In der Pandemie wurden viele Jobs ins Homeoffice verlagert - und wer doch ins Büro musste, der vermied so weit wie möglich größere Menschenansammlungen in Bus und Bahn. Und das macht sich beim ÖPNV bemerkbar. Die Fahrgastzahlen gingen deutlich nach unten.
Es sei ein klarer Auftrag an ihr Haus, sagt Bayerns Verkehrsministerin Kerstin Schreyer (CSU). "Wir müssen den öffentlichen Nahverkehr attraktiver machen und stabile, verlässliche Angebote schaffen."
Mit dem Fahrrad oder zu Fuß unterwegs
Für die Studie "Verkehrsverhalten nach Corona" wurden im April dieses Jahres 1.554 Menschen ab 18 Jahren in Bayern vom infas Institut für angewandte Sozialwissenschaften online befragt.
Ganz oben auf der Liste der Fortbewegungsmittel steht in Zeiten von Corona das Fahrrad und das Zufußgehen. Auch in Zukunft will etwa ein Fünftel der Befragten öfter Geh- oder Radwege nutzen. Der motorisierte Verkehr hat ebenfalls zugenommen: Knapp 20 Prozent der Befragten fuhren während der Pandemie häufiger Auto oder Motorrad – 14 Prozent wollen das auch nach Corona so beibehalten.
Ein Drittel gab an, den öffentlichen Nahverkehr während der Pandemie weniger genutzt zu haben, bei den Stammkunden haben rund die Hälfte Bus, Tram und Bahn gemieden. 27 Prozent wollen den ÖPNV auch nach Corona "seltener nutzen".
Studienmacher: "Hausaufgabe für den ÖPNV"
Studienmacher Robert Follmer, der den ÖPNV als "Rückgrat der Verkehrswende" bezeichnet, interpretiert die Ergebnisse der Befragung als Hausaufgabe für den öffentlichen Nahverkehr: "Eine Hausaufgabe, die schon vor der Pandemie nicht zur Gänze erledigt wurde, nämlich den ÖPNV attraktiver und angenehmer für die Fahrgäste zu machen." Follmer betont aber auch, dass es sich bei der Befragung um eine Momentaufnahme handele. Eine weitere, vertiefende Studie zur Mobilitätsveränderung durch die Corona-Pandemie sei für das Verkehrsministerium gerade noch in Arbeit.
80 Prozent fordern günstigere Fahrpreise
Wie der ÖPNV für Nutzer angenehmer gemacht werden könnte, dazu haben die Befragten konkrete Vorstellungen: 80 Prozent wünschen sich günstigerer Fahrpreise, etwa genauso viele fordern attraktive Verbindungen und verkürzte Reisezeiten, 71 Prozent erwarten flexible und individuelle Tarife. Und auch in Zukunft sollen – nach dem Willen von drei Viertel der Befragten – Abstands- und Hygieneregeln eine wichtige Rolle spielen.
Schreyer: "Wir haben die Preise im Blick"
Von Verkehrsministerin Kerstin Schreyer heißt es, man nehme die Wünsche der Menschen ernst. "Die Fahrpreise haben wir im Blick, indem wir das 365-Euro-Ticket gestartet haben. Gerade im Zuge von Corona ist jemand, der vielleicht in Kurzarbeit geht oder arbeitslos ist, froh, wenn sein Kind für 365 Euro im Jahr fahren kann."
Daneben setzt Schreyer auch auf digitale Lösungen: Mit dem Projekt "Ein Klick – ein Ticket" soll ein Landestarif für überregionale Verbindungen geschaffen werden, buchbar per Smartphone und gültig für alle Verkehrsmittel und Regionen Bayerns, so die Ministerin. Außerdem sollen Kapazitäten bei der Bahn in München und Nürnberg ausgebaut werden und im ländlichen Raum möchte Schreyer unter anderem auf die Bahn abgestimmte Buslinien stärker fördern.
SPD-Fraktionschef von Brunn: "Wahlkampfgetöse"
Der Fraktionschef der SPD im bayerischen Landtag, Florian von Brunn, bezeichnet die Ankündigungen der Verkehrsministerin als "reines Wahlkampfgetöse". Die Versprechungen seien nur "Schall und Rauch", solange Schreyer keine Finanzierungszusage von Finanzminister Albert Füracker (CSU) habe. Im BR-Interview sagte von Brunn: "Ich habe wenig Hoffnung. Gerade hat der Finanzminister noch dem Umweltminister der eigenen Regierung Geld für den Klimaschutz verweigert. Warum soll jetzt plötzlich Geld da sein für den Ausbau des öffentlichen Verkehrs?"
Drastische Fahrgeldeinbußen bei MVG
Von drastischen Fahrgeldeinbußen durch Corona spricht der Vorsitzende der Geschäftsführung der Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG), Ingo Wortmann. "Wir fahren seit eineinhalb Jahren mit deutlich geringerer Auslastung." Helfen würde der MVG derzeit der Rettungsschirm von Bund und Ländern. Wortmann, auch Präsident des Verbands deutscher Verkehrsunternehmen (VDV), könne zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht genau sagen, welche konkreten Rückschlüsse die deutschen Verkehrsunternehmen aus der Pandemie ziehen werden.
Klar sei, dass man die Kunden, die man verloren habe, zurückgewinnen will. Trotz der Zahlen zeigt sich Wortmann zuversichtlich: "Wir werden vielleicht eine etwas andere Normalität mit Homeoffice haben. Aber wir wollen auch Fahrgäste hinzugewinnen, die heute Autofahren. Und von daher werden wir die Fahrgastzahlen wieder erreichen, die wir mal hatten."
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