Freiwillige vermitteln Wohnraum in München
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Familie auf der Flucht in München

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80 Stunden Flucht - Ukrainische Familien in Bayern

80 Stunden Flucht - Ukrainische Familien in Bayern

Immer mehr Menschen flüchten vor dem Krieg aus der Ukraine: Frauen, Kinder und Senioren suchen auch in Bayern Schutz. Die Hilfsbereitschaft ist groß: Kinder treten ihr Zimmer ab, Familien rücken zusammen. Sozialministerin Scharf lobt die Solidarität.

Von
Astrid Uhr
Elsbeth Bräuer

Über dieses Thema berichtet: BR24 im BR Fernsehen.

"Sie sind ein großzügiger Mensch, spasibo!" Wieder und immer wieder bedankt sich Kateryna Grinblat bei ihrem Gastgeber. Nach 80 Stunden Flucht aus ihrer ukrainischen Heimatstadt Dnipro ist sie endlich mit ihrer Familie in Sicherheit. Soeben haben sie das erste Mal ihre neue Unterkunft betreten, eine Einliegerwohnung in München-Schwabing, Koch-Wohnzimmer, ein Schlafzimmer, Bad. Auch den Garten dürfen sie benutzen. Hier wird die Familie die nächsten Monate leben. Familie Grinblat, das sind: Oma Ludwina, Mutter Kateryna, Tochter Paulina (15), Sohn Benjamin (11) und Daniel (4).

Bombardement auf AKW hat Familie zur Flucht veranlasst

"Als wir nachts im Fernsehen gesehen haben, wie die Russen das Atomkraftwerk bombardieren, haben wir sofort unsere Sachen gepackt!", berichtet die Mutter. Während sie erzählt und eine Dolmetscherin übersetzt, hält sich die ganze Familie fest an den Armen. Sie scheinen hin- und hergerissen zu sein, zwischen der Freude über die Gastfreundschaft in Bayern - und der Trauer über den Krieg daheim. "Wir haben schreckliche Dinge erlebt, wie in einem Horrorfilm!", sagt Kateryna Grinblat.

Übervolle Züge, Menschen auf den Gleisen, Kinder, die von flüchtenden Massen zu Boden getrampelt wurden. Sie sind über Tschechien nach München gekommen. Dabei haben sie nur ihre Pässe und jeder eine Einkaufstüte. Mehr durften sie nicht mitnehmen, damit möglichst viele Menschen in die Züge passen.

Münchner Gastgeber-Familie: Wir kriegen das hin!

Erst am Vormittag ist Familie Grinblat in München am Bahnhof angekommen. Schon am Nachmittag beziehen sie eine kleine Wohnung, dank Familie Gorenflos‘ schneller, unkomplizierter Hilfe. Reinhard Gorenflos hatte mit seiner Familie am Abend vorher entschieden, die leerstehende Studentenwohnung nicht zu vermieten, sondern für Geflüchtete bereitzustellen.

Am Abend hatte die Familie ihr Angebot eingestellt, und zwar auf der Online-Plattform des Vereins "Münchner Freiwillige". Er habe zwar schon Geld gespendet, erklärt Reinhard Gorenflos, aber seine Familie wolle auch konkret Hilfe leisten. "Wir sind so privilegiert, uns geht es so gut – wir kriegen das hin", ist er überzeugt. Der Vater hat bereits in seiner Nachbarschaft herumgefragt, wer den Gästen aus der Ukraine ab sofort kostenlosen Deutschunterricht geben könne.

    • Zum Artikel "Ukraine-Flüchtlinge privat aufnehmen: Das ist zu beachten"

Spontane Hilfe, die ankommt: Verein "Münchner Freiwillige - wir helfen"

Wer, wie Reinhard Gorenflos, schnell in akuten Krisen in der Landeshauptstadt Hilfe leisten will, der wendet sich am besten an den Verein "Münchner Freiwillige – wir helfen". Spontane Hilfe effektiv zu koordinieren, das haben die Freiwilligen schon 2015 gelernt, als sie Geflüchtete am Münchner Hauptbahnhof empfangen haben.

Mischa Kunz vom Vorstand der "Münchner Freiwilligen" glaubt fest an die herzliche Willkommenskultur der Bayern. Hunderte von Ehrenamtlichen haben sich in den letzten Tagen bei seinem Verein gemeldet, das berührt ihn. "Wenn die Menschen zusammenhalten in Bayern, dann können wir auch den Geflüchteten gut helfen!", so Mischa Kunz. Das Wichtigste sei nun ein langer Atem, denn auch in fünf Wochen werden vermutlich noch Ukrainer in Bayern ankommen.

Wohnungsvermittlung von privat an Geflüchtete aus der Ukraine

Als Russland seinen Angriff auf die Ukraine startete, hat der Verein "Münchner Freiwillige" sofort begonnen, eine Anlaufstelle für Geflüchtete einzurichten. Der Verein versteht sich weniger als Konkurrenz zu anderen Hilfsorganisationen wie etwa der Caritas, sondern sieht sich eher als Unterstützer. Mischa Kunz freut sich, dass seinem Verein vorübergehend 1.000 Quadratmeter Büroräume zur Verfügung stehen, bereitgestellt von Radio Gong in der Münchner Richard-Strauss-Straße 48.

Hier kommen tagsüber viele Flüchtlinge an, vor allem Frauen und Kinder. Wer die Etage betritt, der hört zunächst ein babylonisches Stimmengewirr. An die Hundert Ehrenamtliche springen durch die Gegend, checken Impfnachweise, Papiere, verteilen Essen, Medikamente, Kleidung und vermitteln Wohnungen, wie auch an Familie Grinblat.

  • Zum Artikel "Geflüchtete aus der Ukraine: Was gilt für wen?"

Achtjährige Lara hat ihr Kinderzimmer abgegeben

"In meinem Kinderzimmer schlafen jetzt drei Frauen aus der Ukraine", erzählt die achtjährige Lara. Sie wollte auch unbedingt helfen, nachdem sie mit ihrer Mutter Margarete Arlamowski viel über den Krieg gesprochen hat. Auch ihre Mama engagiert sich als Journalistin bei dem Verein "Münchner Freiwillige". Seit etwa einer Woche teilen sich Mutter und Tochter drei Zimmer, Küche und Bad mit den Gästen. Abends werden sie oft bekocht, und bekommen Lieder vorgesungen aus der Urkaine. "Das ist unseren Gästen auch ganz wichtig, dass sie uns etwas zurückgeben können", sagt Margarete Arlamowski. Der nächste Schritt sei nun die Arbeitssuche für die Frauen.

Auch Reinhard Gorenflos plant schon die nächsten Tage: Erst wird er mit der Familie zum Arzt gehen, schauen, dass alle gesund sind. Dann steht ein Großeinkauf an Lebensmitteln an, und schließlich: Die Suche nach einer Schule für die Kinder. Familie Gorenflos ist zuversichtlich.

Scharf zuversichtlich bei Flüchtlingsaufnahme

Bayerns Sozialministerin Ulrike Scharf (CSU) rechnet damit, dass Bayern im Moment allen Geflüchteten aus der Ukraine ein Dach über dem Kopf bieten kann. "Ich gehe davon aus, dass wir das gut schaffen, wenn wir uns gut koordinieren", sagte sie im Interview mit BR24. Stand heute habe man rund 24.000 geflüchtete Menschen aus der Ukraine aufgenommen, "das ist im Übrigen ein Drittel der Angekommenen in Deutschland."

Allerdings sei der Bund gefordert, den Verteilmechanismus zu organisieren und sich an den Kosten zu beteiligen. Die ersten Ankünfte fänden hauptsächlich in den großen Städten statt. "Hier müssen wir besser verteilen, um den Menschen wirklich adäquat helfen zu können." Es brauche eine Koordinierungsstelle, die feststelle, wo Unterkünfte sind. Viele Geflüchtete kämen aber auch privat unter.

Lob für Engagement der Bevölkerung

Scharf lobte die große Hilfsbereitschaft und Solidarität der Menschen und die professionelle Arbeit der Kommunen. Auch Bayerns Innen- und Sozialministerium seien "vom ersten Tag des Krieges an" damit beschäftigt, Geflüchteten zu helfen. "Wir kooperieren ganz eng mit den Kommunen, mit den Landkreisen, was die Erstankunft betrifft."

Geflüchtete müssten sich unbedingt registrieren, auch um Sozialleistungen in Anspruch nehmen zu können. Das Sozialministerium kümmere sich vor allem um alleinreisende Kinder und Jugendliche. Als erste Anlaufstelle biete es ein fast rund um die Uhr besetztes Hilfetelefon an, bei dem bereits über 1.500 Anrufe eingingen.

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