Ayla, die eigentlich anders heißt, ist 2016 mit 14 Jahren nach Deutschland gekommen. Die Flucht aus Afghanistan hat sie mit ihrer ganzen Familie begonnen. Doch an der Grenze von Pakistan in den Iran wurde ihr Auto angegriffen und das Mädchen von der Familie getrennt. Mit Schleusern kam sie bis nach Istanbul, von dort aus hat sie sich alleine bis nach Deutschland durchgeschlagen. Im Landkreis Rottal-Inn kam sie zu einer Pflegefamilie.
Zahl unbegleiteter, minderjähriger Geflüchteter steigt
Genau wie Ayla damals, fliehen aktuell wieder mehr unbegleitete Kinder und Jugendliche nach Deutschland – kurz auch UMAs (unbegleitete, minderjährige Ausländer) genannt. Das zeigen die bundesweiten Zahlen, die das Bayerische Sozial- und Familienministerium monatlich veröffentlicht. Durch die Zuweisung nach dem sogenannten Königsteiner Schlüssel werden die geflüchteten Minderjährigen auf die Länder verteilt, Bayern soll 15,5 Prozent aufnehmen. Im Freistaat werden die Kinder und Jugendlichen entsprechend den Jugendämtern einzelner Landkreise oder Städte zugewiesen, auch in Niederbayern.
Betreuungsplätze werden knapp
Doch dort sind – wie auch anderorts – die Kapazitäten zur dauerhaften Betreuung bereits erschöpft, sagt der Leiter des Jugendamts im Kreis Rottal-Inn, Manfred Weindl: Sämtliche Plätze in Jugendhilfeeinrichtungen im Bezirk seien belegt oder könnten aufgrund des anhaltenden Personalmangels nicht belegt werden. Sein Jugendamt ist wegen der Grenznähe ein sogenanntes Aufgriffsjugendamt: Es wird von der Bundespolizei verständigt, sobald sie unbegleitete minderjährige Geflüchtete an der Grenze aufgreift. Das Jugendamt muss sie in Obhut nehmen, wenn sie unter 18 Jahre alt sind. Dazu kommen die Unbegleiteten, die aus anderen Regionen zugewiesen werden.
Jugendamt sucht Pflegefamilien im Kreis Rottal-Inn
Die einzige Einrichtung im Kreis Rottal-Inn, die unbegleitete minderjährige Geflüchtete dauerhaft aufnehmen und betreuen kann – die Wohngruppe des St. Johannis-Vereins in Eggenfelden – ist laut Jugendamt bereits voll. In der Notunterkunft in Pfarrkirchen kann das Jugendamt Kinder und Jugendliche nur vorübergehend unterbringen. Dort können sie essen, schlafen und ankommen, aber nicht dauerhaft bleiben, weil die pädagogische Betreuung fehlt. Deshalb sucht das Jugendamt im Kreis Rottal-Inn Pflegefamilien.
Oft mehr Bedenken bei minderjährigen Geflüchteten
Sieben unbegleitete minderjährige Geflüchtete leben im Kreis Rottal-Inn aktuell bei Pflegefamilien. Das Jugendamt ist insgesamt für 29 zuständig, nächste Woche kommen noch zwei dazu. "Pflegefamilien haben meist einen anderen, besseren Zugang zu den Jugendlichen, die oft eine wochenlange Flucht hinter sich haben. Die familiären Strukturen vermitteln ihnen Sicherheit", sagt Sabine Sanladerer vom Pflegekinderdienst des Landkreises Rottal-Inn. Doch sie habe die Erfahrung gemacht, dass gerade in solchen Fällen bei Pflegeeltern oft noch größere Bedenken bestünden als bei regulären Pflegeverhältnissen.
Auch anderswo: als Pflegefamilie beim Jugendamt melden
Um Bedenken auszuräumen, etwa wegen Sprachbarrieren, lädt das Jugendamt am heutigen Donnerstagabend (12.1.) zu einer Informationsveranstaltung nach Pfarrkirchen ein, von 18 bis 20 Uhr im Landratsamt. Dort soll es etwa um die Unterstützung gehen, die Pflegefamilien vom Pflegekinderdienst und dem Jugendamt erhalten, aber auch Vorgaben, die eingehalten werden müssen. Auch bei den Jugendämtern anderer Landkreise und Städte kann man sich melden, wenn man sich vorstellen könnte, unbegleitete minderjährige Geflüchtete als Pflegekinder aufzunehmen.
Hier ein Leben in Sicherheit aufbauen
Aylas Pflegemutter sieht ihre Pflegetätigkeit als Bereicherung, deshalb nimmt sie noch immer unbegleitete minderjährige Geflüchtete als Pflegekinder bei sich auf. Ayla ist mittlerweile 21 Jahre alt, hat eine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung und macht ihr Fachabitur in Stuttgart. Neben ihr blickt das Jugendamt auf viele Positivbeispiele zurück, die sich hier ein Leben in Sicherheit hätten aufbauen können: "Unsere Erfahrungen zeigen, dass nicht nur die Familien, sondern auch wir große Dankbarkeit und Hilfsbereitschaft erfahren, etwa wenn wir Übersetzungshilfen brauchen", so Jugendamtsleiter Manfred Weindl.
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