Geht es nach der Kirche, sollten die Feiertage ruhig und besinnlich ablaufen. Doch die Initiative "Holy Shit – Let us dance!" will an den Feiertagen tanzen. München und Regensburg bekommen für Gründonnerstag und Karfreitag Ausnahmegenehmigungen – in Nürnberg herrscht wohl weiterhin Tanzverbot. Die Anträge des religionskritischen Bundes für Geistesfreiheit (bfg) auf Ausnahmegenehmigungen wurden von der Stadt Nürnberg abgelehnt. Jetzt liegt der Fall vor dem Amtsgericht.
"Nürnberg will tanzen" hat Anträge falsch gestellt
Die Vorsitzende des Bundes, Assunta Tammelleo, teilte dem BR mit: " Die von uns beauftragte Rechtsanwaltskanzlei wird juristisch dagegen vorgehen, um diese Entscheidung rückgängig machen zu können." Die Klage ist inzwischen beim Bayerischen Verwaltungsgericht in Ansbach eingegangen, bestätigte das am Donnerstag. Das wolle am Mittag darüber entscheiden, ob an den sogenannten Stillen Tagen in Nürnberg getanzt werden darf und die Stadt den Antrag des Bundes für Geistesfreiheit genehmigen muss.
Die Organisation hatte zuvor einen Antrag auf eine Ausnahmegenehmigung für Tanzveranstaltungen bei der Stadt Nürnberg gestellt. Die Stadt hatte den Antrag abgelehnt. Robert Pollack, stellvertretender Leiter des zuständigen Nürnberger Ordnungsamts, sagte dem Bayerischen Rundfunk: „Der Bund für Geistesfreiheit hat uns nur einen Pauschalantrag für 14 Clubs vorgelegt.“ Der Pauschalantrag sei aber nicht ausreichend für eine Genehmigung. Dem widerspricht Assunta Tammelleo. Man habe der Stadt sehr wohl konkrete Angaben gemacht und auch vielfach Schriftverkehr gehabt, um die Forderungen zu erfüllen.
In anderen Städten in Bayern, darunter etwa Erlangen, Fürth, Hof, Bamberg, Bayreuth, Coburg und Ansbach, seien keine Anträge auf Ausnahmegenehmigungen vom Tanzverbot am Karfreitag eingegangen, teilen die jeweiligen Gemeinden mit.
Ausnahmeregelung für Stille Tage
Dass auch an den sogenannten Stillen Tagen gefeiert werden darf, macht eine Ausnahmeregelung des Bundesverfassungsgerichts von 2016 möglich. Die sogenannte "Karfreitags-Entscheidung" lässt Ausnahmen von den Veranstaltungsverboten an stillen Feiertagen für solche Veranstaltungen zu, "die dem Schutz der Versammlungsfreiheit oder der Glaubens- und Bekenntnisfreiheit, auch in ihrer Ausprägung als Weltanschauungsfreiheit, unterfallen".
In Bayern sind neun Tage im Jahr als sogenannte Stille Tage bestimmt: Aschermittwoch, Gründonnerstag, Karfreitag, Karsamstag, Allerheiligen, Volkstrauertag, Totensonntag, Buß- und Bettag und der Heilige Abend. In den anderen Bundesländern variiert die Anzahl nach Angaben des bayerischen Innenministeriums zwischen drei und sieben.
Tanzverbot für nicht-Religiöse in der Kritik
Assunta Tammelleo, Vorsitzende des religionskritischen Bundes für Geistesfreiheit (bfg) in München, wirft die Frage auf: Warum sollen denn diejenigen sich ruhig verhalten müssen, die nicht an Gott glauben und auch nicht an den Gottessohn am Kreuz?
Laut der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) sind weniger als die Hälfte der Bayern katholisch. Deutlich mehr als in den meisten anderen Bundesländern – trotzdem entfernen sich auch im Freistaat immer mehr Menschen vom Glauben. Und die sollten tanzen gehen können, wann immer sie wollen, findet Tammelleo.
Der bfg fordert, dass Kirche und Staat stärker getrennt werden und ruft zu einer Demonstration an Gründonnerstag auf. Unter dem Motto "Holy Shit – Let us dance!" sollen die Münchner, Nürnberger und Regensburger in die Clubs gehen. Genehmigt sind die Veranstaltungen aber vor allem deswegen, weil sie - so wie es die Ausnahmeregelung des Bundesverfassungsgerichts vorsieht - Ausdruck einer weltanschaulichen Abgrenzung gegenüber christlichen Glaubensbekenntnissen sind, wie auch die bfg-Vorsitzende Assunta Tammelleo sagt.
Innere Einkehr – auch für Atheisten
Auf die Frage, ob die Regelung eines grundsätzlichen Tanzverbots an stillen Feiertagen in Zeiten massenhafter Kirchenaustritte noch zeitgemäß ist, heißt es aus dem Ministerium: "Christen gedenken am Karfreitag des Leidens und Sterbens Jesu Christi am Kreuz." Damit sei der Tag einer der wichtigsten christlichen Feiertage. Weiter heißt es: "Stille Tage bieten jedem eine wichtige Möglichkeit der inneren Einkehr, der Besinnung und des Gedenkens. Die Beschränkungen an den Stillen Tagen stehen mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Einklang und belasten Veranstalter und Bürger nicht über Gebühr."
Ein sogenanntes Tanzverbot bestand in Bayern nach Ministeriumsangaben mindestens seit der "Verordnung über Tanzlustbarkeiten" vom 31. Oktober 1921, ausdrücklich gesetzlich verankert wurde es dann nach 1945. Zwischenzeitlich – in den 1970er-Jahren – galten in Bayern sogar 13 Tage als Stille Tage.
Karfreitag: Nicht für alle Christen ein Feiertag
💬 BR24-User "Unbayrisch" hat in den Kommentaren angesprochen, dass Karfreitag in Österreich kein Feiertag sei. Das Team von "Dein Argument" hat ergänzt:
Nicht in allen christlich-geprägten europäischen Ländern ist der Karfreitag ein gesetzlicher Feiertag. In Österreich galt der Karfreitag in der Vergangenheit nur für Angehörige christlicher Kirchen als Feiertag. Diese Regelung wurde 2019 abgeschafft. Jetzt müssen Bürgerinnen und Bürger in der Alpenrepublik Urlaub nehmen, um freizuhaben. In Luxemburg haben am Karfreitag nur Banken geschlossen. Der Tag gilt als sogenannter "Bankfeiertag". In Italien ist der Karfreitag ein ganz normaler Arbeitstag.
In ganz Deutschland hingegen ist der Tag ein gesetzlicher Feiertag. Auch Tanzverbote gibt es um diesen Tag herum in jedem Bundesland. Wie lange diese gelten, ist jedoch von Land zu Land unterschiedlich. Während es in Baden-Württemberg zum Beispiel von Gründonnerstag ab 18.00 Uhr in Kraft ist und bis Karsamstag um 20.00 Uhr gilt, ist das Tanzverbot in Berlin nur am Karfreitag von 4.00 Uhr bis 21.00 Uhr gültig. In Bayern beginnt die Stille Zeit am Gründonnerstag um 2.00 Uhr und endet in der Nacht zum Ostersonntag um Mitternacht. 💬
Tausende Euro Strafe bei ordnungswidrigem Tanzen
Heute sind die Ordnungsämter zuständig dafür, durchzusetzen, dass es an Stillen Tagen still bleibt. Geldbußen von bis zu 10.000 Euro sind nach Angaben des Innenministeriums möglich.
2021 waren die Stillen Tage nach Angaben einer Ministeriumssprecherin zum letzten Mal Thema im bayerischen Landtag. Damals wurde ein Gesetzentwurf abgelehnt, der vorsah, dass sämtliche Kulturveranstaltungen und Veranstaltungen in Live-Musikstätten und Clubs an allen Stillen Tagen erlaubt sind – mit Ausnahme des Karfreitags und des Buß- und Bettages. Der Landtag lehnte den Gesetzentwurf damals mehrheitlich ab.
Mit Informationen von dpa.
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