November 2022 im Landgericht Memmingen: Prozess gegen zwei Landwirte aus Bad Grönenbach.
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Das Urteil gegen die beiden Landwirte aus Bad Grönenbach ist jetzt rechtskräftig. Der Sohn muss deshalb in Haft.

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Allgäu: "Höchste verhängte Strafe wegen Tierschutzverstößen"

Allgäu: "Höchste verhängte Strafe wegen Tierschutzverstößen"

Ein Landwirt aus Bad Grönenbach und sein Sohn haben kranke Kühe vernachlässigt und gegen das Tierwohl verstoßen. Der Bundesgerichtshof hat jetzt die Revisionsanträge der beiden abgelehnt. Der Sohn muss also in Haft. Tierschützer loben die Urteile.

Über dieses Thema berichtet: Regionalnachrichten aus Schwaben am .

Das erste umfangreiche Verfahren im Unterallgäuer Tierskandal ist rechtskräftig abgeschlossen. Das erklärte das Landgericht Memmingen in einer Mitteilung. Am 29. November 2022 hatte das Memminger Landgericht einen damals 25-Jährigen wegen quälerischer Misshandlung von Rindern zu einer Gefängnisstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten verurteilt, sein 68 Jahre alter Vater erhielt eine Haftstrafe von zwei Jahren, die allerdings zur Bewährung ausgesetzt wurde.

Bundesgerichtshof sieht keine Rechtsfehler: Landwirt muss in Haft

Nachdem beide Angeklagte Revisionsanträge gestellt hatten, wurde das Urteil vom Bundesgerichtshof überprüft. Da dieser keine Rechtsfehler gesehen habe, seien die Revisionen als unbegründet verworfen worden, teilte ein Sprecher des Landgerichts am Donnerstag mit. Die Verurteilungen seien damit rechtskräftig, der Sohn müsse nun in Haft. Die Anwälte der beiden Landwirte waren für eine Stellungnahme dazu noch nicht zu erreichen.

Richter spricht von "Ignoranz gegenüber dem Tierschutz"

Die Landwirte hatten kranke Kühe vernachlässigt, manche Tiere mussten nach Kontrollen der Behörden notgetötet werden. Der Vorsitzende Richter sprach von "Ignoranz gegenüber dem Tierschutz". Die Bauern hätten sich zahlreichen Aufforderungen der Behörden, die Zustände für die Rinder zu verbessern, beharrlich verweigert.

Tierschützer loben Urteile

In einer ersten Reaktion nannte Friedrich Mülln vom Verein Soko Tierschutz die Bestätigung der Urteile "wegweisend". Er lobte ausdrücklich die bayerische Justiz. "Das ist die höchste jemals verhängte Haftstrafe wegen Tierschutzverstößen in Deutschland. Leider sieht es in vielen Bundesländern deutlich schlechter aus und selbst die schlimmsten Tierquäler kommen davon", so Mülln. Auch Tierrechtsaktivist Philipp Hörmann sieht das Urteil ähnlich. Es sei ein klares Signal zum Schutz der Tiere. "Hoffentlich hat das auch eine richtungsweisende Wirkung auf zukünftige Prozesse", sagte Hörmann.

Tierschutzbund hält Urteil für "bemerkenswert"

Der Deutsche Tierschutzbund hält das Urteil wegen der hohen Strafe für bemerkenswert angesichts der Tatsache, dass das maximale Strafmaß bei Verstößen gegen den Tierschutz bei drei Jahren liegt. Allerdings hält der Tierschutzbund die Höchststrafe für zu niedrig. Grundsätzlich sei es auf jeden Fall zu begrüßen, wenn Verstöße gegen das Tierschutzgesetz streng geahndet werden: "Üblicherweise dauert es in solchen Fällen aufgrund der mangelhaften Kontrollen, die zu selten und nur angekündigt stattfinden, viel zu lange, bis sie überhaupt bekannt werden und das Veterinäramt dann auch wirklich einschreitet. Bis es überhaupt zu einer Verurteilung kommt, vergeht oft eine sehr lange Zeit, in der weitere Tiere grausam leiden müssen", so der Tierschutzbund.

Tierschutzbund: Nur die Spitze des Eisbergs wird aufgedeckt

Der Deutsche Tierschutzbund geht davon aus, dass nur "die Spitze des Eisbergs überhaupt aufgedeckt wird" und die Dunkelziffer an Verstößen gegen das Tierschutzgesetz in landwirtschaftlichen Betrieben deutlich höher ist. Deshalb hofft der Verein auf eine Signalwirkung des Urteils und einen Weckruf für andere Betriebe: "Das Urteil ist im Grunde keine harte Strafe, sondern nur konsequent angewandter Tierschutz", so der Tierschutzbund.

Bauernverband wehrt sich gegen Generalverdacht

In seiner Reaktion auf das Urteil bedauert der Bayerische Bauernverband, "dass in diesem Fall durch eine tragische Überforderung von Menschen Tiere vernachlässigt wurden. Dies ist ohne Zweifel inakzeptabel und hat nun auch drastische Konsequenzen." Es handle sich allerdings um einen Einzelfall, von dem aus nicht einfach Rückschlüsse auf die gesamte Tierhaltung in Bayern gezogen werden könnten, so der Bauernverband. Es sei auch schlicht zu kurz gesprungen, diesen Fall mit der Anzahl der Tiere zu verknüpfen und daraus dann Schlussfolgerungen abzuleiten. Gründe für Überforderung seien immer sehr vielschichtig. Man versuche als Verband, hier schon präventiv zu helfen. So gebe es zum Beispiel das sogenannte Montagstelefon. Hier können sich Bäuerinnen und Bauern melden und erhalten Hilfe. "Darüber hinaus bieten wir konkrete sozioökonomische Beratung an und versuchen gemeinsam mit verschiedenen Partnern, Betriebe dafür zu sensibilisieren, sich frühzeitig und ohne falsche Scham Unterstützung bzw. Beratung zu holen".

Verpflichtender Betreuungsschlüssel für Tiere

Am Landgericht Memmingen stehen in den kommenden Monaten zwei weitere Verhandlungen im Hinblick auf den sogenannten "Allgäuer Tierschutzskandal" an. Josef Schmid, der bayerische Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft, betonte, dass es einen verpflichtenden Betreuungsschlüssel brauche. "Für eine bestimmte Anzahl von Tieren muss es so und so viele qualifizierte Fachkräfte geben, dann würden mancherorts die Probleme nicht überhandnehmen", so Schmid. Oft würden sich nicht ausgebildete Billiglöhner um Tiere kümmern, oder Landwirte seien schlicht mit zu vielen Tieren überlastet.

Der ABL-Vorsitzende forderte faire Preise und eine Abkehr vom Prinzip "Wachsen oder Weichen": "Solche Probleme tauchen meist nicht von heute auf morgen auf. Landwirte haben natürlich die Pflicht, dass ihnen der Überblick nicht verloren geht."

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