An der Schule von Martina Nussers Sohn Jakob gab es immer wieder positive Corona-Fälle. Doch das zuständige Gesundheitsamt kam mit der Nachverfolgung offensichtlich nicht hinterher. Die Mutter findet klare Worte: „Die Meldeabläufe sind eine reine Katastrophe.“ Nach drei positiven Fällen in der Klasse seien alle Kinder weiter in die Schule gegangen. Erst Tage später habe sich das Gesundheitsamt gemeldet. „Und wir haben eine rückwirkende Quarantänemeldung bekommen, die eigentlich schon längst abgelaufen war.“
Gesundheitsamt setzt Nachverfolgung an Schulen aus
Nusser wünscht sich eine pragmatische Lösung: „Letztlich wäre es für uns Eltern klarer und verständlicher, wenn die Entscheidung direkt bei den Schulen liegen würde, die können schneller handeln." Andernfalls seien sie immer gebunden auf Rückmeldung vom Gesundheitsamt zu warten. „Das kann mal einen Tag dauern, das kann zwei Tage dauern, und in der Zwischenzeit werden die Infektionsherde ja immer noch mehr.“
Das Problem: Die bayerischen Gesundheitsämter sind so überlastet, dass viele die Nachverfolgung an Schulen einstellen. Bei der Stadt Augsburg zum Beispiel heißt es, die Ermittlung von Kindern, die als enge Kontaktpersonen gelten, erweise sich „als zunehmende Belastung für Schulen und Eltern“ und sei daher insgesamt „nicht mehr verhältnismäßig“. Das Gesundheitsamt teilt auf BR-Nachfrage mit, dass die Nachverfolgung an den Schulen bis auf weiteres ausgesetzt werde.
- Zum Artikel: Kontaktnachverfolgung an Schulen: Kapitulation vor Omikron?
Ämter bitten Schulen um Mithilfe bei Quarantäneanordnung
Ein entsprechendes Schreiben haben die Schulen bereits erhalten. Darin heißt es, die Vorgehensweise nach einem positiven Selbsttest habe sich an den Schulen „inzwischen etabliert“ und werde „zuverlässig umgesetzt“. Auch andere Gesundheitsämter haben die Schule „um Mithilfe“ gebeten. Die Schulen sollten deshalb betroffene Kinder und Eltern eigenständig informieren.
Jürgen Böhm, der Vorsitzende des Verbands Bayerischen Realsschullehrer, begrüßt diese Lösung. Die bisherigen Vorgaben hätten für Verwirrung gesorgt: "Letztendlich hat man erst durch die Überlastung der Gesundheitsämter gemerkt, dass man gar nicht mehr hinterherkommt. Dann haben die Gesundheitsämter an den Schulen nachgefragt und mussten sich auch auf die Aussagen der Schulleiterinnen und Schulleiter verlassen."
Die Opposition kritisiert, dass die Staatsregierung schlecht vorbereitet sei. Gesundheitsämter seien nach zwei Jahren Pandemie noch immer personell schlecht aufgestellt. Das findet etwa Max Deisenhofer, der für die Landtags-Grünen im Bildungsausschuss sitzt. „De facto kann es jetzt passieren, dass überhaupt niemand mehr in Quarantäne geschickt wird, weil sich niemand mehr zuständig fühlt.“
- Zum Artikel: "Papa, was ist Corona?" – Wie Eltern die Pandemie erklären
Opposition: Entscheidungen im Elfenbeinturm getroffen
Man sei an einem Scheideweg, vor allem bei der Teststrategie, und die Staatsregierung müsse „jetzt die Hosen runterlassen“ und sagen, ob es um eine Durchseuchung gehen solle, fordert die Präsidentin des Lehrer- und Lehrerinnenverbandes, Simone Fleischmann. Hier erwarte man „Ehrlichkeit“, das Pandemiegeschehen laufe sonst „aus dem Ruder“, so Fleischmann.
Auch Deisenhofer wirft dem Kultusministerium „schlechte Kommunikation“ vor. „Das zeigt für mich, wie weit weg der Kultusminister von den Leuten in der Praxis ist.“ Es würden „im Elfenbeinturm“ Entscheidungen getroffen, „die in der Theorie vielleicht gut sind, aber nicht in der Praxis.“
- Zum Artikel: "Eine Farce": Unmut über Quarantäneregeln an Bayerns Schulen
Gesundheitsministerium: Schulen dürfen Kinder heimschicken
Nachdem das Kultusministerium Mitte der Woche bekräftige, dass eine Quarantäne ausschließlich vom Gesundheitsamt ausgesprochen werde, teilte das Gesundheitsministerium nun auf Anfrage mit: Nach einem positiven Testergebnis sollten die Schulen die Kinder heimschicken. Man müsse in diesem Fall keine Nachricht vom Gesundheitsamt abwarten.
Auch in Bezug auf verspätete Testergebnisse gebe es eine Lösung, so das Ministerium: Sofern bei positiven Pooltests unklar ist, welche Schülerin oder welcher Schüler positiv ist – etwa, weil noch keine Rückstellproben ausgewertet wurden – dürften alle Schülerinnen und Schüler dieser Klasse am nächsten Tag zu Hause bleiben.
Kritik an Ausweitung der PCR-Pooltests
Doch bei den Tests geht die Kritik direkt weiter: Die Pläne, ab März fünfte und sechste Klassen an weiterführenden Schulen mittels PCR-Pooltestung zu testen, kann der Vorsitzende des Bayerischen Realschullehrer-Verbands Jürgen Böhm nicht nachvollziehen.
Die Organisation solcher PCR-Pool-Tests seit an den weiterführenden Schulen schwieriger, weil es dort keine klare Zuordnung von Klassen und Lehrern gebe. Zudem, so fürchtet Böhm, würden diese Testungen „viel organisatorische Unruhe in die Schulen bringen“.
Deisenhofer sieht das ähnlich. Zwar hatten die Grünen lange eine Ausweitung der PCR-Pooltests gefordert, weil dies eine sichere Variante des Testens sei. Nachdem aber die PCR-Tests „eh schon zu knapp sind“ und Ergebnisse oft erst Tage später kämen, mache diese Regelung aktuell keinen Sinn.
Kultusministerium: Routine wird sich einspielen
Das Kultusministerium hält an den Plänen fest. Die Ausweitung der PCR-Pooltests auf die 5. und 6. Klassen diene dazu, das Sicherheitsniveau an den weiterführenden Schulen zu erhöhen. „Insbesondere da dort in den unteren Jahrgangsstufen noch nicht so viele Kinder vollständig geimpft sind“, teilte ein Ministeriumssprecher auf Anfrage mit.
Man habe die spezifischen Belange der weiterführenden Schulen wie etwa wechselnde Lehrkräfte „berücksichtigt“ und das Konzept „entsprechend angepasst“. Das Ministerium geht davon aus, dass sich auch hier eine Routine einspielen werde und wollte über die geplante Ausweitung frühzeitig informieren.
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!