Pestizide, Herbizide, Rodentizide und Fungizide – all das sind Giftstoffe, die Pflanzen bei ihrem Wachstum schützen sollen, vor Schädlingen, anderen Pflanzen, Nagetieren oder Pilzbefall. Doch gesund sind diese Stoffe auch für den Menschen nicht. Und geringe Mengen lassen sich immer wieder in Schnittblumen nachweisen.
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Kaum Rosen ohne Giftstoffe im Handel
Schon 2012 fand der BUND Naturschutz bei einer Untersuchung für den Valentinstag in Rosensträußen Pestizidrückstände, und zwar in acht von zehn Berliner Geschäften. Im Januar 2023 ließ die Zeitschrift Öko-Test Rosensträuße untersuchen. In 21 fand das Labor laut Öko-Test mehr als 54 Giftstoffe, kein einziger Strauß war frei davon. Die Redaktion Markt vom NDR ließ ebenfalls vor Kurzem Rosen aus Afrika untersuchen. In allen vier Sträußen konnten Pestizide nachgewiesen werden.
Nicht gefährlich, aber gesundheitsschädlich
"Wenn ich einen solchen Strauß in der Wohnung habe, hat das nicht direkte Auswirkungen auf die Gesundheit", erklärt Corinna Hölzl, Pestizidexpertin beim BUND Naturschutz. Gesund ist es aber trotzdem nicht. Gerade Floristinnen seien zudem gefährdet.
Hölzl empfiehlt daher, bei der Arbeit mit Schnittblumen Handschuhe zu tragen. Denn viele der Giftstoffe stehen im Verdacht, krebserregend oder schädlich für die Fruchtbarkeit zu sein. Außerdem verschlechtern sie die Qualität des Bodens und gelangen ins Grundwasser.
Keine Giftstoffe – die Slowflower-Bewegung
Alles anders macht die Slowflower-Bewegung. Die hat sich 2019 gegründet, als Ergebnis einer Bachelor-Arbeit. Interviewpartner, die für die Recherche notwendig waren, knüpften den Kontakt zwischen den späteren sieben Gründungsmitgliedern. Ihr Ziel sind Schnittblumen aus der Region, frei von Schadstoffen. Mittlerweile hat die Bewegung fast 100 Mitglieder, darunter Farmer, Floristen und Designer.
In Schwaben gibt es drei Slowflower-Betriebe
In Bayern gibt es bisher neun Betriebe, davon drei in Schwaben. Einer davon ist "Kraut und Blüten" in Haldenwang im Landkreis Oberallgäu. Gründerin ist Barbara Schäffeler. Vor gut zwei Jahren übernahm sie mit ihrem Mann den Bauernhof ihrer Eltern. Weil für sie ein Viehbetrieb im Nebenerwerb nicht infrage kam, suchte sie nach Alternativen. Ihre Schwester brachte sie dann auf die Slowflower-Bewegung. Nach ein paar Wochen Recherche war für Barbara Schäffeler klar, sie wird Flowerfarmerin.
Bio-Blumen-Produktion bedeutet eine Menge Mehrarbeit
Vor anderthalb Jahren gruben sie und ihr Mann dann die Wiese hinterm Haus um und pflanzten vier Blumenfelder: Frühlings-, Sommer- und Herbstsorten sowie mehrjährige Stauden. "Das macht die Bewirtschaftung für mich einfacher", erklärt Schäffeler. Doch die Arbeit ist mühsam. "Im ersten Jahr habe ich eigentlich nur Unkraut gejätet, ich jäte immer noch ganz viel, aber langsam wird es besser." Andere Betriebe setzen hier Herbizide ein.
Nützlinge ersetzen viele chemische Mittel
Aber auch vor Schädlingen sind ihre Blumen weniger geschützt. Doch manchmal regelt das die Natur von allein, so wie bei einer Läuseplage vor ein paar Wochen, erzählt Barbara Schäffeler. "Eine Woche später war alles voller Marienkäfer, die haben mir dann die Läuse aufgefressen. Wenn man den Nützlingen Raum gibt, wo sie sich vermehren können, dann funktioniert das."
Einzig mit einer Tröpfchenbewässerung und Fangnetzen unterstützt Schäffeler ihre Blumen. Trotzdem gibt es auch schwere Momente. Zum Beispiel, wenn sie vom Fenster aus zuschauen muss, wie Hagel und Unwetter in ihrem Feld wüten.
Schäffeler hat für 2024 einen großen Trockenblumen-Auftrag
Für 2024 arbeitet die Floristin bereits an einem Spezialauftrag. Die Stadt Kempten hat bei ihr eine große Menge Trockenblumen bestellt. Auf einem Extrafeld wachsen dafür geeignete Sorten, das ganze Jahr über trocknet Schäffeler die Sträuße. Am 8. März 2024 sollen die dann pünktlich zum Weltfrauentag in Kempten verteilt werden.
Auch die Herkunft der Setzlinge ist wichtig
Viele Pflanzen kommen aber bereits als Setzlinge oder Blumenzwiebeln bei Barbara Schäffeler an. Dabei ist es wichtig, dass auch diese bei der Aufzucht nicht mit Giftstoffen behandelt wurden. Eine der seltenen Adressen, wo man solche Bio-Setz- und Stecklinge bekommt, ist die Staudengärtnerei Gaißmayer in Illertissen im Landkreis Neu-Ulm. Dort werden fast alle Jungpflanzen aus eigenem Saatgut gezogen. Die meisten davon kommen aus einem riesigen Garten innerhalb des Geländes.
Staudengärtnerei bietet Slowflower-Kurse an
"Unseren Genpool", nennt das Areal Sina Schneider. Sie arbeitet bei der Staudengärtnerei Gaißmayer und ist auch Slowflower-Floristin. Immer wieder bietet sie Kurse für den Nachwuchs an. Dabei dürfen die Teilnehmenden erst einmal durch den Garten schlendern und sich einen Strauß voll Blumen zusammensuchen.
Sina Schneider zeigt dann, was einen richtigen Strauß ausmacht. Nebenbei ist sie aber auch für Setz- und Stecklinge verantwortlich. Sie überwacht den Prozess der Vermehrung, Verpflanzung und auch Vertopfung der Jungpflanzen.
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