Günther Beckstein im Landtag.
Bildrechte: BR
Videobeitrag

Politiker, Franke, Faschingsfan: Günther Beckstein (CSU) wird 80 Jahre alt.

Videobeitrag
>

Politiker, Franke, Faschingsfan: Günther Beckstein wird 80

Politiker, Franke, Faschingsfan: Günther Beckstein wird 80

Günther Beckstein war bayerischer Ministerpräsident und zuvor lange Innenminister. Heute wird er 80 Jahre alt. In seinem Ruhestand macht der Nürnberger Erfahrungen, die nach seinen Worten "anspruchsvoller" sind "als ein ganzer Tag in der Politik."

Über dieses Thema berichtet: radioWelt am .

Schon in den letzten Jahren seiner Landtagszeit wähnt sich Günther Beckstein (CSU) "im Abklingbecken der Politik", wie er es formulierte. Das war nach dem Ende seiner nur einjährigen Zeit als bayerischer Ministerpräsident (2007-2008). Beckstein bleibt noch bis 2013 als einfacher Abgeordneter Mitglied des Landtags, bevor er nach insgesamt 39 Jahren Parlamentsarbeit aus dem Politikbetrieb aussteigt. Ob er da schon weiß, dass er als Ruheständler einmal Mitglied des 18-köpfigen Nationalen Begleitgremiums Endlagersuche wird? Jedenfalls steht für ihn fast jeden Monat eine Sitzung dieses Gremiums an, das eines Tages einen sicheren Platz für Atommüll finden soll.

Beckstein als "Endlager-Scout" und politischer Ratgeber

Neben der langwierigen Endlagersuche, deren Zieldatum der Bund mittlerweile von 2031 nach hinten auf die Zeitspanne von 2046 bis 2068 verschoben hat, betätigt sich Beckstein in mehreren gemeinnützigen Stiftungen. Als bekennender evangelischer Christ engagiert er sich auch für die Kirche. Und er steht weiter in Kontakt mit Parteifreunden, die ihn um Rat fragen. Dringend war es 2021, als der Kampf von CSU-Chef Markus Söder um die Kanzlerkandidatur gegen den CDU-Vorsitzenden Armin Laschet voll entbrennt. Sein Telefon habe da oft geklingelt, erzählt Beckstein. Es seien Anrufe eingegangen "von vielen Freunden aus der CSU, aber auch von vielen Freunden aus der CDU, die alle etwas nervös sind."

Sturz Stoibers befördert Beckstein nach oben

Selbst nervös gewesen ist Beckstein im Spätsommer 2007. Da stürzt die CSU ihren Ministerpräsidenten, der damals Edmund Stoiber heißt. Und für den nahtlosen Übergang muss sogleich ein Nachfolger gefunden werden. Die Wahl fällt auf Günther Beckstein, der ein politischer Zögling Stoibers ist. Am 9. Oktober 2007 wird er vereidigt.

"Ich trete das Amt des bayerischen Ministerpräsidenten mit Demut und mit Mut an." Günther Beckstein 2007 als neu gewählter Ministerpräsident

Beckstein führt im "Tandem" mit Erwin Huber

Richtig gut läuft es nicht für den dritten Franken an der Spitze des Freistaats Bayern. Hat Beckstein doch einiges auszubaden, was Stoiber ihm hinterlassen hat. Das auf acht Jahre verkürzte Gymnasium, G8, etwa. Oder das Aus für den Transrapid zum Münchner Flughafen. Dazu kommen Kommunalwahlen im März 2008, bei denen die Wählerinnen und Wähler der CSU einen Denkzettel verpassten. Die CSU sieht dafür Beckstein und den CSU-Parteichef Erwin Huber in der Verantwortung. Mit ihm führt Beckstein die Partei im Tandem, eine ungewöhnliche Ämteraufteilung in der CSU, bei der sonst der Ministerpräsident auch zugleich Parteichef ist.

Beckstein ein glückloser Ministerpräsident

Bald darauf nimmt Markus Söder seinem Nürnberger Parteikollegen Beckstein den Vorsitz des CSU-Bezirksverbandes Nürnberg-Fürth-Schwabach ab. Manche werten das als Revanche dafür, dass Beckstein seinen Nürnberger Parteikollegen degradierte, zumindest gefühlt – nämlich, als er Markus Söder vom CSU-Generalsekretär zum bayerischen Europaminister machte. Als die CSU bei der Landtagswahl im Herbst 2008 auch noch ihre absolute Mehrheit verliert, ist für Beckstein Schluss. Die Partei drängt ihn zum Rücktritt. Es übernimmt: Horst Seehofer.

In einem Statement zu seinem Rücktritt kommt Beckstein noch einmal auf seinen Amtsvorgänger Stoiber zu sprechen. Er habe ihm viel zu verdanken, sagt er. Allerdings habe er deutlicher machen müssen, welche Entscheidungen er unabhängig von ihm und auch anders als er getroffen habe.

NSU-Terror: Innenminister Beckstein hatte richtigen Verdacht

Einige Jahre später, 2011, bekommt auch Becksteins Standing als hart durchgreifender Sicherheitspolitiker Schrammen. Denn als bayerischer Innenminister, der er von 1993 bis 2007 vierzehn Jahre lang war, wird bekannt, dass er nach den ersten Morden der rechten Terrorgruppe NSU früh den richtigen Riecher hatte. Die ihm unterstehende Polizei aber verwarf seinen Verdachtshinweis auf ein ausländerfeindliches Motiv. Die Ermittler folgten stattdessen weiter ihrem Verdacht, dass die Täter unter den Angehörigen der Mordopfer zu suchen seien.

Auch Beckstein konnte NSU nicht stoppen

Das belastet den studierten Volljuristen Beckstein bis heute, wie er in Interviews immer wieder einräumt. Nicht zuletzt, weil immerhin drei NSU-Morde in Becksteins Heimatstadt Nürnberg verübt wurden. Der erste am Blumenhändler Enver Şimşek geschah nur unweit von Becksteins privatem Wohnhaus. Dass die Sicherheitsbehörden dem Verdacht nicht nachgingen und die Täter nicht fassen konnten, bedrückt Beckstein vor allem aus einem weiteren Grund. Der lautet: Es wären bis zur Selbstenttarnung des NSU im November 2011 bundesweit sehr wahrscheinlich weniger Mordopfer zu beklagen gewesen. Und eben nicht zehn Menschen: neun Männer mit migrantischem Hintergrund und eine deutsche Polizistin.

Zeit für Reisen und Enkel

Doch beschäftigt sich der gebürtige Hersbrucker Günther Beckstein nicht allein mit der Vergangenheit. Zum Ruhestand gehören für ihn auch ausgedehnte Reisen mit seiner Frau, der Lehrerin Marga Beckstein. Jüngst ging es etwa nach Sardinien und Mexiko. "Mit viel Programm und viel Erleben", wie Günther Beckstein im BR-Interview sagt. Wenn Beckstein daheim ist, passt er auch mal auf die kleinen Enkel auf, was ihn "ganz schön erschöpft", gesteht er offen.

"Das Temperament von Kindern zu bändigen – also zwei Stunden mit Enkeln –, das ist anspruchsvoller als ein ganzer Tag in der Politik." Günther Beckstein, ehem. Ministerpräsident

Nicht mehr dabei ist Beckstein bei der alljährlichen Fastnacht in Franken. Seine aufwändigen Verkleidungen als Saalgast in Veitshöchheim, etwa als bayerischer Löwe oder als Claudia Roth von den Grünen, sind legendär. Doch seit Beckstein im Ruhestand ist, genießt er das Faschingstreiben lieber vorm Fernseher.

Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.

"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!