Die bayerische Agrarministerin Michaela Kaniber (CSU) hat im Vorfeld der Sonder-Agrarministerkonferenz am Mittwochnachmittag die Fristen zum geltenden Tierhaltungskennzeichnungsgesetz kritisiert. Sie fordert, "die vorgegebenen Termine mindestens um ein Jahr zu verschieben".
Das bereits seit August 2023 geltende Gesetz schreibt vor, dass Schweinemastbetriebe bis 1. August 2024 die Haltungsform der jeweils zuständigen Landesbehörde mitteilen müssen. Die Betriebe sollen dann innerhalb von zwei Monaten eine individuelle Kennziffer entsprechend ihrer jeweiligen Haltungsform erhalten.
Die Haltungskennzeichnung umfasst fünf Haltungsformen: "Stall", "Stall+Platz", "Frischluftstall", "Auslauf/Weide" und "Bio". Das Tierhaltungskennzeichnungsgesetz regelt zunächst die Mast bei Schweinen und soll zügig auf andere Tierarten und weitere Bereiche in der Verwertungskette - etwa in der Gastronomie und Verarbeitungsprodukte – ausgeweitet werden. Durch die Kennzeichnung, die auf Frischfleischverpackungen druckt wird, sollen Verbraucherinnen und Verbraucher auf einen Blick erkennen, wie ein Tier in Deutschland gehalten wurde.
Neun Agrarminister schreiben Brief an Özdemir
Mit ihrer Forderung nach einer Verschiebung der Frist schließt sich Kaniber acht weiteren Agrarministerinnen und Agrarministern an, die gemeinsam einen Brief an Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) verfasst haben. Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen fordern eine "umfassende Überarbeitung" des Gesetzes. Am besten wäre gar eine vollständige Aufhebung, heißt es im Brief der Landwirtschaftsminister, von denen die meisten der CDU angehören.
Kaniber bezeichnete das Tierhaltungskennzeichnungsgesetz in ihrer Mitteilung vom vergangenen Donnerstag als "Schnellschuss der Ampel". Dabei ist das Gesetz bereits seit August 2023 in Kraft, war lange angekündigt. Selbst die beiden vorherigen Bundesagrarminister Julia Klöckner (CDU) und Christian Schmidt (CSU) hatten Vorschläge für ein staatliches Tierwohllabel gemacht.
Lebensmitteleinzelhandel macht es auf freiwilliger Basis vor
Während diese beiden Bundesminister kein staatliches Tierwohllabel einführten, hatte der Lebensmitteleinzelhandel eine eigene Tierhaltungskennzeichnung 2019 entwickelt. Dieses bunte Haltungsformlabel in den Farben rot, blau, orange und grün ist derzeit noch vierstufig, soll aber – genauso wie das staatliche Siegel – fünfstufig werden. Es ist auf Milchverpackungen gedruckt und auf Frischfleischverpackungen von Schweinen, Hähnchen, Puten, Jungrindern, Milchkühen, Pekingenten und Kaninchen. Dieses bunte Siegel ist allerdings eine freiwillige Angabe. Mit seinem Gesetz hatte Özdemir die Tierhaltungskennzeichnung im August letzten Jahres nun auch gesetzlich verankert.
Tierhaltungskennzeichnung soll zu mehr Tierwohl führen
Das Tierhaltungslabel soll den Konsumenten die Kaufentscheidung erleichtern und zu mehr Tierwohl beitragen. Laut Ernährungsreport des Bundeslandwirtschaftsministeriums seien die Menschen durchaus bereit, mehr für Fleisch aus guter Tierhaltung zu bezahlen, wenn die Haltungsform für sie auch gut ersichtlich ist. 65 Prozent der Befragten achten beim Einkauf auf Tierwohllabel. Und noch mehr Menschen (66 Prozent) achten darauf, woher das Produkt stammt.
Was bedeuten "Stall" oder "Frischluftstall" genau?
💬 Die BR24-User "Schwarzerpeter" und "Na_Freilich" haben in den Kommentaren die Qualität der einzelnen Tierhaltungskategorien angesprochen. Das Team von "Dein Argument" hat ergänzt:
Das Bundeslandwirtschaftsministerium erklärt auf seiner Seite, welche Voraussetzungen für die einzelnen Kategorien erfüllt sein müssen. Bei der Kategorie "Stall" müssen die gesetzlichen Mindestanforderungen erfüllt sein. Mindestens 12,5 Prozent mehr Platz haben die Schweine bei "Stall+Platz". Außerdem müssen die Buchten beispielsweise über Raufutter, etwa Heu, verfügen und zum Beispiel durch unterschiedliche Ebenen strukturiert sein. Im "Frischluftstall" muss das Außenklima einen wesentlichen Einfluss auf das Stallklima haben – die Schweine haben Zugang zu unterschiedlichen Klimabereichen. Bei "Auslauf/Weide" wiederum steht den Schweinen ganztägig ein Auslauf zur Verfügung. Bei der Kategorie "Bio" werden die Anforderungen der EU-Ökoverordnung erfüllt, die Tiere haben unter anderem noch mehr Platz.
Die Umstellung von Haltungsstufe "Stall" auf "Stall+Platz" ist ohne bauliche Maßnahmen umsetzbar. Es werden weniger Tiere pro Bucht gehalten und es gibt mehr Beschäftigungsmaterial. Die Umstellung von "Stall+Platz" auf die anderen Haltungsformen ist hingegen mit einem Umbau verbunden: Der Stall muss geöffnet und ein Auslauf angelegt werden oder es muss eine stallnahe Weidefläche geben. Für diese Umbauten sind Investitionen und auch baurechtliche Genehmigungen erforderlich – die sich ziehen können oder in manchen Fällen auch nicht erteilt werden. 💬
Sonderkonferenz auch über Bürokratieabbau
Bei der Sonder-Agrarministerkonferenz am Mittwoch soll es neben dem Basisrecht der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) der EU auch um Bürokratieabbau gehen – und dabei wohl auch um die Tierhaltungskennzeichnung. Bundesagrarminister Cem Özdemir sagte im BR-Interview am Dienstag dazu: "Ich hoffe mit Blick auf die nächste Agrarministerkonferenz, dass auch die Kollegen und Kolleginnen aus den Ländern nicht nach Parteipolitik vorgehen, sondern nachdem, was der deutschen Landwirtschaft hilft."
Im Video: Kritik an Tierhaltungskennzeichnung: Mehr Verwirrung als Nutzen? (Unser Land, 27. Januar 2023)
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