Begeistert sind eigentlich alle Touristen, wenn sie die Katze sehen. Aber: "Ganz extrem sind die Asiaten", sagt Horst Lenner und lacht. Die würden kreischen wie auf einem Rockkonzert, wenn sie die Katze Wendelstein entdeckten. Lenner ist einer der Türmer auf dem Kirchturm der St.-Georgskirche in Nördlingen. Über die Jahre ist die Katze, die auf dem 90 Meter hohen Kirchturm wohnt, zu einer Attraktion in der Attraktion geworden.
Besucherandrang wurde zu viel für die Katze
Doch nun ist Schluss. Wendelstein geht in Rente. "Wendelstein ist mittlerweile eine ältere Dame und es fällt ihr zunehmend schwerer. Wir haben hier immer wieder großen Trubel auf dem Turm und das ist einfach zu viel für sie", sagt Oberbürgermeister David Wittner (PWG). Jetzt ist aber noch einmal Trubel: Rund 20 Gäste und Journalisten stehen um die Katze herum, die Milch aus einer Schüssel schleckt. Neben ihr ein großer Fresskorb – ein Dankeschön der Stadt Nördlingen. Und wie sich das für eine Verabschiedung gehört, hält der Oberbürgermeister sogar eine kurze Ansprache, auch wenn sich Wendelstein eher für die Leckerlis als die Dankesworte interessiert.
"Wendelsteins" Aufgabe: Tauben vertreiben
Aber tatsächlich hatte die Katze einen Nutzen: Sie hat die Tauben und andere Vögel aus dem Turm vertrieben, die früher Dreck auf den Stufen gemacht hatten, auf denen täglich die Touristen hinaufsteigen. Im Etat der Stadt liefen Katzenfutter und Tierarztkosten unter dem Punkt "Taubenabwehr" – rund 300 Euro pro Jahr. 2009 war die Katze dem damaligen Türmer zugelaufen. Sie blieb freiwillig und konnte Tag und Nacht den Turm hoch und runter und hinaus laufen.
Katze ließ sich streicheln und fotografieren
Eigentlich kommen die meisten der jährlich 40.000 Besucherinnen und Besucher die 350 Treppenstufen auf den "Daniel" – wie der Kirchturm genannt wird – hoch, um den Ausblick zu genießen: Auf die mittelalterliche Altstadt von Nördlingen und ins Nördlinger Ries, einem der am besten erhaltenen Meteoritenkrater der Welt. Viele fotografierten dann aber nicht nur das Panorama, sondern auch die Katze, die sich bereitwillig streicheln, fotografieren und filmen ließ.
Auftritt in japanischem Tierfilm
Und das war mitunter kurios: Vor einigen Jahren war ein japanischer Tierfilmer da, erzählt Türmer Horst Lenner. Zwei Tage lang habe der Wendelstein in ihrer natürlichen Umgebung gefilmt – für einen Film über Katzen entlang der Romantischen Straße, erzählt Lenner. Ihm habe das Team später eine DVD des Films geschickt. Bei seinem traditionellen Ruf vom Turm hinunter in die Stadt sollte die Katze dann neben ihm sitzen – so die Vorstellung des Tierfilmers. Mit Leckerlis anlocken durfte Horst Lenner sie aber nicht. Nichts sollte gestellt sein in dem Film und so habe es Stunden gedauert, bis die Szene gedreht gewesen sei, erinnert sich der Türmer.
Neue Türmer-Katze noch nicht in Sicht
Der Türmer wird "Wendelstein" jetzt bei sich daheim aufnehmen. Die Stelle der Türmer-Katze habe man aber noch nicht wieder ausgeschrieben, sagt Oberbürgermeister David Wittner. Zur Taubenabwehr sei eine Katze auf dem Kirchturm schon praktisch, aber die Eingewöhnung einer Katze bei dem Besucherandrang sei sicher nicht ganz einfach. Aber auch in ihrem neuen Zuhause wird Wendelstein nicht eingesperrt sein. Wer weiß also, vielleicht steigt die Katze das ein oder andere Mal doch noch auf den Kirchturm hoch – dann aber ganz entspannt als Besucherin und nicht, um zu arbeiten.
Dieser Artikel ist erstmals am 5. März 2024 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel erneut publiziert.
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