Stroh, Platz und frische Luft - so leben die Schweine bei Landwirt Michael Weichselbaumer im Landkreis Pfaffenhofen an der Ilm. Standard ist diese Haltungsform in Deutschland nicht. Bei Michael Weichselbaumer haben die Schweine dreimal soviel Platz wie gesetzlich vorgeschrieben - das muss aber bezahlt werden. Bei ihm klappt das, weil sein Metzger ihm höhere Preise fürs Fleisch zahlt.
Der Schweinehalter ist skeptisch, ob die Tierhaltungskennzeichnung in der Praxis etwas verändern wird. Immerhin soll sie nur für Deutschland gelten. Michael Weichselbaumer hat Angst, dass dadurch vermehrt billiges Fleisch aus dem Ausland in den Kühlregalen landet, das die deutschen Anforderungen nicht erfüllen muss. Dann kämen die deutschen Bauern noch mehr in die Bredouille.
Bayerischer Bauernverband kritisiert fehlende Finanzierung
Auch Isabella Timm-Guri vom Bayerische Bauernverband (BBV) zeigt sich enttäuscht über die Pläne von Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne). Der Plan habe große Lücken.
“Es ist ein bisschen so, wie wenn man ankündigt, ein Haus zu bauen und dann nur mit Plänen für den zweiten Stock erscheint. Das kann nicht funktionieren.” Isabella Timm-Guri
Vor allem das fehlende Finanzierungskonzept sei problematisch. Özdemir steht aktuell eine Milliarde Euro zur Verfügung. Damit Landwirte ihre Ställe aber wirklich umbauen können, brauche es vier Milliarden Euro pro Jahr, sagt Timm-Guri. Das habe die sogenannte Borchert Kommission zum Umbau der Nutztierhaltung errechnet .
Frustrierte Landwirte brauchen schnell eine Perspektive
Wie das alles finanziert werden soll, ist innerhalb der Koalition umstritten. Finanzminister Christian Lindner von der FDP lehnt höhere Preise an der Fleischtheke ab. Die bayerischen Tierhalter seien bereits jetzt extrem frustriert und in großer Sorge, wo die Politik mit der Tierhaltung hin will, sagt Isabella Timm-Guri vom BBV. Die Landwirte bräuchten dringend eine langfristige, verlässliche Perspektive, um Investitionsentscheidungen treffen zu können. Wenn nicht schnell ein Gesamtkonzept in Gang komme, sei die Gefahr riesig, dass sich die Tierhalter in Bayern und Deutschland verabschieden.
Tierschützern ist Haltungskennzeichnung zu wenig
Kritik kommt aber nicht nur von Seiten der Landwirtschaft, sondern auch von Seiten des Tierschutzes. Auch der Verband "Pro Vieh" bemängelt das Eckpunktepapier des Landwirtschaftsministeriums. Aus Sicht des Tierschutzes sei es unambitioniert und nicht zukunftsweisend, so Pro-Vieh-Sprecherin Anne Hamester.
Einer der Kritikpunkte: Eine Kennzeichnung nur für die Tierhaltung reiche nicht aus. Entscheidend seien auch Transport, Schlachtung und die Herkunft - bei Schweinen insbesondere die Ferkelerzeugung. In Deutschland ist das betäubungslose Kastrieren von Ferkeln zum Beispiel verboten, im Ausland ist es teilweise weiterhin erlaubt. Auch das Kupieren der Ringelschwänze und die Kastenstände für Muttersauen stehen bei Tierschützern in der Kritik.
Verarbeitete Produkte sollen schnell aufgenommen werden
Es dürfe nicht möglich sein, dass Ferkel im Ausland oder in niedrigeren Haltungsstufen aufwachsen und trotzdem später als Masttiere mit der höchste Haltungsform gekennzeichnet werden, so Anne Hamester von Provieh. Das ganze Leben des Tieres sei entscheidend.
Auch die Verbraucherzentrale Bayern wünscht sich eine verpflichtende Kennzeichnung für die ganze Produktpalette. Sobald das Fleisch mariniert ist, könne der Verbraucher nicht mehr erkennen, wie das Tier gehalten wurde.
Verbraucher sorgen sich um Preissteigerungen
Fest steht aber auch: Gerade gestiegene Preise sind aktuell ein sensibles Thema, so Jutta Saumweber von der Verbraucherzentrale. Diese erreichen gerade sehr viele Fragen zum Thema Preissteigerungen.
Trotzdem sind sich alle Verbände und Initiativen einig: Die Tierhaltungskennzeichnung soll so schnell wie möglich kommen - dem ersten Schritt müssten aber dringend weitere Verbesserungen folgen.
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