Der Bundestag stimmt am heutigen Donnerstag und am Freitag über verschiedene Migrationsgesetze ab. Am Donnerstag entscheiden die Abgeordneten über ein Gesetz, das unter anderem Behörden die Abschiebung von abgelehnten Asylbewerbern erleichtern und die Rechte der Polizei für Wohnungsdurchsuchungen ausweiten soll.
Faeser: Neuregelung wichtig für gesellschaftliche Akzeptanz
Die geplante Neuregelung für schnellere Rückführungen sieht Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) als notwendigen Schritt für den Erhalt der gesellschaftlichen Akzeptanz des Flüchtlingsschutzes. "Diese restriktiven Maßnahmen sind notwendig, damit wir weiterhin unserer humanitären Verantwortung für die Menschen gerecht werden können, die wir vor Krieg und Terror schützen müssen – wie die 1,1 Millionen Geflüchteten aus der Ukraine. Und diese restriktiven Maßnahmen sind notwendig, damit wir die gesellschaftliche Akzeptanz für den Schutz von Geflüchteten erhalten und die Integration gelingt", sagte Faeser der "Rheinischen Post" laut Vorabbericht.
Das Gesetzespaket sorge dafür, dass Menschen ohne Bleiberecht das Land schneller verlassen müssten. Die Neuerungen würden verhindern, dass Menschen untertauchen, bevor sie abgeschoben werden können. Auch die Identitätsfeststellung, die bislang oft ein Hindernis war, werde erleichtert.
Wüst für Asylverfahren in Transitländern
Aus der Union kommt Kritik. Aufgrund der hohen Flüchtlingszahlen sei der Handlungsdruck groß, das von der Bundesregierung vorgelegte Gesetz werde aber kaum helfen, die Zahl der Abschiebungen deutlich zu erhöhen, so Thorsten Frei, parlamentarischer Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion im Morgenmagazin von ARD und ZDF.
Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) sprach sich zudem für Asylverfahren in Dritt- und Transitstaaten aus und forderte ein Treffen mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in den nächsten Wochen. "Wir müssen irreguläre Migration beenden, damit wir auch in Zukunft denjenigen Menschen gerecht werden können, die vor Krieg und Vertreibung fliehen und unseren Schutz wirklich brauchen. Dabei sind Asylverfahren in Drittstaaten und Transitländern ein wichtiger Ansatz", sagte Wüst der Zeitung. Die Migrationsfrage könne nicht erst auf deutschem, nicht erst auf europäischem Boden gelöst werden. "Das Ziel ist es, das Sterben im Mittelmeer zu beenden."
Die wichtigsten Fragen und Antworten zu den Plänen der Bundesregierung im Überblick:
Wie viele Menschen waren zuletzt ausreisepflichtig?
Ende Dezember waren laut Bundesinnenministerium 242.642 Menschen ausreisepflichtig. Allerdings hatten davon 193.972 eine Duldung zum Verbleib in Deutschland. Damit war die Abschiebung in vier von fünf Fällen vorerst ausgesetzt. Gründe können die Sicherheitslage im Herkunftsland, Kinder mit Aufenthaltserlaubnis, eine begonnene qualifizierte Berufsausbildung, Krankheit oder das Fehlen von Pass- und Reisedokumenten sein.
Wie viele Abschiebungen gab es 2023?
Im vergangenen Jahr wurden laut Innenministerium 16.430 Menschen abgeschoben. Dies waren 27 Prozent mehr als 2022. Damals hatte es 12.945 Abschiebungen gegeben - acht Prozent mehr als im Jahr zuvor.
Warum scheitern viele Abschiebungen?
Im vergangenen Jahr sind 31.770 geplante Abschiebungen gescheitert. Damit waren zwei Drittel der vorgesehenen Rückführungen nicht erfolgreich. Gründe waren unter anderem ausgefallene Abschiebeflüge, dass ausreisepflichtige Menschen nicht auffindbar waren, der Zielstaat die Aufnahme verweigerte oder medizinische Probleme.
Welche zusätzlichen Befugnisse erhält die Polizei durch das neue Rückführungsgesetz?
Durchsuchungsmöglichkeiten für die Polizei werden erweitert. Das gilt einerseits für die Suche nach Dokumenten und Daten zur Identität des Betroffenen, um etwa seinen Heimatstaat festzustellen. Andererseits sollen Beamte in Gemeinschaftsunterkünften künftig auch andere Räume als das Zimmer des Abschiebepflichtigen durchsuchen dürfen. Auch die Abholung von Betroffenen zur Nachtzeit soll fortan möglich sein, etwa wenn ein durch einen anderen Staat organisierter Abschiebeflug am frühen Morgen startet.
Welche Haftmöglichkeiten werden erweitert?
Die Höchstdauer des Ausreisegewahrsams soll von derzeit zehn auf 28 Tage verlängert werden. Dies gibt Behörden mehr Zeit, eine Abschiebung vorzubereiten, und soll das "Untertauchen des Abzuschiebenden" verhindern. Darüber hinaus wird ein eigenständiger Haftgrund bei Verstößen gegen Einreise- und Aufenthaltsverbote geschaffen. Dies betrifft Ausländer, die zunächst erlaubt nach Deutschland eingereist sind und später ausreisepflichtig geworden sind. Zudem wird die Möglichkeit der sogenannten Mitwirkungshaft auf Fälle ausgeweitet, bei denen ein Ausländer Angaben zur Klärung seiner Staatsangehörigkeit unterlässt.
Wie soll die Abschiebung von Schleusern beschleunigt werden?
Im Aufenthaltsgesetz sollen Regelungen geschaffen werden, die die Ausweisung von Schleusern erleichtern. Ein "besonders schweres Ausweisungsinteresse" soll dabei künftig vorliegen, wenn es zu einer Verurteilung wegen Schleusung von mindestens einem Jahr kam. Strafen für Schleuser sollen zudem generell verschärft werden.
Können Clanmitglieder auch unabhängig von einer Verurteilung abgeschoben werden?
Der ursprüngliche Gesetzentwurf sah vor, dass ein neuer Ausweisungstatbestand für ausländische Angehörige von Banden oder kriminellen Clans geschaffen werden soll - und dieser auch "unabhängig von einer strafrechtlichen Verurteilung" greifen soll. Hierzu kommt es nun voraussichtlich nicht. Ein Änderungsantrag der Ampel-Parteien setzt vielmehr vor allem bei innerhalb eines Jahres "mehrfach rechtskräftig" verurteilten Intensivtätern an.
Wie sieht es mit antisemitischen Straftaten aus?
Nach den Änderungsplänen der "Ampel" wird ausdrücklich festgehalten, dass ein in einem Urteil festgestellter antisemitischer Beweggrund für eine Tat ein schwerwiegendes Ausweisungsinteresse begründet. Dies gilt demnach auch für rassistische, fremdenfeindliche, geschlechtsspezifische oder gegen die sexuelle Orientierung gerichtete Beweggründe.
Wird das Paket Abschiebungen tatsächlich beschleunigen?
Auch das Innenministerium rechnet nicht mit einer exponentiellen Zunahme von Abschiebungen: "Es wird angenommen, dass durch die Verschärfung der Ausreisepflicht die Anzahl der Abschiebungen um rund 600 (fünf Prozent) steigen wird", heißt es in dem Gesetzentwurf. Und auch die Bundesregierung ist sich bewusst, dass ein verschärftes Abschieberecht nur eine Seite der Medaille ist: Denn ohne aufnahmebereite Herkunftsländer sind Abschiebungen nicht möglich.
Mit Informationen von dpa und KNA
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