"Völlig unzumutbar", "nicht praxistauglich", "völlig überzogen": Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) ist sauer über Teile des überarbeiteten Bundesinfektionsschutzgesetzes. In einer Mitteilung nach einer kurzfristig anberaumten Videokonferenz fordern er und die Gesundheitsminister der anderen Bundesländer den Bund auf, die neuen Vorgaben für Krankenhäuser und Arztpraxen zu ändern.
Erstes Ärgernis: Dass sich auch geimpfte und genesene Beschäftigte in medizinischen Einrichtungen jetzt täglich testen sollen, sprengt laut Holetschek den Rahmen. Die Maßgabe belastet ihm zufolge das Personal in höchstem Maße – "in einer Situation, wo wir die Menschen, die täglich unser Gesundheitssystem am Laufen halten, eigentlich entlasten müssen". Außerdem seien Corona-Tests nicht unbegrenzt verfügbar, in Ländern mit hohen Infektionszahlen seien die Laborkapazitäten schon ausgeschöpft. Die Forderung der Gesundheitsminister: Geimpfte und genesene Mitarbeiter sollen sich wieder nur zweimal die Woche auf Corona testen müssen, per Selbsttest.
Dokumentationspflicht: Bundesländer widersetzen sich
Zweites Ärgernis: Die Gesundheitsminister sprechen sich klar gegen die umfangreichen Dokumentations- und Berichtspflichten im neuen Infektionsschutzgesetz aus. Denn inzwischen müssen Krankenhäuser oder Altenpflegeeinrichtungen eigentlich alle Corona-Testungen und den Impfstatus von Beschäftigten, Patienten und Besuchern täglich dokumentieren und an die zuständigen Behörden berichten.
Bayern hat diese Dokumentationspflicht bereits am Mittwoch vorerst ausgesetzt. Begründung: Es sei nicht klar, wofür der Bund die Daten brauche – und es gebe kein alltagstaugliches Meldesystem. Holetschek sprach von einem "Bürokratie-Monster", das der Bund erschaffen habe. Nun ziehen auch die anderen Bundesländer nach und wollen laut der Mitteilung die aus ihrer Sicht "nicht umsetzbaren" Dokumentationspflichten ebenfalls aussetzen. Das überarbeitete Bundesinfektionsschutzgesetz wurde auf Bundesebene von SPD, Grünen und FDP vorgelegt. Vergangene Woche stimmten Bundestag und Bundesrat der Novelle zu.
Die Gesundheitsminister betonen aber trotz ihrer Kritik, dass sie nicht grundsätzlich gegen die Testpflicht für Geimpfte in Krankenhäusern und Arztpraxen sind. "Wir müssen Infektionseinträge zum Beispiel in Einrichtungen der Altenpflege verhindern", sagt Holetschek. "Schließlich gilt nun 3G am Arbeitsplatz, vor allem die Ungeimpften müssen sich testen lassen – und gerade, wenn sie mit vulnerablen Gruppen arbeiten, ist ein Test das Mindeste."
Verlegung von Patienten: Kein Beschluss gefasst
Bei der Videokonferenz der Gesundheitsminister ging es nach BR-Informationen auch um die Organisation der deutschlandweiten Verlegung von Intensivpatienten aus Krankenhäusern in überlasteten Regionen. "Uns ist allen sehr klar, dass es sehr, sehr ernst ist", sagte Holetschek der Deutschen Presse-Agentur nach den Beratungen. Es herrsche eine große Solidarität zwischen allen Bundesländern. Holetschek dankte den Bundesländern, die nun im Rahmen des sogenannten Kleeblatt-Konzepts Patienten aus anderen Regionen aufnehmen. Konkret sind Verlegungen etwa aus Bayern, Sachsen und Thüringen geplant.
- Zum Artikel: "Intensivstationen in Schwaben: Patientenverlegung per Flugzeug: Kliniken bereiten sich vor"
In Bayern hatte zuletzt unter anderem die Landeshauptstadt München angekündigt, dass voraussichtlich schon am Freitag oder Samstag bis zu 15 Patienten aus Münchner Intensivstationen in andere Regionen verlegt werden, um Platz für Corona-Patienten zu machen. Derzeit sind in Bayern von insgesamt 3.654 betreibbaren Intensivbetten 3.250 belegt. Darunter sind 1.024 Covid-Patienten, deren Zahl seit Wochen stetig zunimmt. Die Zahlen stammen aus dem Divi-Intensivregister (Stand: 25.11.21).
(mit Informationen von dpa)
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