Blick in ein Klassenzimmer
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Einige Kursinhalte des christlichen Sexualpädagogikvereins "Teenstar" verstoßen gegen die staatlichen Richtlinien für Sexualerziehung.

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Ministerium geht nicht gegen queerfeindliche Sexualkunde vor

Einige Kursinhalte des christlichen Sexualpädagogik-Vereins "Teenstar Deutschland" verstoßen gegen die staatlichen Richtlinien für Sexualerziehung. Konsequenzen hat das offenbar nicht. Dafür kommt Kritik von Grünen und Lehrerverband.

Vertreter aus Kirche und Politik werfen dem Sexualkundeverein "Teenstar Deutschland" schon seit langem vor, queerfeindliche Positionen zu verbreiten – auch mit Sexualaufklärung an Schulen. Derzeit bewirbt der umstrittene Verein auf seiner deutschen Website eine Seminarreihe. Die Seminare mit dem Titel "Sex oder Liebe?" richten sich an Pädagoginnen, Erziehungsberechtigte, Eltern, Gruppenleiter und "alle, die mit Jugendlichen arbeiten" – so steht es in einem Flyer. Der nächste Termin soll Anfang Juni in Unterfranken stattfinden.

"Teenstar" verstößt gegen staatliche Richtlinien

Bereits im Januar hatte das bayerische Kultusministerium auf BR-Anfrage einige Passagen aus einer "Teenstar"-Broschüre zu Masturbation, Porno-Konsum und Homosexualität als "nicht-konform" zu den staatlichen Richtlinien für Familien- und Sexualerziehung bewertet.

In der Broschüre für Jugendliche heißt es unter anderem, dass homoerotische Gefühle bei den meisten Jugendlichen von selbst vorbeigehen würden. "Vor allem sollte man sich nicht darauf festlegen oder meinen, man sei jetzt schwul oder lesbisch", so steht es in der "Teenstar"-Broschüre. Psychologen warnen vor den Folgen dieser Darstellung von Homosexualität für queere Heranwachsende.

Was das Kultusministerium als nicht konform einstuft

💬 BR24-User "AntonausmRottal" hat in den Kommentaren gefragt, welche weiteren Inhalte das Kultusministerium als Verstoß gegen seine Richtlinien eingestuft hat. Das Team von "Dein Argument" hat ergänzt:

Auf BR-Anfrage hatte das Kultusministerium im Januar mitgeteilt, dass mehrere Passagen der Teenstar-Broschüre "Be a star of love and life", die sich an jugendliche Kursteilnehmer richtet, nicht richtlinienkonform seien. In der Broschüre heißt es etwa, dass Männer und Frauen wegen der Anatomie der Geschlechtsorgane zusammen passen würden wie Schloss und Schlüssel. Zwei Männer oder zwei Frauen würden hingegen nicht auf diese Weise zusammenpassen, "weil die körperlich biologische Ergänzung der Geschlechtsorgane fehlt".

Weiter steht in der besagten Teenstar-Broschüre, dass Porno-Konsumenten sich "danach beschmutzt und inhaltlich leer" fühlen würden. Ein fortlaufendes Ansehen von Pornografie sei "ein absoluter Liebestöter und führt nicht selten zum Scheitern der Beziehung". Zum Thema Masturbation heißt es in der Broschüre, dass es sich lohne, die Gewohnheit der Selbstbefriedigung abzulegen. "Denn wenn du später einmal eine Beziehung eingehst, bist du frei von solchen Zwängen. Und das tut der Liebe gut." Zu diesen Passagen bestehe keine Richtlinienkonformität, so das Kultusministerium. 💬

Landtag lehnt mehr Regulierung für Sexualkunde ab

Vor kurzem beschäftigte sich auch der Landtag mit "Teenstar". Die Abgeordneten stimmten in einer Sitzung über einen Antrag aus der Grünen-Fraktion ab. Der Titel: "Queerfeindliche Sexualaufklärung beenden!" Die Grünen forderten darin eine Positivliste externer Anbieter von Sexualerziehung. Damit sollte sichergestellt werden, dass an staatlichen weiterführenden Schulen künftig nur vom Kultusministerium überprüfte Anbieter Sexualkunde unterrichten können. Grundsätzlich haben weiterführende Schulen in Bayern die Möglichkeit, externe Angebote für den Sexualkundeunterricht zu nutzen.

Die Grünen begründeten den Antrag explizit mit den Aktivitäten von "Teenstar". Anfang des Jahres hatten BR-Recherchen gezeigt, dass "Teenstar" in Deutschland auch an Schulen aufklärt, vor allem in Bayern. Nach Angaben von "Teenstar" fanden 2023 insgesamt etwa 30 Kurse an bayerischen Schulen statt. Unabhängig überprüfen lässt sich diese Zahl nicht. An welchen Schulen der Verein Kurse veranstaltet, gibt "Teenstar" nicht preis – "aus Datenschutzgründen", heißt es.

CSU hält bestehende Regeln für ausreichend

Bei der Abstimmung im Landtag lehnte eine Mehrheit der Abgeordneten im Maximilianeum den Antrag ab. Im zuständigen Bildungsausschuss hatten Grüne und SPD dem Antrag Ende Februar zugestimmt, die Abgeordneten von CSU, Freie Wähler und AfD votierten gegen den Vorschlag einer Positivliste.

In einem schriftlichen Statement gegenüber dem BR verweist die Bildungsausschussvorsitzende und CSU-Abgeordnete Ute Eiling-Hütig auf die seit 2016 geltenden bayerischen Richtlinien. Diese seien eine "hervorragende Grundlage" für eine sensible Familien- und Sexualerziehung, man wolle weiterhin daran festhalten. Eiling-Hütig teilt zudem mit: "Lehrkräfte und externe Experten dürfen keine Ideologisierung und Indoktrinierung vornehmen. Sie vermitteln Toleranz und Respekt gegenüber allen Menschen, ungeachtet ihrer sexuellen Identität."

Ministerium sieht keinen Handlungsbedarf

Obwohl das Kultusministerium einige Aussagen aus einer "Teenstar"-Broschüre als nicht-richtlinienkonform einstuft, sieht man dort keinen Anlass, gegen "Teenstar" vorzugehen. Auf BR-Anfrage schreibt ein Sprecher, dem Ministerium lägen keine Informationen zu Kursen von "Teenstar" an staatlichen Schulen vor. Für entsprechende Recherchen bittet das Ministerium den BR, sich selbst an "Teenstar" zu wenden.

Gabriele Triebel, Grünen-Abgeordnete und stellvertretende Vorsitzende des Bildungsausschusses, hat für dieses Vorgehen wenig Verständnis: "Ich bin sehr erstaunt, dass sich die Staatsregierung immer noch mit tauben Ohren hinstellt. Das ist keine vielfältige Erziehung für Respekt und gegen Diskriminierung."

Bereits 2022 hatten die Grünen einen sehr ähnlichen Antrag auf den Weg gebracht. Damals wurde im Vorfeld ein "Teenstar"-Kurs an einer Grundschule in Regensburg vom zuständigen Schulamt abgebrochen.

Lehrerverband fühlt sich alleingelassen

Simone Fleischmann, Präsidentin des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands (BLLV), fordert schon seit Monaten klarere Regeln für externen Sexualkundeunterricht an staatlichen Schulen. Es sei schade, dass Schulen und Lehrkräfte allein im Regen stehen gelassen werden, bedauert Fleischmann.

Auf eine aktuelle BR-Anfrage an "Teenstar" antwortet die Vereinsvorsitzende: "'Teenstar' liegen die zentralen Fragen des Menschen am Herzen". Ganz besonders wichtig sei dies für die Jugendlichen, die die Pubertät als Krisensituation erleben. Auf konkrete Fragen zu "Teenstar"-Kursen an Schulen antwortet sie nicht.

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