Feuerwehrkommandant Bernd Meyer steht in einer scharfen Kurve. Die Leitplanke ist eingedrückt, an ihrem Pfeiler/im Gras am Boden liegt noch ein zersplittertes Rücklicht, gleich dahinter geht es mehrere Meter in die Tiefe. Allein in diesem Jahr verunglückten an dieser Stelle am Riedbergpass bereits zwei Motorradfahrer. Bernd Meyer sagt: "Das besonders Schwere daran ist, dass die Motorradfahrer von oben kommen, gegen die Leitplanke fahren, über die Leitplanke fliegen und in dieses abschüssige Gelände stürzen. Dort ist halt einfach die Erstversorgung sehr, sehr schwer."
Zeitmessung und Drohne – der Pass als "Rennstrecke"
Eine Entwicklung macht dem Feuerwehrkommandanten große Sorgen: Der Riedbergpass, sagt er, habe sich seit seinem Ausbau zu einer wahren Rennstrecke entwickelt. Motorradfahrer aus Deutschland und Österreich würden sich abends extra verabreden, um über den Pass ein Rennen zu fahren.
Jeder für sich würde einmal über den Pass heizen, umdrehen, um dann wieder zurückzurasen, beschreibt der Feuerwehrmann. Dabei werde die Zeit jedes einzelnen gestoppt. Er habe sogar schon erlebt, dass extra eine Drohne aufgestiegen ist, um möglichst spektakuläre Aufnahmen von der Rennfahrt zu machen, so Meyer: "Die heizen hier richtig rauf".
Viele Ausflügler und Touristen sorgen für Engstellen
Kommt es zum Unfall, ist eine Rettung am Pass für die Einsatzkräfte oft mit besonderen Herausforderungen verbunden. Zu spüren bekommt das etwa die Freiwillige Feuerwehr aus Oberstdorf. Sobald eine Person am Riedbergpass im Fahrzeug oder unter der Leitplanke eingeklemmt ist, wird die Feuerwehr wegen ihrer Rettungsschere mitalarmiert.
Doch oft gehen wichtige Minuten verloren, denn die Wache liegt mitten in der Fußgängerzone. Zur Hauptsaison, wenn Oberstdorf voll ist, kann es hier sehr eng werden – und nicht jeder geht bereitwillig aus dem Weg, erzählt Hans Georg Gotzler, der stellvertretende Feuerwehrkommandant: "Es sind auch schon Leute extra vors Auto gesprungen".
Platz für eine "Rettungsgasse"? Fehlanzeige!
Das nächste Nadelöhr zum Riedbergpass ist die zweispurige B19. Sind die Tage schön, stockt hier schnell der Verkehr, viele Tagesgäste und Busse sind unterwegs. Weil es keinen Standstreifen gibt, reichen Leitplanken, Büsche oder Gehsteige bis an den Fahrbahnrand. Fahrzeuge können oft nicht einfach auf die Seite fahren, Platz für eine Rettungsgasse gibt es kaum. Gotzler betont deshalb: "Es ist wichtig, dass die Fahrer frühzeitig abbremsen, überlegt ausweichen – und nicht genau gegenüber voneinander stehenbleiben. Sonst ist ein Überholen für die Feuerwehr fast unmöglich.“
Anschließend noch die Anfahrt auf dem Pass. Die ist vor allem eng und steil – an manchen Stellen beträgt die Steigung bis zu 16 Prozent, eine Herausforderung für das schwere Fahrzeug. Jedes Abbremsen, um zum Beispiel einen der zahlreichen Fahrradfahrer zu überholen, koste wertvolle Zeit, so Gotzler. Minuten, die im Notfall fehlen.
"Helfer vor Ort" überbrücken die Zeit
Für die medizinische Erstversorgung gibt es in Balderschwang seit mehr als 30 Jahren deshalb den "Helfer vor Ort". Ein Team von acht Ehrenamtlichen, verantwortet durch das Rote Kreuz. Matthias Straub ist BRK-Bereitschaftsleiter im Oberallgäu und erklärt: "Balderschwang liegt einfach weit weg. Die Einwohnerzahl ist nicht hoch, aber wenn die ganzen Urlauber da sind, erhöht sich das natürlich. Da ist wichtig, dass speziell geschulte Helfer einfach da sind und schnell helfen können."
Sie überbrücken die Zeit, bis der Krankenwagen da ist oder der Hubschrauber kommt. Damit der überhaupt landen kann, wird der ganze Pass oft stundenlang gesperrt.
Seile gehören zur Ausrüstung dazu
Und noch eine Besonderheit, die es nur in Balderschwang gibt: Unterwegs sind die medizinischen Ersthelfer im Bergwacht-Fahrzeug. Helfer Hans Hiemer erklärt: "Wir haben natürlich auch Seile und alles dabei, damit wir uns und die Nachfolgenden auch sichern können, wenn einer über die Leitplanke stürzt. Wenn's sein muss, wird der Verletzte mit Hilfe des Hubschraubers dann auch am Seil oder Bergetau ausgeflogen." So wie im Fall der zwei verunglückten Motorradfahrer.
Tempolimit und Überholverbot als Lösung?
Insgesamt zehn Motorradfahrer sind in diesem Jahr am Riedbergpass schon verunglückt, einer davon tödlich. Feuerwehr-Kommandant Bernd Meyer vermutet vor allem zwei Ursachen: Fahrfehler und überhöhte Geschwindigkeit und appelliert an alle Zweiradfahrer: "Langsam fahren, langsam fahren, langsam fahren".
Für ihn gibt es eigentlich nur eine Lösung: "Ich bin dafür, dass man hier ein generelles Tempolimit macht, eine Beschränkung auf 60km/h, und sogar ein Überholverbot für alle – das würde es unattraktiv machen für Motorradfahrer, hier Rennen zu fahren, um hier schnell zu fahren.“ Kontrolliert werden müsse das engmaschig durch die Polizei.
Der Feuerwehr-Kommandant ist sich sicher: Nur so nimmt die Zahl der Unfälle am Riedbergpass tatsächlich ab.
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