Jeder vierte Arbeitnehmer in Niederbayern muss zur Arbeit pendeln. Mit öffentlichen Verkehrsmitteln ist das am Land oft nicht oder nur mit hohen zeitlichen Einbußen möglich. Weil auch die derzeit hohen Benzinpreise zu Einbußen führen, hat sich eine Firma aus dem Landkreis Passau etwas für die Angestellten einfallen lassen: einen Hol- und Bringservice.
Deal mit Arbeitnehmer
Seit zehn Jahren fährt Schreiner Andreas Resch täglich in die Arbeit – von Waldkirchen im Kreis Freyung-Grafenau nach Eging am See im Landkreis Passau. Das sind einfach 35 Kilometer und bedeuten für ihn monatliche Spritkosten von etwa 200 Euro.
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Wenn er heute in das Auto steigt und zur Arbeit fährt, kostet ihn das nichts mehr. Denn seit zwei Monaten hat er einen Deal mit seinem Arbeitgeber, der Messemanufaktur Metron: Die Firma übernimmt die Kosten für Auto und Sprit, im Gegenzug muss Resch einen Neunsitzerbus steuern und auf dem Weg von und nach Eging Kollegen mitnehmen. "Mir war gleich klar, dass ich das Angebot annehme. Ich finde es total gut", sagt er.
Niederbayern ist Pendlerland
Der Arbeitsweg von Andreas Resch ist in Niederbayern keine Ausnahme. Laut IHK sind hier im Jahr 2019 rund 335.000 Arbeitnehmer von ihrem Wohnort zur Arbeit an einen anderen Ort gependelt.
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Auch der Messebauer in Eging beschäftigt Mitarbeiter aus ganz Niederbayern. Sie kommen beispielsweise aus Passau, Untergriesbach, Waldkirchen, Deggendorf und Landshut. "Wie geht man da mit der aktuellen Preisentwicklung und den Mitarbeitern um?" hat sich Geschäftsführer Christian Kainz gefragt, als er gerade selbst beim Tanken war. "Da kam mir die Idee: Wir brauchen einen Shuttle-Service."
Sechs Routen nach Eging am See
Die Firma fragte in der Belegschaft ab: Wer wohnt wo und würde den Hol- und Bringdienst annehmen? Schnell zeigte sich: Interesse ist da. Von den rund 200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern meldeten sich 30. Also setzte die Firma die Idee binnen drei Wochen in die Praxis um.
Zum bestehenden Fuhrpark wurden zusätzlich vier Kleinbusse angeschafft und sechs Routen festgelegt. Die Person, die am weitesten von der Firma entfernt lebt, beginnt die Tour und sammelt Kollegen an festgelegten Punkten oder an der Haustür ein. Die Fahrt wird dem Fahrer als Arbeitszeit angerechnet und ausbezahlt.
Wie hoch die Anschaffungs- und Unterhaltungskosten für die Firma sind, wollen die Geschäftsführer nicht sagen. "Vielleicht gibt es am Jahresende eine gewisse Einbuße am Gewinn. Aber um Gewinn schreiben zu können, braucht man Mitarbeiter, die zufrieden sind", sagt Christian Kainz.
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Fachkräftemangel: Firmen müssen sich abheben
Die Chefs denken mit dieser Maßnahme auch an die Zukunft. Denn ein Messebauer braucht Handwerker aus verschiedenen Sparten. Und die sind bekanntlich gerade schwer zu bekommen. Fachkräfte fehlen auf dem Markt. Als Arbeitgeber müsse man also hervorstechen, sagt Junior-Chef Matthias Kainz. Er erzählt, dass im Herbst sieben Auszubildende in der Firma beginnen werden, von denen einige weiter weg wohnen und noch keinen Führerschein haben. "Die hätten nicht unterschrieben, wenn es den Shuttle-Dienst nicht gäbe. Ganz klar", sagt er.
Konzept für die Zukunft
Zurück im Bus: Andreas Resch hält nach ein paar Kilometern an einer kleinen Parkbucht und sammelt seinen Kollegen Fritz Thoma ein. Für ihn bedeutet der Hol- und Bringdienst nicht nur Geldersparnis. Er hat jetzt vor, sein Auto zu verkaufen. "Denn ein Auto im Haushalt reicht jetzt", sagt er.
Die Firmenchefs haben vor, den Service fest zu etablieren. Er soll bleiben – auch wenn die Preise für Benzin und Diesel irgendwann mal wieder fallen.
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