Eine gute Schulbildung ist das A und O, um den Grundstein für ein erfolgreiches Berufsleben zu legen. Doch wie soll das gehen, wenn es überall an Lehrkräften fehlt? Beim Landesausschuss-Treffen der Jungen Lehrer und Lehrerinnen des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbandes e.V. (BLLV) herrscht Einigkeit, dass es so, wie es jetzt ist, nicht weitergehen könne.
Für Tamara Brehm, stellvertretende Vorsitzende der Jungen Lehrer im BLLV braucht es dafür vor allem verbesserte Arbeitsbedingungen: "Also, dass meine Lehrergesundheit gestärkt wird, was wir auch im Verband fordern, dass wir entlastet werden vor Ort, weniger Bürokratisierung, dass ich mehr Zeit habe, meinen Unterricht mit den Kindern zu machen und da eben entlastet werde."
Kultusministerin will 6.000 neue Stellen schaffen
Die bayerische Staatsregierung will dem seit langem herrschenden Druck, unter dem die Lehrerinnen und Lehrer stehen, mit einer Personaloffensive begegnen. So wie es im neuen Koalitionsvertrag steht: 6.000 zusätzliche Stellen will Kultusministerin Anna Stolz (Freie Wähler) schaffen. Das sagt sie bei ihrem Antrittsbesuch an der Klara-Oppenheimer-Berufsschule in Würzburg.
So sollen Lehrkräfte wieder mehr Zeit für die pädagogische Arbeit haben und mehr Zeit, um individuell auf die Bedürfnisse der Kinder eingehen zu können. Konkret will sie die Bürokratie auf mehr Angestellte in der Verwaltung verteilen, mehr multiprofessionelle Teams einsetzen und "auch mehr Schulassistenzen. Ich finde, die haben sich sehr gut bewährt in den letzten Jahren", so Stolz im BR24-Interview. Und die Kultusministerin fügt hinzu: "Ich möchte entbürokratisieren. Das ist ein dickes Brett. Aber da will ich rangehen und auch Aufgaben digitalisieren."
Junger BLLV: Lehrerberuf muss attraktiver werden
Über 4.000 Lehrkräfte fehlen laut BLLV derzeit in Bayern. Doch woher sollen die Lehrkräfte kommen, die diese Stellen besetzen? Das fragen sich auch die jungen Lehrer im BLLV. Denn eines ist allen klar: Der Lehrerberuf an sich muss wieder attraktiver werden, sonst will diesen Beruf keiner machen. Und das fängt schon bei der Ausbildung an, sagt Lena Schäffer, Vorsitzende der Studierenden im BLLV.
"Das Lehramtsstudium ist realitätsfern. Es bereitet einen nicht auf den Dienst später vor und auch, dass die Arbeit an sich momentan nicht attraktiv ist aufgrund des Lehrkräftemangels", so Schäffer. Denn auf vorprogrammierte Überstunden und Überlastung hat selbst die motivierteste Lehrkraft schlichtweg keine Lust. Schäffer wünscht sich wie viele ihrer Lehramtskolleginnen und -kollegen mehr Flexibilität und Praxis während des Studiums. "Wir brauchen einfach realitätsnähere Szenarien an den Universitäten, damit das Ganze wieder attraktiver wird", ist Schäffer überzeugt.
Sorgenkind Mittelschule – hier fehlen die meisten Lehrkräfte
Ein Ansatz wäre ihrer Meinung nach eine breit gefächerte Grundausbildung für alle Lehrer. Noch ist es so, dass sich angehende Lehrkräfte schon vor Beginn des Studiums auf eine Schulart festlegen müssen. Die Wenigsten entscheiden sich für die Mittelschule, weshalb der Lehrermangel dort besonders groß ist. Lena Schäffer hat dafür eine logische Erklärung: "Das ist genau die Schulart, die fast niemand durchlaufen hat als Lehramtsstudent. Und jeder studiert das, was er kennt. Das ist Grundschule, das Gymnasium. Und wir müssen den Studierenden zeigen, es gibt mehr als nur das. Wir brauchen erstmal eine gute Grundausbildung, um alle Lehramtsstudien, alle Schularten festzustellen."
Dass die Mittelschulen im bayerischen Bildungssystem eher die vernachlässigte Schulart sind, weiß auch Kultusministerin Anna Stolz. Für sie ist die Mittelschule "unsere Talentschmiede fürs Handwerk, auch für soziale Berufe", schwärmt sie im Gespräch mit BR24. Umso mehr will sie in Zukunft für die Mittelschule werben. Als Motivation für junge Lehrkräfte habe die Regierung in der vergangenen Legislaturperiode beschlossen, dass Mittel- und Grundschulschullehrkräfte die gleiche Einstiegsbesoldung wie andere Lehrämter bekommen sollen. "Das wird jetzt in den nächsten Jahren umgesetzt", versprach Stolz bereits, die damals noch Staatssekretärin im Kultusministerium unter Michael Piazolo (Freie Wähler) war. Ein verpflichtendes Orientierungspraktikum an der Mittelschule gibt es bereits seit diesem Sommer.
Für mehr Praxisanteil im Studium
Der Bezug zur Praxis ist vielen Lehramts-Studierenden besonders wichtig für ihre Ausbildung. Und zwar nicht als Ersatz für eine ausfallende Lehrkraft, sondern mit einem echten Mehrwert für das eigene Studium. "Ein Praxissemester muss sinnvoll sein. Und nur weil es ein Praxissemester gibt, heißt es noch lange nicht, dass es auch gewinnbringend für das Studium ist", sagt Lena Schäffer. Sie selbst wünscht sich außerdem eine Reform des Didaktik-Anteils, damit Lehrkräfte besser auf ihre Arbeit als Pädagogen vorbereitet sind und wirklich helfen und fördern können. "Da lerne ich auch, Kinder denken unterschiedlich, nicht jedes Kind denkt gleich und dementsprechend müssen wir lernen, wie können wir Kindern was anderweitig vermitteln? Jedes Kind ist individuell, und deswegen müssen wir auch so ausgebildet werden, dass wir individuell auf die Kinder eingehen können."
Wunsch nach mehr Flexibilität und Gestaltungsmöglichkeiten im Beruf
Carina Schmidt-Bock, die stellvertretende Vorsitzende der Jungen Lehrer im BLLV, wünscht sich mehr Flexibilität – sowohl im Beruf als auch im Studium. Ihr missfällt das starre Korsett, in das Lehrerinnen und Lehrer gezwängt würden. "Es wird gerade nicht erlaubt, dass man in Teilzeit geht, wenn es nicht Eltern-politisch ist. Das Sabbatjahr wurde uns gestrichen", kritisiert sie. Außerdem müssten Grundschullehrer in Bayern derzeit eine Stunde pro Woche mehr unterrichten. Und es gebe nur das Staatsexamen als Ausbildungsrahmen, das die Studierenden dann eben auf diesen Beruf festlege. Mit einem Bachelor/Masterabschluss habe man viel mehr Möglichkeiten und könne sich später auch noch anderweitig entscheiden, ergänzt Lena Schäffer, die an der Universität Regensburg studiert.
Mehr Flexibilität müsse es auch bei der Wahl des Einsatzortes an der Schule geben, darin sind sich die jungen und angehenden Lehrkräfte des BLLV einig. Man könne sich schließlich nicht aussuchen, wo man arbeiten möchte, sondern es wird vorgegeben. Man könne zwar Wünsche äußern, aber die würden leider nicht berücksichtigt, wenn der Lehrermangel in Südbayern stärker sei als in Nordbayern. Auch das schrecke viele vom Lehrerdasein ab.
Stolz: Expertenkommission tagt bereits
Kultusministerin Anna Stolz kennt die Wünsche und Sorgen der Lehrkräfte noch aus ihrer Zeit als Staatssekretärin, sagt sie - und verspricht nachzubessern. Sie will die Lehrerausbildung künftig flexibler gestalten. "Wir wollen, dass sie wohnortnäher wird und auch mehr Praxisphasen hat, die dann auch eng begleitet werden. Das ist mein Ziel. Aktuell gibt es dazu eine Lehrer-Bildungskommission, eine Expertenkommission. Und da möchte ich jetzt erst einmal die Ergebnisse abwarten. Und dann werden wir da ganz konkret an die Arbeit gehen", verspricht Stolz.
Carina Schmidt-Bock hat noch ihre Zweifel, wenn sie sich ansieht, was im Koalitionsvertrag steht: "Natürlich ist es ganz schön, dass dann unsere Sachen drinstehen wie intensiverer Praxisbezug oder sowas. Aber es wird halt nie genau ausformuliert, wie sie das machen wollen. Oder da steht auch drin, sie möchten das Lehramt attraktiver gestalten, aber eben nicht, wie das passieren soll."
BLLV: Worten müssen Taten folgen
Die To-Do-Liste der neuen Kultusministerin ist lang, das weiß auch Lena Schäffer vom BLLV. Für umso wichtiger hält sie es, dass man jetzt in den Dialog geht und handelt und die Punkte aus dem Koalitionsvertrag umsetzt. "Die müssen unbedingt zeitnah mit Inhalt gefüllt werden, zeitnah mit wirklichen Maßnahmen, die man auch umsetzen kann und nicht erst in fünf, zehn, irgendwann Jahren. Also wir müssen jetzt zeitnah handeln und leere Worte sind gut und schön. Aber wir brauchen endlich Taten", fordert Schäffer. Auch, wenn die Aufgabe ein undankbare sei.
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