Sie entscheiden über Strafmaße und darüber, ob ein Angeklagter oder eine Angeklagte schuldig gesprochen wird. Dabei haben sie nie Jura studiert. Es geht um ehrenamtliche Schöffinnen und Schöffen. In Bayern haben in den vergangenen fünf Jahren 4.619 Schöffinnen und Schöffen ihre Aufgabe als ehrenamtliche Richterinnen und Richter wahrgenommen. Am 1. Januar startet die nächste fünfjährige Amtszeit. Dann fängt auch Andrea Aßmann aus dem unterfränkischen Zeuzleben neu als Schöffin an.
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Ehrenamt für die Gesellschaft
Die 62-jährige Rentnerin hat bisher noch nie auf einer Richterbank gesessen. Ihre Motivation: "Ich wollte mich einfach in der Gesellschaft einbringen - mit einem Ehrenamt, in dem man wirklich Verantwortung übernimmt." Die Verantwortung erhält sie nun: Als Schöffin hat sie das gleiche Stimmrecht wie ein Berufsrichter.
Laienamt ohne juristische Vorbildung
Schöffinnen und Schöffen müssen keine juristische Vorbildung haben. Sie müssen im Vorfeld eines Verfahrens auch keine Akten studieren. Sie sollen unvoreingenommen einen Prozess begleiten. Das Bayerische Justizministerium schreibt dazu: "Das gesetzliche Leitbild von Schöffinnen und Schöffen ist der juristische Laie. Schöffinnen und Schöffen sollen ihre Lebenserfahrung und ihr Wissen aus der Mitte der Gesellschaft einbringen."
Bei der Frage, ob ein Angeklagter oder eine Angeklagte schuldig oder nicht-schuldig im Sinne der Anklage ist, ist eine Zweidrittelmehrheit der gesamten Richterbank – also Berufsrichter und Schöffen – nötig. Gleiches gilt laut dem Vorsitzenden des bayerischen Landesverbandes der "Deutschen Vereinigung der Schöffinnen und Schöffen", Alexander Bauer, beim verhängten Strafmaß.
Wenn Schöffen Berufsrichter überstimmen
Sind Schöffen anderer Ansicht als der Richter, kann es passieren, dass der Berufsrichter überstimmt wird. Schöffe Frank Drescher aus Niederwerrn im Landkreis Schweinfurt hat das schon einmal erlebt. Und zwar bei der Frage, ob einem Angeklagten nach wiederholtem Fahren ohne Fahrerlaubnis eine Haftstrafe aufgebrummt werden oder er nochmal mit Bewährung davonkommen sollte. Schöffe Frank Drescher und sein Schöffenkollege meinten, Bewährung sei aufgrund der aus ihrer Sicht guten Sozialprognose des Angeklagten noch möglich, der Berufsrichter wollte dagegen eine Gefängnisstrafe verhängen. Mit ihrer Zweidrittel-Mehrheit überstimmten sie den Berufsrichter und der schloss sich dann laut Frank Drescher aufgrund ihrer Argumente ihnen an. Das Urteil "im Namen des Volkes" lautete schließlich: Es wurde eine Freiheitsstrafe verhängt, die zur Bewährung ausgesetzt wurde.
Schöffen urteilen bei Strafprozess mit
Schöffinnen und Schöffen werden immer für fünf Jahre gewählt. Sie können wiedergewählt werden. Die Kandidaten werden vorgeschlagen. Man kann sich aber auch selbst um das Ehrenamt bewerben. Schöffe kann unter anderem werden, wer bei seiner Wahl zwischen 25 und 70 Jahre alt ist, wer die deutsche Staatsangehörigkeit hat, wer gut die deutsche Sprache versteht und spricht und wer laut dem Bayerischen Justizministerium bislang nicht zu einer Haftstrafe über sechs Monaten verurteilt worden ist.
Aufgrund der Gewaltenteilung dürfen Organe der Exekutive – also aktive Polizeibeamtinnen und -beamte – keine Schöffen werden. Wer als Schöffe vorgeschlagen und gewählt wird, kann laut Bauer das Ehrenamt nur unter bestimmten Voraussetzungen ablehnen. Laut dem Bayerischen Justizministerium wählen die Präsidenten der Amts-, beziehungsweise Landgerichte die für jedes Amtsgericht erforderliche Anzahl von Haupt- und Ersatzschöffen. "Die Zahl der Hauptschöffen ist dabei so zu bemessen, dass voraussichtlich jeder zu nicht mehr als zwölf ordentlichen Sitzungstagen im Jahr herangezogen wird. Die Vorschlagslisten sollen alle Gruppen der Bevölkerung nach Geschlecht, Alter, Beruf und sozialer Stellung angemessen berücksichtigen", heißt es vom Bayerischen Justizministerium.
Hohe terminliche Verpflichtung
Auch, wenn es sich um ein Ehrenamt handelt: Schöffinnen und Schöffen können in der Regel wegen eines möglicherweise privaten Termins nicht einfach bei einem Prozess fehlen. Der Grund: Wäre die Richterbank nicht vollständig besetzt, könnte es passieren, dass bei einem Verfahren mit mehreren Verhandlungstagen ein Prozesstag verschoben werden müsste. Wenn ein Schöffe oder eine Schöffin über eine längere Frist wegen beispielsweise Krankheit ausfällt, könnte es passieren, dass ein Verfahren ausgesetzt, dann neu starten und damit komplett neu verhandelt werden muss.
Bei Verfahren mit erwartet langer Prozessdauer setzt die Justiz auch Ersatz- bzw. Ergänzungsschöffen ein. Das sind zusätzliche Schöffinnen und Schöffen, die das Verfahren – wie auch die Hauptschöffen – ohne Unterbrechung beobachten müssen. Für den Fall, dass Hauptschöffen ausfallen, könnte mit ihnen die Richterbank wieder komplettiert werden. "Ich habe glücklicherweise noch keinen Urlaub absagen müssen, aber dienstliche Termine musste ich schon ein paar Mal verschieben, weil der Vorsitzende Richter sagte 'Dafür hat man Zeit zu haben'", erzählt Schöffe Frank Drescher.
Positive Resozialisations-Erfahrungen
Karl-Jürgen Blam war bis zu seinem Ruhestand Leiter des Patientenfahrdienstes beim Bayerischen Roten Kreuz in Schweinfurt. In einem seiner ersten Verfahren als Schöffe saß er sechs Männern gegenüber. Sie waren unter anderem wegen Einbruchs und Hehlerei angeklagt und wurden entsprechend verurteilt: "Und eines Tages geht bei mir die Bürotür auf, kommt einer der Angeklagten rein und sagt 'Guten Morgen, Herr Blam, ich soll meine Arbeitsstunden bei Ihnen ableisten'. Ich habe gedacht, mich trifft der Hammer", erinnert sich Blam. Der Mann sei bis heute beim Roten Kreuz, engagiere sich ehrenamtlich im Patientenfahrdienst. "Da hat sich eine gute Freundschaft entwickelt. Das war ein einschneidendes Erlebnis. Der hat die Kurve gekratzt", sagt Karl-Jürgen Blam.
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