Zwei Redakteurinnen und eine Tasse des Weißenburger Tagblattes.
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130 Jahre Weißenburger Tagblatt

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Schwere Zeiten, gute Strategien: 130 Jahre Weißenburger Tagblatt

Schwere Zeiten, gute Strategien: 130 Jahre Weißenburger Tagblatt

Die Zeiten für Zeitungen sind schwer: Immer weniger Menschen abonnieren eine Tageszeitung. Zusätzlich machen es steigende Produktionskosten den Verlagen schwer, zu wirtschaften. Aber es gibt Zeitungen, die sich halten. Wie das Weißenburger Tagblatt.

Über dieses Thema berichtet: regionalZeit - Franken am .

Die Redakteurinnen und Redakteure des Weißenburger Tagblatts treffen sich in ihrem Konferenzraum. Jeden Tag wird hier bei der Redaktionskonferenz besprochen, welche Termine anstehen und welche Themen die Menschen in der Region gerade beschäftigen. Die Stadt Weißenburg will auf mehr Dächern Photovoltaik-Anlagen installieren, in Solnhofen ist Stadtratssitzung angesagt und immer mehr Menschen lassen an Weihnachten einen Wichtel bei sich einziehen: Drei von vielen Themen, über die die Journalistinnen und Journalisten in den kommenden Tagen schreiben wollen.

Diese Vielfalt mache den Reiz des Lokaljournalismus aus, ist Robert Renner, Chefredakteur des Weißenburger Tagblatts, überzeugt. "Man ist unmittelbar vor Ort. Es ist enorm abwechslungsreich", so Renner.

Zeitung, Druckerei und Werbeagentur

Seit 130 Jahren erscheint das Weißenburger Tagblatt – und zwar noch immer unter dem eigenen Verlag. Damit ist die Zeitung unabhängig von großen Verlagshäusern, erklärt Ralf Braun, Geschäftsführer von Braun und Elbel. "Die Tageszeitung ist eigentlich noch das größte Standbein und nebenher versuchen wir, andere Produkte zu entwickeln: wie ein Wirtschafts- und ein Kulturmagazin im Landkreis", sagt Braun. Außerdem hat der Verlag eine eigene Werbeagentur eröffnet. "Mit diesen verschiedenen Standbeinen und der Druckerei versuchen wir das, am Leben zu erhalten", erzählt der Verleger.

Historische Ausgabe des Weißenburger Tagblatts von 1898.
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Steigende Kosten machen es den Verlagen schwer, zu wirtschaften. Aber es gibt Zeitungen, die sich halten. Wie das Weißenburger Tagblatt.

Redaktion und Druckerei sind in einem Gebäude mitten in der Weißenburger Altstadt untergebracht. Mehrfach wurden die Räume erweitert und umgebaut. Neue, moderne Druckmaschinen sind eingezogen. Allerdings sind auch noch einige Maschinen im Einsatz, die 70 Jahre und älter sind. Sie werden für Spezial-Druckaufträge benötigt. Unter dem Dach des Verlagshauses ist das Archiv untergebracht. Hier lagern Fotos, Kameraausrüstungen früherer, berühmt-berüchtigter Redakteure und beinahe alle Ausgaben des Weißenburger Tagblatts. Die älteste Ausgabe stammt von Januar 1898.

Verlage machen Verluste

Vor 130 Jahren war es für die Verleger noch einfacher, Zeitungen zu verkaufen. Die Lokalzeitung war das einzige Informationsmedium für die Menschen. "Das war über viele Jahre ein Selbstläufer", sagt Robert Renner. Dann habe sich das sogenannte Nürnberger Modell durchgesetzt. "Diese Zusammenarbeit einer großen Regionalzeitung mit all den kleinen Lokalzeitungen außen drumherum. Das hat eigentlich über viele Jahre gut funktioniert", so der Chefredakteur.

Aber auch große Verlagshäuer haben zunehmend Schwierigkeiten. Laut einer Mitteilung des Bundesverbands Digitalpublisher und Zeitungsverleger haben im Jahr 2022 die meisten Verlage ihre Verluste bei gedruckten Zeitungen nicht ausgleichen können – trotz steigender Umsätze bei digitalen Angeboten. "Die Zeiten für die Zeitungen sind tatsächlich sehr schwer. Die Transformation zu dem Thema online und immer mehr noch ins Netz zu verlagern, hält natürlich an", erklärt der Weißenburger Chefredakteur. Allerdings habe die gedruckte Ausgabe beim Weißenburger Tagblatt noch einen sehr hohen Stellenwert. "Das wird – so interpretieren wir zumindest die Zahlen – von den Lesern honoriert", ist Renner überzeugt. Rund 10.000 Menschen lesen die Wochenendausgaben des Weißenburger Tagblattes.

"Tageszeitung ist ein Privileg"

Die Weißenburgerinnen und Weißenburger schätzen "ihre" Tageszeitung. Für Oberbürgermeister Jürgen Schröppel (SPD) gehört das Tagblatt zum Frühstück, wie die Erdbeermarmelade, sagt er. "Die Zeitung ist sehr wichtig, weil sie identitätsstiftend ist. Der Bürger hat die Möglichkeit, das regionale Geschehen mitzuverfolgen", so der Bürgermeister. Auch für die Unternehmerin und Vorsitzende des Stadtmarketingvereins in Weißenburg, Britta Strunz, ist die lokale Tageszeitung unverzichtbar. Denn dort könnten regionale Projekte sichtbar gemacht werden. Für die örtliche Buchhändlerin Bettina Balz ist es ein Privileg, dass es diese Tageszeitung gibt. "Das Tagblatt setzt Themen. Macht uns auf Themen aufmerksam und gibt uns die nötigen Informationen", erklärt Balz.

Wichtige Instanz für die Region

Um auch jüngere Menschen für den Lokaljournalismus zu begeistern, setzt das Weißenburger Tagblatt auch auf soziale Medien, wie Instagram. Dort hätten sie viele jüngere Follower, berichtet Robert Renner. "Die sollen eben sehen: Da gibt es lokale Nachrichten, die sind relevant und die sind auch verlässlich", so der Chefredakteur.

Wie relevant eine Tageszeitung für eine Region ist, hat die Harvard Business School in Amerika untersucht, wo ein massives Zeitungssterben herrscht. Das Ergebnis – stark verkürzt: Wenn Lokalzeitungen schließen, nehmen unter anderem Betrugsfälle und Finanzvergehen zu. Lokalzeitungen sind vor Ort also eine wichtige Instanz. Die neun Redakteurinnen und Redakteure des Weißenburger Tagblatts arbeiten weiter daran, dass das auch lange noch so bleibt.

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