Neun Menschen hat die rechtsradikale Terrororganisation NSU deutschlandweit in den Jahren von 2000 bis 2006 umgebracht, drei davon in Nürnberg. Das Bundesinnenministerium (BMI) hat die Bundeszentrale für politische Bildung (BpB) beauftragt, ein Konzept für ein neues Dokumentationszentrum zur NSU-Mordserie zu erstellen. Morgen wird eine entsprechende Machbarkeitsstudie veröffentlicht.
Opferfamilien sollen mitbestimmen können
Bereits heute wurde die Studie den Angehörigen der Opfer vorgelegt. Laut BMI ist es ein großes Anliegen, dass die Familien bei der Umsetzung mitbestimmen können. Es ginge nicht nur darum, an die Taten und ihre Opfer zu erinnern, sondern auch um eine Sensibilisierung in der Bevölkerung. Die Bundesregierung hatte in ihrem Koalitionsvertrag 2021 festgehalten, dass ein Dokuzentrum zu der NSU-Mordserie errichtet werden soll.
Menschenrechtsbüro Nürnberg an Studie beteiligt
Martina Mittenhuber, Leiterin des Menschenrechtsbüro der Stadt Nürnberg, hat an der 47 Seiten umfassenden Machbarkeitsstudie mitgewirkt. Nürnberg sei zusätzlich auch an einer Fallstudie beteiligt gewesen. Dabei ging es laut Mittenhuber unter anderem darum, was seit der Aufdeckung der NSU-Morde passiert sei und welche Arten von Erinnerungskultur die Städte, in denen die Morde stattfanden, schon umgesetzt haben.
Nürnberg habe schon viel getan, es gebe ein würdiges Gedenken, so Mittenhuber. Eine zentrale Gedenkstehle an der Straße der Menschenrechte oder auch an den drei Orten, an denen die Morde stattgefunden haben, sowie die Benennung von Plätzen und Straßen nach den Opfern.
Drei Säulen für ein mögliches Dokuzentrum
Mit den anderen Beteiligten der Studie habe man sich sehr schnell darauf geeinigt, dass ein mögliches Dokuzentrum drei Säulen beinhalten soll: Es soll das umfassende Versagen der Behörden bei der Aufdeckung der Mordfälle dokumentieren – dazu sollen alle Akten deutschlandweit in ein zentrales Archiv kommen.
Außerdem soll es ein Ort "würdigen Gedenkens" werden und - ganz wichtig - auch ein Ort des Austausches, so Mittenhuber: "Wir wollen gerne für Nürnberg einen multifunktionalen Ort schaffen, der Begegnung ermöglicht. Es soll aber auch ein Ort des historisch-politischen Lernens werden". Für die Leiterin des Menschenrechtsbüros ist es wichtig, die Bildungsangebote aus den verschiedensten Bereichen in der Region an einem zentralen Ort zusammenzuführen, um das Thema "NSU-Morde", das aus ihrer Sicht längst nicht abgeschlossen ist, zu behandeln.
Berlin, Köln, Nürnberg oder doch dezentral?
Ob Nürnberg tatsächlich den Zuschlag für das geplante Dokumentationszentrum erhält, das laut BMI bis spätestens 2030 fertiggestellt werden soll, ist noch völlig unklar. Martina Mittenhuber plädiert für eine Lösung, die mehrere Städte mit einbezieht. Nur so sei es möglich, eine glaubhafte Erinnerungskultur zu schaffen. Denn jede betroffene Stadt habe einen völlig anderen Hintergrund – auch was die Auseinandersetzung mit den Morden anginge.
Natürlich würde man sich freuen, wenn so ein Zentrum in Nürnberg errichtet werden würde – zumal sich die Stadt seit vielen Jahren intensiv und vielfältig mit diesem Thema auseinandersetze. Aus dem Bundesinnenministerium habe man gehört, dass Berlin wohl als zentraler Ort favorisiert werden würde – für Mittenhuber wäre das jedoch keine Option.
Verknüpfung mit bestehendem Dokuzentrum in Nürnberg?
Auch Imanuel Baumann, Leiter des Dokumentationszentrums am Reichsparteitaggelände, begrüßt die Idee, ein Dokuzentrum zur NSU-Mordserie zu errichten. Nürnberg müsse dabei eine wichtige Rolle spielen. Nicht nur, weil es hier die meisten Morde gegeben habe, sondern auch, weil Nürnberg ein Ort sei, in dem sehr viel Rechtsextremismus sichtbar geworden ist. Inhaltlich sei ein solches Projekt gut an das bestehende Dokuzentrum anschließbar und auch an die Erinnerungskultur der Stadt – zum Beispiel zu Themen wie den Reichsparteitagen oder auch den Nürnberger Prozessen.
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