Ein Kind versteckt sich hinter seinem Teddy.
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Kindesmissbrauch

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Nach sexuellem Missbrauch: Kinderheim will Vorfälle aufarbeiten

Nach sexuellem Missbrauch: Kinderheim will Vorfälle aufarbeiten

Weil sie Kinder missbraucht haben, wurden zwei ehemalige Mitarbeiter des Erich-Kästner-Kinderdorfs in Oberschwarzach zu Haftstrafen verurteilt. Die Taten liegen 25 Jahre zurück. Jetzt will die aktuelle Heimleitung die Vorfälle aufarbeiten lassen.

Über dieses Thema berichtet: Regionalnachrichten aus Mainfranken am .

"Wir sind total bestürzt," erklärt Gerald Möhrlein am Telefon. Er ist der Heimleiter der Erich-Kästner-Kinderdorfs. Von den Vorfällen in Oberschwarzach im Landkreis Schweinfurt vor mehr als zwei Jahrzehnten habe er bislang nie etwas gehört. "Wir haben von den Vorwürfen erst jetzt aus den Medien erfahren und waren wirklich schockiert", berichtet er BR24. Nun seien die Männer aber verurteilt, also müsse das Ganze jetzt aufgearbeitet werden. Deshalb habe die Heimleitung beschlossen, eine unabhängige Aufarbeitungskommission ins Leben zu rufen.

Nichts von Vorwürfen gewusst

Er habe die Heimleitung im Jahr 2018 übernommen, die beiden verurteilten Mitarbeiter arbeiten seit 2014 bzw. 2015 nicht mehr im Erich-Kästner-Kinderdorf. Sie waren vom Amtsgericht Schweinfurt wegen schweren sexuellen Missbrauchs an Kindern zu drei Jahren Haft bzw. einem Jahr und sechs Monaten auf Bewährung verurteilt worden. Noch sind die Urteile nicht rechtskräftig.

Einer der beiden Männer darf die Einrichtung seit 2015 nicht mehr betreten. Das Verbot hat die Heimaufsicht von Unterfranken nach einem vorherigen Gerichtsurteil verhängt. Die jetzige Heimleitung kenne diese Gründe jedoch nicht, sagt Möhrlein. Auch zu den Vorwürfen, die jetzt verhandelt wurden, habe man "keine ausreichende Kenntnislage, da diese schon so lange zurückliegen und die heutigen Verantwortlichen zum damaligen Zeitpunkt nicht in der Gesamtleitung des Erich-Kästner-Kinderdorfes tätig waren", heißt es. Ebenso wenig seien ihm Überlieferungen aus der damaligen Zeit bekannt. "Wir verurteilen jegliche Form von Missbrauch, Gewalt und Machtausübung deutlich und sprechen den Betroffenen unser Mitgefühl aus", so Möhrlein weiter.

Heimleiter: "Schutz der Kinder ist gewährleistet"

Die damalige Heimleiterin und Gründerin des Erich-Kästner-Kinderdorfs hätte möglicherweise zur Aufklärung beitragen können. Sie war als Zeugin zur Gerichtsverhandlung geladen, jedoch nicht erschienen. Sie wohnte zur Zeit der Vorfälle selbst mitsamt ihrer Familie im Kinderdorf in Oberschwarzach. Ihr Sohn stand als Angeklagter vor Gericht. Auch gegen sie wurden Gewalt-Vorwürfe von Zeugen laut.

"Wir halten seit Jahren alle rechtlichen Vorgaben bezüglich Schutzkonzepten und Meldeketten ein, investieren viel in Beratung, Fortbildung und Supervision, sodass der Schutz der uns anvertrauten Kinder und Jugendlichen gewährleistet ist", betont der jetzige Heimleiter gegenüber BR24.

Schutzkonzept gegen Kindeswohlgefährdung

Zudem gebe es sowohl einen internen als auch eine externe Schutzbeauftragte, die eingeschaltet wird, wenn es um Vorwürfe gegen Mitarbeitende geht. Des Weiteren gebe es eine Handlungsanleitung bei Kindeswohlgefährdung mit einer klaren Meldekette, falls Vorfälle beobachtet oder berichtet würden. Ein Beschwerde- und Partizipationskonzept biete den jungen Menschen die Möglichkeit, Ungerechtigkeiten oder Grenzverletzungen zu melden.

Die Heimleitung arbeite eng mit der Heimaufsicht von Unterfranken zusammen. Die Mitarbeiter seien pädagogisch und fachspezifisch geschult, besonders in der Traumapädagogik. Dazu gebe es regelmäßige Supervisionsmaßnahmen. "Alle diese Maßnahmen, die in den letzten Jahren ins Leben gerufen wurden, dienen der Sicherheit und dem Schutz der uns anvertrauten Kindern und Jugendlichen, sodass Vorfälle wie damals heute nahezu ausgeschlossen werden können", so Möhrlein abschließend.

Kinderheim für traumatisierte Kinder und Jugendliche

Das Erich-Kästner-Kinderdorf ist ein heilpädagogisch-therapeutisches Kinderheim für vernachlässigte und traumatisierte Kinder und Jugendliche. Es wurde 1974 in Mainbernheim im Landkreis Kitzingen gegründet. Kurz vor seinem Tod gab der Schriftsteller Erich Kästner die Genehmigung, das Kinderdorf nach ihm zu benennen. Seit 1990 hat das Erich-Kästner-Kinderdorf seinen Hauptsitz in Oberschwarzach.

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