Schneeregen am Ehekarussell, dem zentralen Brunnen am Eingang zur Nürnberger Fußgängerzone. Die äußeren Bedingungen sind nicht optimal, um die Pläne für den Umbau der Breiten Gasse vorzustellen. Wirtschaftsreferentin Andrea Heilmaier (CSU) und Baureferent Daniel Ulrich (parteilos) trotzen an diesem Nachmittag den widrigen Umständen. Sie stellen ihren Plan vor, wie die Fußgängerzone künftig aussehen soll. Mit dabei auch einige Vertreter des Handels aus der Innenstadt.
Nürnberg hat, wie viele andere Städte auch, mit einem Umbruch im Einzelhandel zu kämpfen. Online boomt, Warenhäuser werden geschlossen, Bauträger gehen Pleite, Warenhäuser stehen seit langem leer. In Nürnberg sind das die ehemalige Galeria-Kaufhof-Filiale in der Königstraße und das Einkaufszentrum City-Point in der Breiten Gasse. Dazu kommen aktuell viele weitere leerstehende Geschäfte. "Leerstand ist das Schlimmste, was einer Innenstadt passieren kann", sagt Ulrich.
Sitzen ohne Konsumzwang
Die Nürnberger Einkaufsstraßen seien in die Jahre gekommen. "Wir müssen die Innenstadt neu denken", sagt der Baureferent. "Sie wird nicht ganz anders werden, denn sie ist nicht wirklich schlecht." Trotzdem muss etwas getan werden. Das Straßenpflaster in der Breiten Gasse soll erneuert, weitere Bäume gepflanzt werden. Außerdem soll die Aufenthaltsqualität durch zusätzliche Sitzmöglichkeiten verbessert werden. "Man muss sich niederlassen können, ohne etwas konsumieren zu müssen", findet Ulrich.
Leerstand bereitet Sorgen
Über solche Nachrichten freut sich Martin Rößler, der Konditormeister betreibt das Café Beer in der Breiten Gasse. Eine Aufwertung der Breiten Gasse sei toll. Sorgen bereitet ihm allerdings der Leerstand in der Straße. Es sei wichtig, dass es wieder ein, zwei größere Ankermietergebe, damit wieder mehr Menschen kommen. Bald soll ein Edeka in das Untergeschoss des C&A einziehen, dass sei schon mal eine sehr gute Nachricht, sagt Rößler. Er ärgert sich allerdings darüber, dass es auf einer Baustelle, wo früher Schuh Leiser war, seit über einem halben Jahr nichts voran geht. Der Investor ist insolvent gegangen, dagegen kann die Stadt nichts machen, doch Daniel Ulrich verspricht, der Bauzaun, der auch in die Fußgängerzone ragt, soll bald entfernt werden.
Hausbesitzer müssen mitziehen
Cafébesitzer Martin Rößler ist einer der wenigen, dem auch das Haus, in dem sein Geschäft untergebracht ist, gehört und damit ist er eine Ausnahme. Viele Immobilien in der Breiten Gasse zum Beispiel gehören Menschen, die nicht mehr in Nürnberg lebten und das sei ein Problem, sagt Baureferent Daniel Ulrich. Viele Hausbesitzer seien zudem gar nicht so sehr auf die Einnahmen aus der Vermietung angewiesen. Vor allem diese will das City-Team überzeugen, ihre leerstehenden Geschäfte an Kneipen und Cafés zu vermieten – auch wenn die Renditen dann geringer seien als beim klassischen Einzelhandel. Um mit den Besitzern zu sprechen, sind extra mehrere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus dem Wirtschaftsreferat in den kommenden Monaten unterwegs. So soll es gelingen, dass sich speziell in der Breiten Gasse, die früher eine reine Einkaufsstraße war, mehr Gastronomie ansiedelt.
Mehr Grün und Umnutzung von Flächen wichtig
Damit die Innenstadt auch in Zukunft attraktiv bleibt, brauche es eine Umnutzung von Flächen, sagt auch Johannes Ringel vom Lehrstuhl für Stadtentwicklung von der Universität in Leipzig. Er forscht seit rund 20 Jahren an diesem Thema. Für ihn ist klar, die Innenstädte haben nur eine Chance, wenn sie sich anpassen. Dazu brauche es zum Beispiel auch mehr Grünflächen mit mehr Schattenplätze und Bäumen, die auch den Anforderungen des Klimawandels trotzen. Pflanzenkübel alleine reichten dafür nicht aus.
"Ein Baum muss auch so überleben können, ohne dass man ihn regelmäßig gießen muss." Johannes Ringel, Universität Leipzig
Auf bestehende Flächen wie zum Beispiel im Kaufhof oder dem City Point, wo früher Einzelhandel betrieben wurde, könnten zum Beispiel neben Gastronomie auch Kitas einziehen, Altenpflegeeinrichtungen, Zweigstellen der Universität bis hin zu Servicestellen der Stadt, meint Ringel. Baureferent Daniel Ulrich sieht solche Optionen ebenfalls als realistisch in der Nürnberger Innenstadt.
"Das große Warenhaus hat keine Zukunft"
Eine düstere Prognose hat der Professor für Stadtentwicklung für große Warenhäuser wie Galeria (Karstadt) an der Lorenzkirche. Diese hätten auf Dauer keine Überlebenschance, nicht zuletzt aufgrund der Konkurrenz durch den Onlinehandel. Warensortimente wie zu Beispiel Stoffwaren, Elektronik oder Haushaltsgeräte würden aber durchaus nachgefragt werden. Eine Option sieht Ringel darin, dass diese Sortimente dann von Einzelhändlern in der Fußgängerzone weiterhin angeboten werden.
Mehr Events in der Fußgängerzone
Beim Rundgang durch die Innenstadt mit der Wirtschaftsreferentin und dem Baureferenten ist auch Sabine Janßen, Leiterin des Buchhauses Thalia in Nürnberg, dabei. Sie stört sich vor allem daran, dass es bisher sehr aufwendig sei, wenn man zum Beispiele eine kleinere Aktion vor den Eingangstüren des Geschäfts plane. Konkret hatte sie einen Glühweinstand vor dem Laden aufbauen wollen, die Bürokratie sei allerdings groß gewesen. Nürnbergs Wirtschaftsreferentin Andrea Heilmaier (CSU) will es den Händlern in der Innenstadt leichter machen, ihre Waren auf der Straße präsentieren zu können und Verkaufs-Events zu veranstalten. "Das wird weniger restriktiv gehandhabt als früher", sagt Heilmaier, die seit Mitte September 2023 im Amt ist. Sie will damit das Eigenengagement der Händler unterstützen. "Wir wollen einfach mehr Leben, mehr Innenstadt, mehr Angebot schaffen."
Ehemalige Rotlichtmeile als Vorbild
Modell für die Umgestaltung soll die Luitpoldstraße sein. Die ehemalige sündige Meile der Stadt wurde aufwändig saniert. Statt Peep-Shows und Rotlicht bestimmt inzwischen Gastronomie das Bild – und die Straße lebt. Einen ähnlichen bunten Mix mit mehr Kultur, Freizeit und Gastronomie stellt sich Baureferent Ulrich auch für die Breite Gasse vor. "Sie ist derzeit schon sehr Handels-lastig." Im Frühsommer sollen die Pläne dem Stadtrat vorgestellt werden. "Wir werden dann zügig ans Werk gehen", sagt Ulrich.
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