Natürlich kennt er alle Vorurteile, schließlich hat Stefan Schreiweis lange selbst als Männertänzer auf der Bühne gestanden. Wer aber die Gruppen bei der bayerischen Meisterschaft im unterfränkischen Wiesentheid beobachtet hat, stimmt dem Vorsitzenden der Allianz Deutscher Männertanzgruppen ADM zu, dass sich der Tanz gewaltig professionalisiert hat. Junge, athletische Männer heben das Niveau deutlich an, die Choreografien, Kostüme und Geschichten sind ausgefeilt und teils akrobatisch. Es gibt Hebefiguren, Sprünge und schnelle Musikabfolgen.
Zweimal pro Woche Training für die nötige Kondition
Viele Gruppen erzählen mit ihren Tänzen richtige Geschichten, etwa die Prinzengarde Bergrothenfels, die in mehr als zehn Minuten humorvoll die Geschichte von Shakespeares Romeo und Julia auf die Bühne bringen. Der Spaß steht bei den "Pfundigen" mit ihrer Neuinterpretation von Schneewittchen im Mittelpunkt.
Aber auch die Männercombo aus Mittelstetten bei Augsburg hat sportlichen Ehrgeiz. Klassisches Gardemaß hat keiner der Tänzer, lange Zeit gab es sogar eine Mindestvorgabe von 100 Kilo Lebendgewicht pro Mitglied. Das bedeutet aber nicht, dass Männertanz keine sportliche Herausforderung ist, sagt ihre Trainerin Andrea Baindl: "Man darf das nicht unterschätzen. Wir trainieren zweimal die Woche etwa eineinhalb Stunden und das bedeutet, du brauchst von Haus aus eine gewisse Kondition." Was man noch benötigt: Rhythmusgefühl, Disziplin und viel Spaß am Tanzen, nennt sie als wichtigste Voraussetzungen.
Kreativität und Synchronität gefragt
15 Gruppen aus ganz Bayern haben sich zur Bayerischen Meisterschaft der Allianz Deutscher Männertanzgruppen angemeldet. Teilnehmen dürfen alle Männercombos, unabhängig von Alter oder Tanzstil. Eine Jury bewertet unter anderem die Kreativität der Kostüme, die Choreografie, und die Synchronität der Tänzer. Viele orientieren sich am Schautanz, der verschiedene tänzerische Elemente zu einer Geschichte vereint.
Und ja, es gibt natürlich noch immer die Männer, die als Frauen verkleidet im kurzen Röckchen über die Bühne turnen, schließlich kommt die Tanzkategorie klar aus dem Karneval. "Es soll auch kein knallhartes Tanzturnier sein, der Spaß steht im Vordergrund", sagt Organisator Marcus Wicher von der KoKaGe Wiesentheid. Denn, ohne den Herren zu nahezutreten: das Niveau der tanzenden jungen Frauen, die in den Pausen der Männermeisterschaft als Show-Act auftreten, ist dann doch deutlich höher.
Zwei-Bier-Regel vor dem Auftritt
Wichers Tochter Luisa hat selbst mit drei Jahren angefangen zu tanzen, heute trainiert sie die Männertanzgruppe der örtlichen Faschingsgesellschaft, die Gentlemen. Auch sie bestätigt, dass der Spaß im Vordergrund steht, die Choreografie aber ein Jahr im Voraus eingeübt wird. Zweimal die Woche ist Training, um an den Hebefiguren und der Synchronität der Bewegungen zu feilen. Was später beim Auftritt schiefgehen kann? Vielleicht, dass jemand von der Bühne fällt, überlegt sie. Damit das nicht passiert, gibt es allerdings eine strenge "Zwei-Bier-Regel" vor dem Auftritt ihrer Sportler.
Meister trotz technischer Panne
Dass dann mitten im Auftritt der Lokalmatadoren bei der Meisterschaft die digitale Musikaufnahme einen Hänger haben würde, damit hatte vorab niemand gerechnet. Genau das passiert aber dann beim Auftritt der Gentlemen vor mehr als 1.000 enthusiastischen Zuschauern. Mehr als eine Minute verharren die Tänzer regungslos auf der Bühne, bevor die Musik wieder einsetzt und sie ihre Dschungelcamp-Choreografie fortsetzen können.
Dass trotzdem keiner der Tänzer die Konzentration verliert und der aufwändige Auftritt fehlerfrei gelingt, honorieren die Juroren mit dem diesjährigen Meistertitel. Neben ihnen auf dem Siegertreppchen stehen die "Prinzengarde Bergrothenfels" und die "Bröselband Untererthal".
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