Ehemalige Windwurfflächen am Bretterschachten
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Orkan Kyrill und die Hoffnung auf neue Wälder

Orkan Kyrill und die Hoffnung auf neue Wälder

2007 warf der Orkan "Kyrill" zahlreiche Wälder um. In Deutschland gab es 38 Millionen Festmeter Schadholz. Stark betroffen war auch der Bayerische Wald. Doch der junge Wald, der auf den Sturmflächen entstanden ist, macht Hoffnung für die Zukunft.

Über dieses Thema berichtet: regionalZeit am .

Er fegte am 18. Januar und vor allem in der Nacht zum 19. Januar 2007 durch den Bayerischen Wald: der Winterorkan "Kyrill". Viele erinnern sich noch an diese Nacht, in der die Fensterscheiben klirrten und Gärten verwüstet wurden. Am schlimmsten waren die Zerstörungen in vielen Wäldern: Ganze Schneisen hatte "Kyrill" hier geschlagen, vor allem in den höheren Berglagen. Hundertjährige große Fichten lagen am Boden, kreuz und quer übereinander, als hätte ein Riese mit den Bäumen Mikado gespielt. Viele Bayerwäldler waren damals beim Anblick dieser scheinbar toten Wälder fassungslos:

"Im ersten Moment ist es zum Weinen, also echt, da schluckst du!" "Das schaut aus, als hätte eine Bombe eingeschlagen". BR-Umfrage vom Januar 2007

Danach wurde monatelang aufgeräumt, mit Motorsägen, Harvestern, teilweise auch mit schweren Baggern. Zurück blieben öde Flächen, auf denen kaum mehr ein Baum stand. Im Langlaufgebiet Bretterschachten staunten viele über den plötzlichen Ausblick ins Tal, so viel Wald war weg.

2023 – die Natur hat sich selbst geholfen

Wer heute zum Beispiel an der Auerhahn-Forststraße am rund 1.100 Meter hoch gelegenen Bretterschachten wandert, sieht nur noch an wenigen Stellen hinunter ins Tal. 16 Jahre nach "Kyrill" steht hier ein junger Wald, noch hell- statt dunkelgrün, aber die Bäume sind schon wieder mehrere Meter hoch. Dabei gab es kaum Pflanzaktionen. Auf einem knappen Viertel der Fläche habe man was gepflanzt, wo gar nichts war, so Jürgen Völkl, Leiter des Staatsforstbetriebs Bodenmais. Auf Dreiviertel der Fläche habe sich quasi die Natur selber geholfen, durch die übrig gebliebenen Altfichten, die fleißig ausgesamt hätten.

Viel Fichte ist nachgewachsen, aber auch Vogelbeeren, Weiden, Birken, insgesamt ein deutlicher gemischterer Wald. Besonders auffällig: Dazwischen wächst viel hohes Gras. Der neue Wald ist also lückiger als vorher.

Glücksfall für Auerhühner

Das ist ein Glücksfall für Auerhühner: Der selten gewordene Großvogel zählt zu den Tierarten, die eindeutig profitiert haben vom großen Windwurf. Sein Lebensraum hat sich verbessert. Die Population ist deshalb messbar angestiegen. Man habe zwar einen wirklich dichten Fichtenwald in den Hochlagen verloren, der teilweise 120 bis 140 Jahre alt war. Aber etwas Besseres fürs Auerhuhn hätte nicht passieren können, denn ein Auerhuhn braucht diese offenen Freiflächen, erklärt Johannes Matt, Arbergebietsbetreuer beim Naturparkverein Bayerischer Wald.

Auch andere Tierarten haben profitiert, zum Beispiel der Baumpieper, der Gartenrotschwanz oder Spechte. Dort wo man umgeworfene Baumstämme liegen gelassen hat, die nun langsam am Boden verrotten, leben seltene Insektenarten, Moose und Flechten.

So viel Gras – kommt da überhaupt wieder was?

Dichte Grasflächen im Wald lassen junge Bäume nicht mehr so leicht durchkommen. Deshalb sind sie normalerweise nicht gern gesehen. Im Nationalpark Bayerischer Wald laufen Forschungen auf einigen Windwurfflächen, wo man nach "Kyrill" nicht einmal aufgeräumt hat. Auf den Flächen kommen trotzdem relativ viele junge Fichten nach, allerdings sehr verstreut und unterschiedlich alt. Das sehen die Forscher inzwischen als Vorteil für die Zukunft.

Denn wenn jetzt überall sofort wieder dicht Fichten aufwachsen, dann würden es in 100 Jahren wieder einen homogenen Fichtenwald geben, der wieder genauso anfällig für Sturm und Borkenkäfer wäre, erklärt Jörg Müller, stellvertretender Leiter des Nationalparks Bayerischer Wald. Diese Löcher seien eine Chance, weil darin in 100 Jahren vielleicht 20-jährige kleine Fichten stehen, die weder vom Wind umgeworfen werden können, noch vom Borkenkäfer gefressen werden. Damit entzerre sich das ganze Risiko.

Auch in den Wirtschaftswäldern, die "Kyrill" völlig umgestaltet hat, besteht die Hoffnung, dass ein stabiler, gesünderer Mischwald nachwächst. In Privatwäldern, wo mehr aktiv nachgepflanzt wurde, gab es vom Staat ebenfalls höhere Zuschüsse für Mischbaumarten.

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Der neue Wald regt zum Nachdenken an

Kann aus Naturkatastrophen auch etwas Gutes entstehen? Der Gedanke drängt sich auf, wenn man heute durch manche "Kyrill"-Flächen wandert. Manchmal entdeckt man noch Wurzelteller von umgestürzten Fichten, die wie Scheiben in die Luft ragen, und an die Katastrophe erinnern. Doch dazwischen sprießen junge Bäume.

Fritz Reiter, ein pensionierter Forstingenieur, der nach "Kyrill" viele Privatwaldbesitzer beim Nachpflanzen betreut hat, faszinieren heute vor allem die Flächen, wo niemand etwas gepflanzt hat. Eine Zeitlang müsse man die Augen zumachen, wenn man Katastrophenbilder sieht, weil es danach oft positiver werde, als es vorher gewesen ist. Aber der Mensch hat oft nicht die Zeit, die Geduld, sagt Reiter.

"Der Wald hat Zeit, braucht Zeit und der Mensch hat’s eben nicht. Aber das ist auch eine Frage der Gesellschaft. Ist die Gesellschaft bereit, dem Wald und der Natur solche Ruhephasen zu gönnen"? Fritz Reiter, Forstingenieur im Ruhestand

Die Flächen, wo "Kyrill" gewütet hat und heute viel neuer Wald heranwächst, sind für Wanderer auf jeden Fall spannend zu beobachten.

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