Bereits um kurz nach acht Uhr drängen sich die Kamerateams vor dem Strafjustizzentrum in der Fürther Straße 114 in Nürnberg. Um neun Uhr soll der wohl spektakulärste Prozess des Jahres der Region hier starten. Der Saal E.006 ist fast bis auf den letzten Platz besetzt.
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Mordanklage gegen Ex-Lebensgefährten und Geschäftspartner
Vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth müssen sich zwei Männer im Alter von 50 und 48 Jahren verantworten. Es handelt sich um den ehemaligen Lebensgefährten der im Dezember 2022 verschwundenen Alexandra R., Dejan B., und seinen einstigen Geschäftspartner Ugur T.
Die beiden Männer sollen laut Staatsanwaltschaft die zum damaligen Zeitpunkt hochschwangere Frau entführt und anschließend getötet haben. Der Vorwurf: Geiselnahme und Mord in Tateinheit mit gemeinschaftlichem Schwangerschaftsabbruch in einem besonders schweren Fall.
Angeklagte seit September in Untersuchungshaft
Der Prozess beginnt mit einer halben Stunde Verspätung. Die Angeklagten werden in den Sitzungssaal geführt, beide in Fußfesseln. Der ehemalige Partner von Alexandra R., Dejan B., trägt einen dunklen Anzug, darunter ein weißes Hemd und eine hellblaue Krawatte. Die schwarzen Haare sind ordentlich zurückgekämmt. Der 50-Jährige trägt einen schwarzen Mundnasenschutz und hält sich einen Ordner vor das Gesicht, als Schutz vor den Kameras der Pressevertreter.
Der zweite Angeklagte, Ugur T., ist ein Mann kräftiger Statur. Er trägt ebenfalls ein weißes Hemd, Brille, Dreitagebart. Er soll Dejan B. dabei geholfen haben, Alexandra R. verschwinden zu lassen.
Zu Beginn der Verhandlung werden die Personalien der Angeklagten festgestellt. Dabei legt Dejan B. immer wieder den Kopf nach links und rechts, wie ein Boxer, der sich für einen Kampf aufwärmt, vielleicht aber auch nur Anzeichen für einen steifen Nacken. Bereits seit September 2023 sitzt B. in Bamberg in Untersuchungshaft. Ugur T. ist in der JVA Nürnberg untergebracht.
Staatsanwaltschaft: Habgier als Mordmotiv
Nun verliest die Staatsanwaltschaft die Anklage. Deren Inhalt erschüttert. Vor der Tat soll es unter anderem zu rechtlichen Streitigkeiten zwischen Alexandra R. und ihrem ehemaligen Lebensgefährten Dejan B. gekommen sein. Es sei um Geld gegangen, viel Geld – einen Betrag im sechsstelligen Bereich. Daraufhin habe der Angeklagte gemeinsam mit seinem Geschäftspartner den Plan gefasst, Alexandra R. am 9. Dezember 2022 aufzulauern, sie zu entführen und anschließend zu töten. Alles sollte so aussehen, als hätte sich die Hochschwangere freiwillig aus Deutschland abgesetzt.
Dejan B. senkt während der Anklageverlesung den Blick, seufzt ab und zu und wirft einen Blick in seine Unterlagen. Dabei bleibt der 50-Jährige ruhig, fast stoisch. Sein mutmaßlicher Komplize wirft ganz selten einen unsicheren Blick hinüber zu Dejan B. und dessen Anwalt. Ansonsten hört der 48-Jährige den Worten der Staatsanwältin konzentriert zu.
Diese schildert, die beiden Angeklagten hätten die Absicht gehabt, die Leiche von Alexandra R. in Südbayern zu entsorgen. Noch immer fehlt von ihr jede Spur. Dass Alexandra R. tot ist, daran haben die Ermittler der Staatsanwaltschaft aber keinen Zweifel. Sie gehen davon aus, dass die damals 39-Jährige entweder in einer Lagerhalle im Landkreis Roth oder in einem Waldstück in der Nähe von Irschenberg im oberbayerischen Landkreis Miesbach auf bislang unbekannte Art von den beiden Angeklagten ermordet wurde. Unter anderem aus Habgier, so der Vorwurf.
Keine Aussagen zum Prozessauftakt - Familie der Vermissten leidet
Bislang hatten die beiden Angeklagten zu den Vorwürfen geschwiegen. Und daran soll sich auch am ersten Prozesstag nichts ändern. Der Verteidiger von Dejan B. erklärt auf Nachfrage des Vorsitzenden Richters, dass sein Mandant von seinem Schweigerecht Gebrauch macht. Auch Ugur T. wird an diesem Tag keine Aussage machen.
"Wenig verwunderlich" findet das der Rechtsanwalt Harald Straßner, der die Eltern und den Bruder von Alexandra R. als Nebenkläger vertritt. Letzterer habe ursprünglich zum ersten Verhandlungstag kommen wollen, sei aber psychisch nicht dazu in der Lage gewesen. Die Familie von Alexandra R. leidet laut Straßner enorm unter den Umständen. Weder gebe es Informationen, was wirklich genau mit ihrer Tochter, beziehungsweise Schwester passiert ist, noch sei ein möglicher Platz zum Trauern vorhanden.
Anwalt der Nebenklage: Kindsvater besonders betroffen
Unter einer starken Belastung leidet laut Straßner aber vor allem der damalige Lebensgefährte von Alexandra R., der sich bereits auf das gemeinsame Kind gefreut habe und seine Partnerin heiraten wollte. Ihn treffe es auch, dass er nicht als Nebenkläger zugelassen wurde, weil er rechtlich nicht mit Alexandra R. verwandt ist, beziehungsweise war.
Ein Umstand, den Anwalt Straßner als eine "rechtlich diskutable" Entscheidung bezeichnet. Er gehe fest davon aus, dass die Angeklagten wegen Mordes verurteilt werden, auch wenn bis dahin noch ein langwieriger Indizienprozess auf dem Plan stehe, der wohl nicht alle Antworten liefern werde, die sich die Angehörigen wünschten.
Mord ohne Leiche ist Herausforderung für Justiz
Laut Gerichtssprecherin Tina Haase ist ein Mordprozess ohne Leiche für ein Gericht immer etwas Besonderes, da ein Leichnam in der Regel "das objektivste Beweismittel" sei. Insofern sei es Aufgabe der Staatsanwaltschaft, anhand von Indizien ein klares Bild zu zeichnen, das darauf hinweist, dass die beiden Angeklagten tatsächlich den ihnen zur Last gelegten Mord begangen haben.
Am Ende dürfe es keine plausiblen Alternativszenarien geben, so Haase weiter. Ein Schuldspruch sei aber auf jeden Fall möglich, auch wenn die genauen Details einer Tötung nicht bekannt sind. In den kommenden Wochen sind 37 Verhandlungstage angesetzt, mehr als 100 Zeugen hat das Gericht geladen.
Im Video: Vor dem Landgericht Nürnberg wird der Fall Alexandra R. verhandelt
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