen
Einer der vielen Betroffenen ist Hans Dull. Als Schüler erlebte er körperliche Gewalt an drei katholischen Schulen. Er wurde geschlagen, bis er blutig war. Die Erinnerungen seien noch sehr präsent, erzählt er: "Ich musste meine Lederhose ausziehen, weil er gesagt hat, sonst spürst du ja den Stock gar nicht. Und dann bin ich mit der geplatzten Haut tagelang umher gelaufen."
Betroffene von Missbrauch wie Hans Dull können Anerkennungsleistungen für das erlittene Leid von der evangelischen und katholischen Kirche bekommen. Maximal 50.000 Euro zahlen die katholische und die evangelische Kirche im Regelfall an Missbrauchsopfer. Der Mindestbetrag liegt bei 5.000 in der evangelischen und bei 1.000 Euro in der katholischen Kirche.
So viel haben bayerische Bistümer an Missbrauchsopfer gezahlt
Die katholischen Bistümer in Bayern haben seit 2010 knapp 16 Millionen Euro an Opfer von körperlichem und sexuellen Missbrauch gezahlt. Die evangelische Landeskirche hat seit 2015 fast 1,3 Millionen Euro überwiesen.
Besonders hoch ist die Summe im Bistum Regensburg, wie nachfolgende Aufzählung zeigt. Mehr als die Hälfte der dort Betroffenen sind ehemalige Domspatzen. Auf sie entfielen Anerkennungszahlungen in einer Gesamthöhe von etwas mehr als 7,2 Millionen Euro. Von den insgesamt rund 10,7 Millionen Euro im Bistum Regensburg, wurden 2,7 Millionen wegen sexuellen Missbrauchs, sexueller Übergriffe und anderer Delikte gezahlt.
Gesamtsumme der "Anerkennungsleistungen" an Betroffene seit 2010:
- Bistum Augsburg: 2.196.538 Euro
- Erzbistum Bamberg: 509.000 Euro
- Bistum Eichstädt: 170.000 Euro
- Erzbistum München und Freising: 450.000 Euro
- Bistum Passau: 159.000 Euro
- Bistum Regensburg: 10.736.350 Euro
- Bistum Würzburg: 375.000 Euro
- Evangelische Landeskirche Bayern: 1.276.000 Euro
Zahlungen der Kirche an Betroffene "natürlich zu niedrig"
Hans Dull sieht das kritisch. Der Betrag von durchschnittlich 5.008,80 Euro an jeden Betroffenen sei "natürlich zu niedrig". Egal ob es dabei um Gewalt oder sexuelle Gewalt gehe. "Beides führt in Abgründe. Viele haben Suizid begangen, viele sind in Drogen und Alkohol abgerutscht." Viele Menschen konnten wegen ihrer Missbrauchserfahrung nicht mehr arbeiten, sind psychisch und körperlich krank geworden.
Der Münchner Sozialpsychologe Heiner Keupp versteht die Kritik. Er ist Mitglied der Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs, die beim Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend angesiedelt ist. Sie soll sexuellen Missbrauch an Kindern in unterschiedlichen Institutionen aufarbeiten.
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Experte fordert Transparenz
"Wir wissen überhaupt nicht, nach welchen Kriterien jemand diese oder jene Summe bekommt", kritisiert Keupp. Transparenz zu schaffen und klare Standards zu definieren, würde Betroffenen helfen. "Das ist ein Prinzip der Gerechtigkeit, dass sie wissen: Was habe ich hier für ein Anrecht? In welcher Höhe wird eine Anerkennung ausgezahlt?"
Dazu brauche es ein Gesetz auf Bundesebene, das nicht nur für die Opfer der Kirche, sondern für alle Opfer von sexuellem Missbrauch einheitliche Standards festlegt, nach denen Geld vergeben wird, fordert Keupp.
Opfer von Missbrauch fordern mehr als nur Geld
Die Katholische Kirche sei kein "Mildtätigkeits-Verein", so Keupp. "Das ist eine Täter-Organisation." Das Gleiche gelte für die evangelische Kirche. "Beiden muss klar aufgezeigt werden, an welcher Stelle sie welche Verantwortung haben."
Der Betroffene Hans Dull fordert neben höheren Anerkennungsleistungen aber noch etwas anderes - ein öffentliches Zeichen. Seine Idee: "Dann sollen sie uns vielleicht die Füße waschen als Geste der Anerkennung und an jeden ein Kuvert überreichen mit dem Scheck drin." Die bisherigen Entschuldigungen und auch Geld allein reichen Betroffenen wie Dull nicht.
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