"An Weihnachten werde ich sicher mal online Schafkopf spielen", sagt Uschi Blaas aus Lindau. Denn wie viel Zeit ihre Kinder und Enkel an den Feiertagen für sie hätten, sei noch ungewiss. Karten spielen im Internet mache ihren Alltag schöner. Früher hat die 83-Jährige regelmäßig in der Wirtschaft Karten gespielt, sogar Turniere gewonnen. Heute spielt sie fast nur noch online.
Schafkopf hat sie vor 70 Jahren von ihrem Mann gelernt. Dieser ist mittlerweile genauso wie einige frühere Mitspieler verstorben. Außerdem ist Uschi Blaas schlecht auf den Beinen, kann nach einigen Stürzen und Operationen nur selten ihre Wohnung verlassen. Über den Tag verteilt spielt sie etwa drei Stunden, entweder am Computer in der Küche oder auf dem Sofa liegend am Handy.
Online-Plattform Sauspiel: Am Tag etwa 250.000 Spiele
Dazu hat sie die App "Sauspiel" installiert, mithilfe ihres Sohnes. Sauspiel ist die größte deutsche Online-Community für Schafkopf. Hier finden jeden Tag etwa 250.000 Spiele statt. Das geht so: Einmal angemeldet, kann Uschi Blaas sich jederzeit einloggen, und findet immer Mitspieler, aus aller Welt, zufällig zusammengewürfelt. Man kann auch um Geld spielen – Uschi spielt nur um Punkte.
Über die Plattform hat sie schon nette Kontakte geknüpft, parallel zum Spielen kann man sich bei Sauspiel.de nämlich auch im Chat unterhalten. "Früher war es zwar schöner, als man real mit Freunden am Tisch saß zum Spielen", sagt die Seniorin. Damals hätte auch die gemeinsame Brotzeit dazugehört. Aber in ihrer jetzigen Situation sei die App "Sauspiel" ideal. Gerade älteren Menschen könne sie die App wirklich empfehlen.
Über Online-Spielen entstehen auch reale Stammtische
Die Online-Plattform Sauspiel wurde vor 18 Jahren in einer Berliner WG entwickelt, von bayerischen Studenten. Aus der Not heraus, weil sie fernab der Heimat keine Mitspieler fanden. Es wurde eine Erfolgsgeschichte. Eine der Gründerin ist die gebürtige Allgäuerin Agnes Reissner. Was sie besonders freut: Ihre App bringt über das Spiel hinaus Menschen zusammen. "In vielen Städten und Gemeinden treffen sich Leute regelmäßig zum Kartenspielen, die sich bei Sauspiel kennengelernt haben", sagt die Geschäftsführerin. Es gebe sogar Menschen, die geheiratet und Kinder haben.
Die Spieler sind im Schnitt 47 Jahre alt, die Jüngsten sind 16, die älteste Spielerin ist 100 Jahre alt. Sie kommen aus allen Bevölkerungsschichten. Eigenen Angaben zufolge sind Schülerinnen und Schüler dabei, Berufstätige, die ihre Mittagspause dafür nutzen, und Rentner wie Uschi Blaas, die sich dadurch weniger einsam fühlen.
Schafkopf als Wahlfach am Gymnasium München Riem
Damit das Traditionsspiel Schafkopf auch analog und bei den Jüngeren wieder populärer wird, gibt es am Gymnasium München-Riem eine eigene Schafkopf-AG. "Ich werde auf jeden Fall mit der Oma in den Weihnachtsferien Schafkopf spielen", sagt sich Moritz. Der Schüler freut sich über die Gelegenheit, Schafkopf zu lernen – einmal pro Woche am Nachmittag als Wahlkurs bei seinem Lehrer Furkan Büyük. Der ist selbst leidenschaftlicher Schafkopf-Spieler.
"Früher war es viel einfacher, vier Leute zusammen an den Tisch zu kriegen, heute ist das schwieriger, weil die Leute weniger Zeit haben und auch weniger die Regeln kennen", sagt Furkan Büyük. Umso mehr freut es den Lehrer, dass seine Schüler mittlerweile schon richtig strategisch spielen, etwa Solospiele wie Wenz und Geier ausprobieren und Spaß dabeihaben. Denn Kartenspiele wie Schafkopf bringen Nervenkitzel, trainieren den Geist und fördern die Gemeinschaft, wie am Gymnasium Riem oder auch daheim an Weihnachten in den Familien.
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