Wie fällt die Apfelernte im Jahr 2021 aus? Diese Frage haben sich Sophia Spitzer und Peter Baumgartner bis zum letzten Jahr nicht unbedingt gestellt. Doch dieses Jahr schauen sie mit bangem Blick auf die Entwicklung der Apfelbäume. Denn die Ernte soll recht mager ausfallen, für ihr Ziel brauchen sie aber viele Äpfel: Sie wollen 8.500 Flaschen Cidre produzieren. Das wären etwa drei Mal so viel wie 2020, dem Jahr, in dem sie ihr Startup "schnitz und butzen" gegründet haben.
Corona-Pandemie gab den Anstoß für den Neuanfang
Ein Auslöser dafür war auch die Corona-Pandemie. Peter Baumgartner hatte gerade sein Studium als Innenarchitekt an der Kunsthochschule in München abgeschlossen und sich als Produktdesigner selbstständig gemacht. Als Freiberufler sei er aber bei den Corona-Hilfen durchs Raster gefallen. "Ein zweites Standbein musste her – und Alkohol ist krisensicher", sagt der 29-Jährige und lacht. Mit Sophia, einer alten Schulfreundin, hat er die richtige Geschäftspartnerin gefunden. Sie ist studierte Brauerin, kennt sich also aus, mit den handwerklichen Dingen, die für die Cidre-Produktion nötig sind.
Cidre aus dem Landkreis Dillingen in Münchner Restaurants
Warum aber Cidre? Zum einen, sagt Peter, habe er eine Vorliebe für gutes Essen und hochwertige Lebensmittel. Zum anderen habe er während des Studiums als Koch in Münchner Restaurants gejobbt. Da habe er sich gedacht: Nach dem fünften oder sechsten Weißwein zum x-ten Gang würde auch mal ein anderes Getränk gut passen – zum Beispiel ein Obstschaumwein. Und tatsächlich gibt es den Cidre von "schnitz und butzen" inzwischen auch in einigen Münchner Restaurants, außerdem bei Peter zuhause und in ein paar Hofläden in der Region.
Erhalt von Streuobstwiesen
Sophia war gleich Feuer und Flamme für die Idee. Es sei aber gut gewesen, dass sie nicht wusste, wie viel Arbeit auf sie zukomme, sagt sie heute. Sonst hätte sie vielleicht nicht "Ja" gesagt. Besonders während der Erntezeit ist es ein richtiger Knochenjob. Dann arbeiten die beiden zum Beispiel auf einer Streuobstwiese an einem Hang bei Wertingen.
Sophia rüttelt mit aller Kraft an einem Ast, die Äpfel prasseln nur so auf den Boden - endlich Apfelbäume, die richtig gut tragen. "Seit der Wiese wissen wir, dass wir es schaffen, genügend Obst zusammenzubekommen", sagt Sophia erleichtert. Aus wirtschaftlichen Gründen würden die Streuobstwiesen - eigentlich ein schwäbisches Kulturgut - vielerorts nicht mehr gepflegt. Der Preis für Obst für die Saftherstellung sei einfach viel zu niedrig, die viele Handarbeit so nicht rentabel. Anders sieht es bei der Herstellung von Cidre aus. Auch deshalb haben Sophia und Peter diesen Weg gewählt.
Alte Sorten mit besonders viel Aroma bevorzugt
Auch Gilbert Schober freut sich, dass die beiden hier das Obst ernten. Vor etwa 30 Jahren hat er die Apfel-, Birn- und Zwetschgenbäume gemeinsam mit anderen Jagdpächtern gepflanzt. Das Grundstück war wegen der Hanglage nicht mehr interessant für die Landwirtschaft. In den vergangenen Jahren sei das Obst aber oft einfach verfault, sagt Schober, deshalb habe er Sophia und Peter angerufen. Es sei ihm wichtig, dass diese Äpfel einem guten Zweck zugeführt und gewürdigt würden. Auf der Wiese wachsen nur alte Sorten, etwa Maunzenäpfel. Die kleinen, dunkelroten Früchte haben viel Aroma, sind aber recht sauer. Für die Cidre-Produktion ist das genau richtig. Peter und Sophia brauchen unterschiedliche Äpfel mit verschiedenen Aromen – ein "08/15-Supermarkt-Apfel" sei da nicht geeignet.
Von der Stadt zurück aufs Land
Die Äpfel bringen sie zu Peter nach Unterbechingen. Dort hat es ihn nach seinem Studium in München wieder hingezogen. Hier hat er den Platz, um seine Ideen zu verwirklichen. In der Stadt wäre die Cidre-Produktion nicht umsetzbar. Hier auf dem Land sei außerdem alles etwas verbindlicher, als in der Stadt, meint Peter. Man müsse immer damit rechnen, dass man sich wieder begegnet und halte sich deshalb eher an das, was vereinbart sei, so seine Erfahrung. Wenn er einen Freund mit Traktor brauche, um die Cidre-Flaschen zu transportieren, dann kenne er immer einen, der hilft. Und wenn doch mal nicht, dann kennt sicher jemand einen, der einen kennt.
Pressen, gären, abfüllen - alles im eigenen Keller
Auf dem Grundstück in Unterbechingen lagern und pressen Sophia und Peter das Obst in einer Scheune. Neben Säcken mit Äpfeln stehen dort auch ein paar Kisten mit Birnen und Quitten. Mit diesen Früchten wollen die beiden ein Experiment starten. Die Quittenernte war dieses Jahr sehr gut, deshalb soll es bald einen Quitten-Cidre geben.
Wenn der Saft gepresst ist, kommt er zusammen mit Hefe in Edelstahltanks. Die stehen noch im Keller unter Peters Häuschen. Bald wird der vermutlich zu klein sein. Noch aber geht es, ständiges Umräumen und Umbauen, um wieder Platz zu schaffen, inklusive. Nach der ersten Gärung werden die Flaschen abgefüllt. Je nach Sorte wird nochmals Zucker zugesetzt, um die Gärung erneut anzuregen. Mit extra Zuckerzusatz wird es ein besonders edler Cidre nach Champagnerart, sagt Sophia. Gelagert werden die Flaschen dann für einige Monate in einem alten Gewölbekeller im benachbarten Haunsheim. Der stand leer, wurde schon lange nicht mehr genutzt – das gefällt Peter: Dinge, die nicht mehr gebraucht werden, einer neuen Verwendung zuführen.
Letzter Schritt: Die Hefe muss raus!
Nach der Lagerung kommt es dann darauf an: Bevor der Cidre in den Verkauf geht, muss die Hefe wieder raus. Diesen Schritt nennt man "Remuage". Die Flaschen werden drei Wochen lang regelmäßig nach einem bestimmten Schema bewegt oder "abgerüttelt". Ziel ist, dass sich die Hefe im Korken ablagert. Dann kommt jede einzelne Flasche noch für etwa zehn Minuten senkrecht in die Gefriertruhe. Sophia greift zum Degorgierhaken – einem speziellen Flaschenöffner - setzt ihn am Korken an und mit einem lauten Plopp fliegt der Korken heraus. Als sie ihn aufhebt, sieht man im Korken eine gelbliche Masse: Die Hefe ist im Korken festgefroren. Jetzt kann die Flasche mit dem nun klaren, goldgelben Cidre wieder verschlossen und so verkauft werden.
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